Controller magazin
4/2000
woh l nur in den seltensten Fällen erfol–
gen. Und so ist man
auch im Laden ,
wenn man nicht mit Freunden oder Be–
kannten unterwegs ist,
pr inz i p i e l l iso–
liert.
Der Fachhandel hat - zumindest in
den USA - dieses Defizit erkannt und
konzentriert sich sowohl beim Angebot
von kommunikat iven Events, z. B. Auto–
renlesungen, als auch bei der infrastruk–
tur
(siehe oben) auf die Förderung von
Kommunikation.
E-Commerce-Anbieter sol lten daher ver–
suchen, Leistungen anzubieten, die die
be i den Kr i ter ien „ I n f o rma t i on " und
„Erlebnisorientierung" kombinieren. Bei–
spielhaft könnte man über legen, kosten–
lose
themenspez i f i sche Buchtage
(z.
B.
AmazorTs
Science day) exklusiv für
Internet -Kunden anzubieten. Die pr imä–
re Zielsetzung liegt dabei in der Herstel –
lung eines Gemeinschaftsgefühls über
das Internet hinaus, was einerseits durch
die Themenor ient ierung und anderer–
seits durch kommunikat ive Angebote
sichergestellt wi rd. Inhaltl ich ist dabei
eine Mi schung aus Informat ion (z. B.
Präsentation einer interessanten Neu–
vorstel lung durch den Autor und weite–
re
Au t o r e n l e s u n g e n ) ,
E r l ebn i s –
or ient ierung (z. B. Neu- und Gebraucht –
buchmarkt , Themenqui z) und Kommu–
n i ka t i on
( v o n
n o rma l e n
Kommunikat ionsecken mi t Stehtischen
bis z um Angebot von Arbei tskreisen
durch Exper ten, wie z. B. Schreibtips)
vorstel lbar Solche Tage könnten in ver–
kehrsgünstig gelegenen Hotels in Groß–
städten stattfinden. E-Commerce-Anbie–
ter haben natür l ich auch eine zwei te
Opt ion: Sie können Präsenzgeschäfte er–
r ichten und Onl ine- und Offl ine-Handel
kombinieren. Ein vergleichbarer Ansat z
wi rd v on einigen E-Commerce-Anbietern
bereits umgesetzt . So hat 1 -800-Flowers
Blumenläden eingerichtet, in denen
die
Kunden von Fachleuten beraten werden
und z. B. in Workshops lernen, wie man
aus Blumen einen „Gebur tstagskuchen"
bastek (vgl . Fischer 1999b, S. 298). Man
mag dies belächeln, aber man darf un –
terstel len, dass diese Akt i on aus einer
sorgfältigen Anal yse der Kundenwün–
sche nach Kommunikat ion bzw. Inter–
akt i on u n d einem
s tärker er lebni s –
or ient ierten Kauf entstanden ist.
Inter –
essant ist auch das Ergebn i s , nach –
d em do r t , wo es echte Ladengeschäf –
te gibt , meh r Kunden die Pr oduk t e
on l i ne bes te l l en als ande r swo .
SICHERSTELLUNG VON RATIO–
NALITÄT BEIM E-COMMERCE
Die oben erwähnten Finanzzahlen sind
ein anschaul icher Beleg dafür, dass die
„Si cher s te l l ung de r Rat ional i tät der
Füh r ung "
(vgl . Weber/Schäffer 1999,
S. 33) gerade für Internet -Unternehmen
das Gebot der Stunde sein sollte. Der Weg
von der „Garagenfirma" zum Mi l l ionen–
unternehmen - den Unternehmenswert
wie auch die Veriuste betreffend - ist
schnell; ein Internet-Iahr dauert gerade
mal , so wi rd häufig postul iert, drei Mona–
te,
was weniger ist als der Anal yse–
z e i t r aum bei der E i n f üh r ung e i ner
Standardsoftware.
Die Implement ierung
einer Cont ro l l er funkt i on scheint auch
deswegen d r i ngend geboten , we i l die
kaufmänni sche Er fahrung u n d auch
Aff ini tät im Managemen t des Internet -
U n t e r n e h m e n s d e s ö f t e r e n n u r
s chwach ausgeprägt ist, sei dies auf
das Al ter oder die fachl iche Aus r i ch –
t ung der Gr ünde r zu r ückzu f üh r en .
Vieles aus dem bewähr ten Control l ing-
Methodenkasten kann eingesetzt wer–
den, einiges ist neu. Neu ist die
domi nan –
te Fokuss ierung auf den Kunden .
