Seite 64 - CONTROLLER_Magazin_2003_03

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CM Controller magazin 3/03 - Norbert Mast
3.
Dies ist für diejenigen, die gut auf
eine Krise vorbereitet sind, die idea–
le Chance, am Kapitalmarkt zumin–
dest kurz- und mittelfristig
unter
Vorlage von lebens- und tragfähigen
Bilanzstrukturen vorteilhaften
Nut–
zen aus der Krise zu ziehen. Jede
Krise bietet eine Chance - insbe–
sondere für die Starken.
Nun einige Worte zu den Lieferanten.
Ich möchte dabei eingehen auf die ein–
gangs erwähnte
Strategie des „Single
sourcing" und des „multi sourcing".
Häufig wird der Fehler gemacht, zumeist
unter dem Gesichtspunkt des besten Prei–
ses, mit einem Lieferanten feste Bindun–
gen einzugehen. Dies ist auch zunächst
nichts Sträfliches, insbesondere unter
dem Aspekt der intakten Partnerschaft.
Allerdings darf hierbei nicht übersehen
werden, dass ein Unternehmen insbe–
sondere bei der Vergabe von so genann–
ten „strategischen Teilen und Komponen–
ten" im Falle des „Single sourcing" sich
in
erhebliche Abhängigkeiten begibt,
die
verifiziert werden müssen. In Zeiten von
Krisen kann die Abhängigkeit in eine un–
überschaubare Größenordnung geraten,
falls die finanzielle Situation des gewähl–
ten Partners nicht genügend transparent
und vorschauend evaluiert wurde. Dies
kann im Extremfall bis zur eigenen Liefer–
unfähigkei t und dami t zur eigenen
Existenzbedrohung führen.
Das Kundenrisiko stellt eine perma–
nen t e
Aufgabe
de s
Risiko–
managements und der Bonitäts- und
Sicherheitsbeurteilungen dar.
Trotzdem
gerät zwangsläufig jede Organisation in
die Versuchung, bei progressivem Ge–
schäftsverlauf ( = Boom) sich einige
Schritte zu weit zu wagen. Der Ausbau
von Marktanteilen, die Vorgaben der Ge–
schäftsführung und die völlig natüriichen
Triebe der Verkäufer, Aufträge unter allen
Umständen an Land zu ziehen, sind
verständlicherweise nicht zu überschät–
zende Motivatoren, auch gewisse Risi–
ken einzugehen.
Allerdings kann diese Risikooffensive bei
Eintritt einer überraschenden Krise zu
einem gefähdichen finanziellen Spagat
werden, falls nicht entsprechende Vor–
kehrungen im Hinblick auf die Ausgegli–
chenheit zwischen Finanzierung und
Refinanzierung getroffen wurden. Dar–
über hinaus kann sich kurz nach Eintritt
der Krise herausstellen, dass zuvor als
bonitär eingestufte Kunden nun plötz–
lich in Zahlungsschwierigkeiten geraten
sind.
Nun ist es bereits zu spät, die geschlosse–
nen Geschäfte zurückzudrehen. Der Kun–
de ist mit der für ihn ebenfalls überra–
schenden Situation - nämlich der Krise -
konfrontiert. Er kann seinen geplanten
und vereinbarten Verpflichtungen nicht
mehr nachkommen. Sein Kerngeschäft
ist heftig betroffen und die geplanten
Vorhaben kann er mangels Aufträgen und
Kunden nicht abwickeln. Ihm fehlt der
erforderliche positive „Cash Flow".
Hier gilt es nun,
das richtige unter–
nehmerische Fingerspitzengefühl zu
entwickeln und einzusetzen.
Entweder
Einzug der erhaltenen Sicherheiten:
a) Wechsel,
b) Schecks,
c) Hypotheken,
d) Bankgarantien,
e) Bürgschaften,
f) Eigentumsvorbehalt;
oder damit eine endgültige Beendigung
der Kundenbeziehung zu riskieren, was
sich im Markt sehr schnell verbreiten
wird. Die andere Alternative jedoch ist,
Verständnis für die Situation des Kunden
aufzubringen
und gemeinsam mit ihm
im partnerschaftlichen Sinne neue
übe r a r be i t e t e Vere inbarungen
zu
treffen. Hierbei besteht allerdings die
wesentliche Schwierigkeit darin, sowohl
die Dauer als auch die Intensität der Krise
realistisch einschätzen zu können.
