Controller magazin 6/02
INNERE STABILITÄT
gegen äußere Verunsicherung setzen
von Hartmut
Volk,
Bad Harzburg
Professor Dr Hans Zeier vom Inst i tut für
Verhaltenswissenschaft der ETH Zürich
fasst die Problematik und die Aufgabe
unserer Tage in zwei knappe Sätze: „Eine
qual itätssichernde Lebensweise fordert
Flexibilität und laufende Anpassung an
neue Gegebenheiten. Sie lässt sich nicht
von heute auf morgen erreichen, son–
dern braucht langwierige Bemühungen
und bewusste Auseinandersetzung mi t
den vorhandenen Gegebenheiten."
Heißt die
Zauberformel für e in l ebens –
we r t e s Leben heu t e al so mehr als je
zuvor ' l ebens l ange s Lernen'?
„Wer auf–
hört zu lernen, gibt sich selbst auf, das
gilt in der Tat heute mehr denn je zuvor",
bestätigt die Braunschweiger Ärzt in und
Psychotherapeut in Dr. Herta Wetzig-
Wür th. Doch was für sie noch viel wicht i –
ger ist als dieser mehr grundsätzl iche
Aspekt des Lebensglücks und -erfolgs:
„Die gefragte Breite dieses Lernens hat
sich deut l ich verändert", sagt sie.
Wir seien es gewohnt, Lernen als Dazu-
lernen und in der jüngeren Vergangen–
heit auch immer mehr als Austausch von
alten, überholten Wissensinhalten gegen
neues Wissen zu verstehen. Lernen so zu
begreifen, betont sie, „ist zwar nach wie
vor eine notwendige Voraussetzung für
die Behauptung in einer immer turbulen–
ter werdenden Welt", macht sie klar, „nur
eben leider mi t Blick auf die Lebensqua–
l i tät keine hinreichende mehr!"
Die gegenwärtigen und noch mehr die
zukünft igen Lebens- und vor allem auch
Arbei tsumstände verlangten zwingend,
auch intens iv an s i ch se lbs t , an se iner
Persönl ichkeit zu arbei ten.
„Als Antwor t
auf die Zeitumstände heißt die große
Lern- und Entwi ck l ungsaufgabe für
jeden, die zunehmend
we gb r e c h e nd e
äußere Stabilität durch e i ne größere
innere Stabilität zu erse t zen,
sich eine
wi r k l i ch belastbare geist ig-seel ische
Basis zu schaffen", macht Wetzig-Würth
klar. Mentale Fitness sei deshalb auch
ganz erhebl ich mehr als nur ein fast
schon bis zur Banal i tät abgegriffenes
Schlagwort.
„Sie müssen in diesem Sinne heute unbe–
dingt an und für sich arbei ten", drängt
die erfahrene Therapeutin. Nur so ließen
sich Lebensmut- und -freude bewahren,
nur so die innere Bereitschaft, auf die
wechselnden Anforderungen des Lebens
unvoreingenommen und vor allem un–
verzagt zuzugehen, nicht „durch perma–
nent schwarze Gedanken" unterminie–
ren. Und, setzt sie hinzu, die sich als
quasi automat ische Reaktion auf die all–
tägliche Irritationen zwangsläufig einstel–
lenden Verunsicherungsgefühle und de–
ren Begleiter, die um sich greifenden Ver–
sagens-, Existenz- und Zukunftsängste in
erträglichen Grenzen hal ten.
Wie wicht ig gerade auch letzteres, vor
al lem für die Berufstätigen, ist, betont
Diplom-Betriebswirt Hartmut Volk, Freier Journalist,
Am Silberborn 14, D-38667 Bad Harzburg.
Telefon -^49(0)5322 / 2460, Fax 2450.
Dr Manfred Lütz, Facharzt für Psychiatrie
und Psychotherapie, Nervenarzt, Theolo–
ge und Chefarzt des Alexianer Kranken–
hauses, eines psychiatrischen Kranken–
hauses, in Köln:
„Angs t s törungen neh–
me n enorm zu in den wes t l i chen Gesell–
schaften.
Und das häufigste Gefühl bei
Wirtschaftsbossen, denen man gemein–
hin jede Mögl ichkeit zur Lebensfreude
zutraut, ist nicht Glück, sondern Angst",
stellt er unumwunden fest.
Diese Angst aber, weiß Dr lochen von
Wahlert, Facharzt für psychotherapeu–
tische Medizin und Coach in München
nur zu gut, gerade auch aus seiner frühe–
ren Tätigkeit als Leiter einer psycho–
soma t i schen Rehab i l i t a t i onsk l i n i k ,
„ l ahmt und un t e r g r äb t das Selbst–
bewusstsein und die Gesundheit. Angst
erstickt die Lernfähigkeit, die Neugierde
und tötet die Kreativität. Angst macht
unflexibel und lässt uns vor Verände–
rung zurückscheuen."
Oft, ber i chtet er, „wi r d die Fassade
noch monate-, manchmal jahrelang auf–
recht erhalten, mi t viel Anstrengung und
Über forderung, Gefühle werden ab–
gewehrt, unterdrückt , runtergeschluckt.
Irgendwann aber brechen sie dann durch.
Die Folgen werden in abgeschiedenen
Kliniken mi t Intensivtherapie behandelt:
Panikattacken, Burnout, Erschöpfungs–
zustände, Krisen, Depressionen, Alkohol ,
Medikamente, Drogen...!"
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