CM Controller magazin 3/03
Großkunden dies von iiirem Spediteur
erwarten. Sofern derartige Kennzahlen
vom Kunden nicht schon per se abgefor–
dert werden, bietet deren Bereitstellung
ein zusätzliches Verkaufsargument, also
eine Chance, sich vom Wettbewerb zu
differenzieren.
Neben der Schadenhäufigkeit je Carrier
darfauch die Kennzahl
Schadenssumme
je Carrier
nicht fehlen. Für den Verlader
und Spediteur ist von erheblicher Bedeu–
tung, wie hoch der entstandene Schaden
im Einzelfall, das heißt pro Schadensfall,
bzw. kumuliert über einen definierten
Zeitraum ist. Dadurch können beispiels–
weise rechtzeitig mögliche Prämienan–
pa s sungen durch den Transport –
versicherer antizipiert werden.
Zur Dienstleistungsqualität in der Spedi–
tion gehört auch die Qualität administra–
tiver Abläufe, insbesondere also der Auf–
tragsabwicklung. Letztere lässt sich an–
hand der Kennzahl
Fehler je Mitarbeiter
bzw. Arbeitsprozess
beurteilen. So kann
beispielsweise die Anzahl stornierter
Rechnungen ins Verhältnis zur Gesamt–
zahl der Rechnungen gesetzt werden. Ist
der Anteil stornierter Rechnungen hoch,
müssen die Ursachen dafür im Rahmen
einer Schwachstellenanalyse aufgedeckt
werden. Eine entsprechende Analyse
kann auch für fehlerhaft erstellte Zollan–
träge, Luftfrachtbriefe, Bills of Lading etc.
durchgeführt werden.
Einbindung in die Balanced Score–
card
Die vorgestellten Kennzahlen bilden ein
Gerüst zur IVlessung und Steuerung von
Produktivität, Wirtschaftlichkeit sowie
Servicequalität in der Luft- und Seefracht–
spedition. Neben der Analyse der Ent–
wicklung von Kennzahlen im zeitlichen
Veriauf ist es dazu auch erforderiich, Ziel–
bzw. Planwerte für die Zukunft vorzuge–
ben und ihre Einhaltung zu überwachen.
Voraussetzung für den Einsatz von Kenn–
zahlen sind
leistungsfähige IT-Systeme,
die eine EDV-gestützte Ermittlung der
Kennzahlen ermöglichen. Darüber hin–
aus erfordert insbesondere die Messung
der Dienstieistungsqualität mittels Kenn–
zahlen eine lückenlose Dokumentation
der einzelnen Prozessschritte über die
gesamte Wertschöpfungskette, beispiels–
weise mittels Tracking & Tracing. Bei
global operierenden Netzwerkdienst–
leistern sind dabei eine hohe Anzahl
von Schnittstellen und Beteiligten zu ko–
ordinieren. Vorteile haben in puncto Stan–
dardisierung von Prozessen und IT dem–
zufolge jene Logistikdienstleister, die auf
ein
eigenes Netz zurückgreifen können
und nicht auf Agenten bzw. Koopera–
tionspartner angewiesen sind.
Trotz des potenziell hohen Nutzens von
Kennzahlen dürfen jedoch nicht die Gren–
zen dieses Tools aus den Augen vedoren
werden. Kennzahlen bestechen zwar
durch Operationalität und quantitative
Exakthe i t , nehmen dadurch aber
definitionsgemäß stets eine Verengung
bzw. Komprimierung der ökonomisch
relevanten Realität vor. Außerdem be–
schränken sie sich in der Regel auf
vergangenheitsbezogene Größen, die sich
einer Messung unterziehen lassen.