Dies bedeutet in Konsequenz und logi–
scherweise auch, dass die neue Verein–
barung im Prinzip lediglich als „richtungs–
weisend" und viel weniger als bindend
angesehen werden kann.
Die klare und konsequente Erkenntnis
hieraus ist
die starke Bedeutung der
Kundenpartnerschaft insbesondere in
schlechten Zeiten.
Diese kann sich loh–
nen für gute und stabile Zeiten mit dem
weiteren Ausbau einer dauerhaften und
beiderseits erfolgreichen Partnerschaft.
Andererseits kann sich jedoch diese Stra–
tegie zu einem erheblichen finanziellen
Risiko mit ernsthafter eigener Existenz–
bedrohung entwickeln, falls das einge–
gangene Risikoportfolio überfrachtet und
zu optimistisch betrachtet wurde. Auch
hier gilt wie sehr häufig, das notwendige
unternehmerische „Feingefühl in den Fin–
gerspitzen", das weder gelehrt noch ge–
lernt werden kann.
Dieses kommt einer
Evolution gleich und hängt zusammen
mit intuitiver Beurteilung und Ent–
scheidung
im Hinblick auf Menschen,
Situationen, Ereignisse, Edebnisse, Ge–
fühle und dem Blick für die Zukunft.
Dasselbe gilt für den Auftragsbestand,
allerdings mit dem wesentlichen Unter–
schied, dass zwar bindende Vereinba–
rungen eingegangen wurden, jedoch die
Auslieferungen noch ausstehen. Insofern
steht zwar unter Umständen ein Vorrats–
risiko ins Haus, jedoch kein Forderungs–
ausfallrisiko mit all seinen aufwändigen
und unangenehmen juristischen Folge–
aktionen.
Von daher kommt mit Eintritt
der Krisensituation eine intensive Über–
prüfung des existierenden Auftrags–
bestands
sowie eventueller neuer Auf–
träge im Hinblick auf die Bonität der
jeweiligen Kunden eine besondere Be–
deutung zu. Es sind entsprechende
vor–
sichtige Gespräche mit der Klientel zu
führen, ohne mit dem Elefanten „Risi–
ko"
in die Tür zu fallen.
Diese Maßnah–
me erfordert bei den jeweiligen Schritten
unter Abwägung von Kundenbedeutung
und dem zu erwartenden Risiko eine
äußerst sensible Vorgehensweise.
Dieses stellt eine enorme Gratwanderung
dar, wie prinzipiell alle Einschätzungen
im
Hinblick auf den voraussichtlichen
Veriauf der Krise. Trotz aller Vorsicht und
Rücksichtnahme sind
insbesondere in
Krisenzeiten die eigenen Unterneh–
mensziele egoistisch in den Vorder–
grund zu rücken. Schließlich geht es
um' s Überleben. Und meine Erfahrun–
gen hierzu sind äußerst positiv. Ich
habe fast durchweg Verständnis für
erforderliche harte Haltungen erlebt.
Dabei gilt jedoch: verletze nicht die
Gefühle und den Stolz deiner Partner
und zolle ihnen Respekt. Denn diese
stehen aufgrund der Krise ohnehin
auch selber unter höchster Spannung.
Grundsätzlich gilt in diesem Zusammen–
hang auch zu erwähnen, bei Eintritt ei–
ner Krise besonnen, vernünftig, ruhig und
geduldig zu handeln. Aktionismus stört
in dieser Situation und führt höchstwahr–
scheinlich eher zu verstärkten Schwierig–
keiten als zur erfolgreichen Bewältigung
der anstehenden Aufgaben.
Es ist keine besondere Weisheit, wenn ich
heute die Auffassung vertrete, dass ins-
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