Die
Ermittlung von
kundenspez i f i schen Prä–
ferenzen u n d Wechselbar r ieren
ist es–
sentiel l , insbesondere wenn man die
schwindende Kundenloyal i tät berück–
sichtigt, die durch das Medium „Inter–
net" noch beschleunigt werden dürfte.
Oftmals sind es rein emotionale Fakto–
ren, eben die „Suche nach Erlebnissen",
die einen Kunden bewegen, bei einem
anderen Anbieter zu bestellen, obwohl er
mit den Produkten und dem Service des
früheren Anbieters durchaus zufrieden
ist. Hier zeigt sich auch die Grenze des
"Mass Customizat ion": Überträgt man
den " o n e - t o - o n e " - An s a t z au f die
Bewertungsebene, so wi rd man gerade
im Buchsegment feststellen, dass der
Kundenwe r t
bei einer auch mehrjähri –
gen Betrachtung für best immte Zielgrup–
pen oftmals nur mehrere Hunder t DM
erreicht. „Sicherstellung der Rationalität"
bedeu t e t
d a n n aber , dass
für
kostenspielige Maßnahmen zur Verbes–
semng der Kundenbindung auf
Einzel–
kundenebene kein Geld bereitsteht. Der
Control ler muss also darauf hinwi rken,
dass Maßnahmen mit mögl ichst breiter
Streuwirkung und mögl ichst hoher Ef–
fektivität bezügl ich der Kundenbindung
initiiert werden, und er muss diese Sze–
narien ergebnisbezogen durchrechnen
und glaubhaft vermi tteln.
Eine zentrale Aufgabe des
„ Internet -
Cont rol lers"
wi rd auch die
Finanz-
bzw.
treffender:
We r t kommun i ka t i on
sein,
gerade nach außen. Es ist ein schwieri –
ges Unterfangen, gegenwärtige und po–
tentielle Kapitalgeber von einem Unter–
nehmen zu überzeugen, das nach rein
f inanzwi r tschaf t l ichen Maßs täben ei–
gentlich dr ingend subventioniert werden
müsste, sei es durch den Staat oder durch
Venture-Spezial isten. Wertkommunika–
tion veriangt ein Nachdenken und Ermit–
teln der Werte des Unternehmens jen–
seits des Economic Value Added oder
Cash Flow Return on Investment. Die
wicht igsten Assets, die das ECommerce-
Unternehmen besitzt, sind nicht dieTech-
nologien, nicht die Lagerhallen und auch
nicht
die Mitarbeiter -
es
sind die viel
fältigen Informationen über seine Kun–
den. Wer diese Informationen besitzt (und
natüri ich auch
nutzt),
der
„besitzt"
die
Kunden, weil er weiß, wie sie denken und
was sie wünschen. Dies sind die „Treiber"
eines
Kundenwertes
auch
dann , wenn
andere Produkte und Dienstleistungen
vermarktet werden . Diesen Wert als
Akt iva
rechen- und darstellbar zu ma–
chen, vielleicht in einer
Kundenb i l anz ,
dürfte zur Sicherstel lung des Kapital
flusses auch
in Zeiten,
wo noch keine
finanziellen Überschüsse erwirtschaftet
werden, die vielleicht wichtigste strategi–
sche
Aufgabe des Controllers sein, flan–
kiert durch einen eloquenten CEO. Über–
legt man wei ter so stellen die auf Basis
der Technologie und mit Hilfe kunden–
bezogener Marketingkosten generierten
Ku n d e n p r o f i l e
als Grund l age eines
"Cont inuous Relationship Market ing"
(vgl, 0.
V.
1999b) ein wertsteigerndes,
zukünft ig vermarktbares Produkt dar
(vgl. Abbi ldung 3). Dies hat zwei Konse–
quenzen: Zum einen sind zumindest sta–
tistisch die kundenbezogenen Marketing-
und ggf. Technologiekosten dem virtuel –
len Produkt „Kundenprofi le" zuzurech–
nen. Zum anderen könnte auch kalku–
liert werden, wie hoch der Marktpreis
eines derart qualifizierten Kundenprofils
wäre, wenn es wiederbeschafft werden
müsste. Unterstelk man einmal pauschal
einen Betrag pro Kunde in Höhe von 20
US-$, so beträgt bei den 13 Mi l l ionen
Kunden von
Amazon.com
der virtuel le
(nicht realisierte) Eriös über 250 Millio–
nen US-$. Unabhängig von Fragen
des
Da t en s c hu t z e s wü r d e dies für
die
Anal ysten und Investoren bereits ein
wesent l i ch freundl icheres Erfolgsbi ld
zeichnen.
367