Um Aussagen über Ursachen von Ab–
weichungen bzw. Veränderungen ma–
chen zu können, empfiehlt es sich des–
halb, Kennzahlen zu einem Kennzahlen–
system zu verdichten. Will man außer–
dem eine Verbindung zur Unternehmens–
strategie und den finanziellen Zielen ei–
nes
Unternehmens herstellen, sind Kenn–
zahlen aus dem Leistungsbereich not–
wendigerweise
in eine Scorecard einzu-
binden. '"
Das Besondere an der Balan–
ced Scorecard ist nämlich, dass zur
Leistungsmessung, dem Performance
Measurement, neben finanziellen auch
solche Kennzahlen Verwendung finden,
die für den finanziellen Erfolg eines Un–
ternehmens verantwortlich sind. Indem
traditionelle finanzielle Kennzahlen über
Ursache-Wirkungs-Beziehungen mit die–
sen Kennzahlen verknüpft werden, las–
sen sich nun auch die Ursachen des fi–
nanziellen Erfolgs identifizieren. Zugleich
wird das Kennzahlensystem zumBinde–
glied zwischen der Entwicklung einer Stra–
tegie und ihrer Umsetzung. Auf diese
Weise geht die Scorecard über den An–
spruch der Leistungsmessung deutlich
hinaus, weil mit ihrer Hilfe insbesondere
die weit verbreitete Schwachstelle einer
mangelnden Verknüpfung von Strategie
und operativer Planung und Steuerung
beseitigt werden kann.
Für den erfolgreichen Einsatz einer
Scorecard ist es entscheidend, dass die
richtigen, das heißt relevanten Einfluss–
faktoren ausgewählt und diese mittels
adäquater Kennzahlen in der Scorecard
abgebildet werden. Hierzu muss auf
Gesamtunternehmensebene herausge–
arbeitet werden, welche die relevanten
Faktoren sind, die Einfluss auf den Unter–
nehmenserfolg und damit auch auf den
Unternehmenswert haben. Diese soge–
nannten Werttreiber (Value Driver), bei
einem Logistikdienstleister zum Beispiel
die transportierten Volumina, dieTermin-
treue etc., sind schließlich in der Score–
card zu verankern. Die Scorecard wird
damit zum
Eckpfeiler für die Umsetzung
einer wertorientierten Unternehmens–
führung,
deren primäre Zielsetzung es
ist, den Unternehmenswert zu steigern.' '
Vernünftigerweise gibt es dazu eine
Scorecard auf Gesamtunternehmens–
ebene, in der klar festgelegt ist, wohin die
Richtung gehen soll. Darüber hinaus gibt
es top-down heruntergebrochen für je–
den Geschäftsbereich, jedes Produkt, jede
Sparte, jede Landesgesellschaft, also auf
der Ebene nachgeordneter Organisations–
einheiten, separate Scorecards, in denen
wesentlich konkretere, also operativ aus–
gerichtete Zielvorgaben verankert sind.
Wie eine Ba l anc ed Scorecard auf
Gesamtunt ernehmensebene für das
Geschäftsfeld Luft- und Seeverkehre bei
einem Logistikdienstleister aussehen
kann, zeigt Abb. 3. Sie bildet eine Score–
card ab, die finanzielle Kennzahlen eben–
so wie Lei stungs- , Qual i täts- und
Prozesskennzahlen beinhaltet . Insge–
samt
besteht die Scorecard aus elf Kenn–
zahlen,
deren Art der Erhebung und Er-
mitUung auf einem separaten Kenn–
zahlenblatt definiert wird. Optisch ist die
Scorecard in Form eines Cockpits mit farb–
lichen Abstufungen so aufbereitet, dass
Zielerreichungsgrade auf den ersten Blick
ins Auge fallen. Dabei ist jedes Cockpit
zweigeteilt und so aufgebaut, dass Ziel–
überschreitungen bzw. das Erreichen
bestimmter Ziele im Vergleich zum Vor–
jahr und im Vergleich zum Budget darge–
stellt werden. Durch eine Drop-Down-
Menüführung ist es möglich, sich die
Entwicklung in einzelnen Ländern im
Detail anzuschauen.
Neuere Studien zum Thema kennzahlen-
gestützte Geschäftsführung in der Logi–
stik zeigen leider, dass es insbesondere
in mittelständischen Unternehmen der
Logistikbranche mit dem Einsatz von
Kennzahlen und Kennzahlensystemen
nicht weit her ist.'^ Dort wo Kennzahlen
Verwendung finden, beschränken sie sich
überwiegend auf finanzwirtschaftliche
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