Seite 77 - 2002-06

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C o n t r o l l e r
magazin 6/02
Grundvoraussetzung ist in diesem Fall,
dass sich die Bereiche weigern können,
interne Geschäfte durchzuführen, d. h.
die Unternehmensbereiche können ihre
Leistungen also auch nur am externen
Markt verkaufen bzw. beziehen.
Die Unternehmenslei tung entscheidet
hier nur, ob die Anwendung der
verhandlungsorientierten Verrechnungs–
preise grundsätzl ich oder nur für be–
st immte Fälle in Frage kommt und wie
die g r und l egenden Pr i nz i p i en des
Einigungsverfahrens aussehen.
Diese Verrechnungspreise spiegeln das
Streben nach größtmögl icher Autonomie
der Bereiche wider Dami t sind verschie–
dene Vor- und Nachteile verbunden, die
u. a. (typischerweise) zu einer höheren
Mo t i v a t i o n und einer besseren
Informat ionsausnutzung der Bereiche
führen, aber i.d.R. auch mi t dem Nichter-
füllen der Koordinat ionsfunkt ion sowie
der Gefahr, Konflikte im Unternehmen
auszulösen, verbunden sind. Verhandel–
te Verrechnungspreise haben, ähnlich wie
Verrechnungspreise, die einen Gewinn–
aufschlag enthal ten, den Nachteil, dass
u. U. sinnvolle Investitionen eines Be–
reiches (z. B. in kostensenkende Maß–
nahmen) nicht erfolgen, da der investie–
rende Bereich zwar die gesamten Kosten
zu tragen hat, aber nur einen Teil des
Er folgs e r hä l t . I nso f ern ist ein
verhandlungsorientierter Verrechnungs–
preis aus Sicht der Unternehmenslei tung
nur dann sinnvol l, wenn die Vorteile die
Nachteile überwiegen.
3.4 Duale Verrechnungspreise
Als besondere Va r i a t i on kos ten–
orientierter Verrechnungspreise sind die
dualen Verrechnungspreise anzusehen,
bei denen unterschiedliche Preise für den
liefernden und empfangenden Bereich
angesetzt werden. Dieser Lösungsvor–
schlag sieht vor, dass der empfangende
Bereich die durchschnittl ichen Vollkosten
(pro Stück) des abgebenden Bereichs
bezahlt, während der abgebende Bereich
den durchschni tdichen Deckungsbeitrag
(vor Kosten der innerbetriebl ichen Lei–
stung) des empfangenden Bereichs er–
hält. Dies führt dazu, dass der durch das
Produkt, in den die innerbetriebl iche Lei–
stung einfließt, entstehende Gewinn bei
beiden Bereichen ausgewiesen wi rd und
setzt gleichzeitig voraus, dass die Zentra–
le den Ausgleichsveriust trägt. Der Ge–
samtgewinn ergibt sich sonst nicht mehr
als Summe der Bereichsgewinne; die Zen–
trale macht dabei immer einen Veriust,
und zwar genau in Höhe des Gesamtge–
winnes des Unternehmens infolge der
Transaktion.
Ein grundsätzl iches Problem besteht
darin, dass beide betei l igten Bereiche
denselben Gewinn ermi t teln, unabhän–
gig davon, wie wirtschaft l ich sie gearbei–
tet haben. Eine Einordnung der Bereiche
z. B. nach ihrer Profitabilität ist nun nicht
mehr mögl ich. Die Erfolgsermitdungs-
funkt ion wi rd somi t nicht erfüllt.
Dies ist auch einer der Hauptgründe für
die geringe Akzeptanz dualer Verrech–
nungspreise in der Praxis. Außerdem un–
befriedigend ist für die Praxis, dass zwei
verschiedene Preise für dieselbe Leistung
existieren und der „richt ige" Preis (der
gleichwohl ohnehin nicht existiert) nicht
befriedigend best immt werden kann.
Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass
die Bereiche auf die ansonsten gute Erfül–
lung der Koordinationsfunkrion dadurch
einwirken können, dass sie durch direkte
Absprachen untereinander zu Lasten der
Zentrale bzw. des tatsächl ichen Gesamt–
gewinns des Unternehmens handeln. Da
interner Transfer letzUich immer durch
(mehrfaches) Entstehen von Bereichs–
gewinnen belohnt wi rd, besteht bei die–
sem Verrechnungspreistyp nur ein gerin–
ger Anreiz, nach günstigeren externen
Al ternat iven zu suchen. Dami t werden
häufig externe Angebote zu Lasten inter–
ner Leistungen abgelehnt.
4. ZUSAMMENFASSUNG
Durch die zunehmende Dezentralisierung
bzw. Divisional isierung von Unterneh–
men sind heutzutage va . die Funktionen
der Koordination des Managements und
der Erfolgsermittlung von dezentralen
Einheiten des Untenehmens (wie Profit
Center) von Bedeutung.
Die Wahl des Verrechnungspreistypus
beeinflusst neben der Höhe der Bereichs–
gewinne auch die Erfüllung von Erfolgs–
ermitdungs- und Koordinat ionsfunkt ion.
Die Entscheidung für einen best immten
Typus ist folglich für die Unternehmens–
leitung von essentieller Bedeutung, eben–
so natüri ich für die Bereichsmanager und
alle operativen Entscheider.
Da weder ein richtiger noch ein gerechter
Verrechnungspreis und zusätzl ich ein
Zielantagonismus zwischen den beiden
wesendichen Funktionen existiert, sind
generelle Empfehlungen für einen be–
st immten Modus zur Best immung von
Verrechnungspreisen nicht sinnvol l. Die
skizzierten Überiegungen zur Verbindung
von Funktionen und Typen von Verrech–
nungspreisen sind dabei im höchsten
Maße praxisrelevant, da sie an denGrund–
festen der dezentralen Organisationen
ansetzen und für die Beurtei lung der de–
zentralen Entscheider wie auch der Fra–
ge nach Entscheidungen der dezentralen
Einheiten im Sinne des Unternehmens
wesendich sind. Für den praktischen Ein–
satz von Verrechnungspreisen ist dar–
über hinaus nicht nur die Erfüllung der
jeweiligen Funktion von Interesse, son–
dern auch Einfachheit und Akzeptanz
spielen bei der Best immung von Ver–
rechnungspreisen für interne Leistungen
eine Rolle.
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Zuordnung CM-Themen-Tableau
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