Seite 84 - 2000-04

Basic HTML-Version

Controller
magazin 4 / 2000 - Ol iver Fröhling
iniiaitet als den reinen Erwerb des Bu–
clies. Tatsächlich verbr ingen zahlreiche
Kunden den Großteil ihrer Zeit im L-aden
nicht mit „definierten" Käufen (ein Buch
wi rd gezielt gesucht und bezahlt), son–
dern mit der
Beschaf fung wei terer In–
format i onen
über das Buch (z. B. Lesen
des Klappentextes und Inhaltsverzeich–
nisses) und dem
„ He r ums t öbe r n "
in
themenverwandten oder auch thema–
t isch unterschiedl ichen Büchern. Mi t
Ausnahme v o n gez iel ten „Kompakt –
beschaffungen" zu lubi läen, wi rd signifi–
kanter Mehr -Umsatz oftmals dadurch
generiert,
dass der Kunde n i cht nu r das
eine Bu c h e rw i r b t , we s ha l b er ur –
sprüng l i ch in den Laden gekommen
ist, sonde r n viel leicht noch ein oder
zwe i andere Büche r
Diese Mögl ichkei –
ten bestehen im Internet nicht. Zwar las–
sen sich Bücher dort über Metadaten–
kataloge gezielter und oftmals schneller
suchen - wenn dies von dem Kunden
„mit Zeit" überhaupt als Vorteil gesehen
wi rd - und der Interessent bekommt auch
Inhaltsangaben und einige Buchbespre–
chungen geliefert, doch ist es mehr als
fraglich, ob er diesen Informationsquel –
len einen ähnl ichen
VJert
beimisst wie
dem
per sön l i chen Dur chb l ät tern u n d
An l esen des Buches .
So erscheint es
zweifelhaft, dass die Buchrezension ei–
nes 15 lahre alten College-Schülers aus
den USA für einen 45 lahre alten deut–
schen Geschäftsmann im Internet über–
haupt informativ ist, zumal letzterer gar
keine Informationen über den Rezensen–
ten und seine Präferenzen erhält. Im
schlechtesten Falle wi rd der Geschäfts–
mann feststellen, dass die vom unbe–
kannten Rezensenten gewähr ten fünf
Sterne von ihm persönl ich leider auf ei–
nen Stern korrigiert werden müssen und
dass er zukünftig diese Rezensionen nicht
mehr beachten wi rd , um weitere Fehl–
käufe zu vermeiden.
Gl e i chwoh l das phys i sche „ i n die Hand
nehmen " u n d Durchb l ät tern des Bu–
ches be im
E
-Commerce ni cht mög l i ch
ist,
bestehen doch Mögl ichkei ten, das
Kaufrisiko durch produktbezogene Infor–
mat ionen zu verr ingern und einen Mehr –
wert gegenüber dem Ladenkauf zu bie–
ten. Dazu zählt zum einen die Mögl ich–
keit, Buchinformationen als
herunter –
ladbare Dokumente
(z. B. pdf Dateien)
zu hinterlegen, wie dies für Arbeitspapiere
im wissenschaftlichen Bereich, aber auch
im Musikbereich mittlerweile bereits weit
verbreitet ist. Hinterlegt werden könnten
z. B.
Rezens ionen
(z. B. aus Wochen–
zeitschriften wie die „Zeit" oder Bespre–
chungen in wissenschaftlichen Zeitschrif–
ten), die
Informat i onen des Klappen–
textes
(ggf mit erweiterten Informatio–
nen über den Autor), das
Inhal tsverzeich–
nis
und gg f ein
Buchabschn i t t z um
Probelesen.
Letztere Mögl ichkeit wi rd
mittlerweile selbst innerhalb der Bücher
genutzt : Im Buch "Riptide" der US-ameri–
kanischen Bestsel ler-Autoren
Douglas
Preston
und
Lincoln Child
findet sich im
Anhang ein mehrseitiger Auszug aus ei–
nem neuen Buch der Au t o r en ( vg l .
Preston/Child
1998). Der Nachtei l der
Unpe r sön l i chke i t des I n f o rma t i ons –
mediums kann durch mehr und differen–
ziertere Informationen nicht vermieden,
aber zumindest kompensiert werden.
Ein anderer Verbesserungsvorschlag be–
trifft das Produkt als solches, das Buch.
Wollen E-Commerce-Anbieter den Markt –
anteil und ggf. auch die Margen über
sukzessive höhere Preise steigern, so sind
Wege nach einer
kos tengüns t i gen „Ver –
ede l ung" des Produktes
zu suchen, von
der ausschließlich Internet-Kunden profi
t ieren. Gerade im wissenschaf t l ichen
Fachbuchbereich wäre z. B. anzudenken,
ob man dem Kunden nicht
zusätzl ich
eine
CD als Buche r gänzung
liefert, auf
der alle Abbi ldungen und Formeln bzw.
Auswer tungen des Buches in den gän–
gigen Office-Programmformaten zur -
natüri ich Copyr ight -gerechten - Wieder–
verwendung durch den Kunden enthal–
ten sind. Die proport ionalen Kosten ge–
hen gegen Nul l und die Material ien sind
in entsprechenden Formaten bei den Ver–
lagen i.d.R. bereits ver fügbar Denkbar
ist auch, dass die CD um weitere Informa–
tionen ergänzt wi rd, wie z. B. um
wei tere
Fachbei t räge
des oder der Autoren (z. B.
aus einer im Veriagsprogramm publ izier–
ten Fachzeitschrift) oder ausgewähl te
wh i t e paper
zur Thematik. Für den Be–
reich der populären Unterhal tung, etwa
in Form von Romanen, macht dies natür–
lich wenig Sinn. Analog zum "Bundl ing"
im Videobereich könnte aber ergänzend
zum Erwerb eines aktuellen Buches
ko–
stenlos ein f rüher erschienenes Buch
zur übergreifenden Thematik, z. B. Thri l –
ler,
idealerweise vom selben Autor und
idealerweise als Auswahlmögl ichkei t , im
Taschenbuchformat mitgeliefert werden.
Auch ist zu überiegen, ob man nicht ex–
klusiv
nu r für die I nternet -Kunden Le–
sungen oder Seminarveranstal tungen
der Autoren anbieten könnte.
Dies dann
aber
n i cht kostenlos, sonde r n
z.
B. im
Rahmen eines „Buch de Iuxe" -Paketes.
Diese Überiegung führt fast nahtlos zum
nächsten Verbesserungsbereich.
,. .
Erlebnisorientierung trotz E-
Commerce
Der Nachtei l des
„unpe r sön l i chen Ein–
k a u f s " v i a I n t e r n e t
kann v o n
E-
Commerce-Anbietern nicht ernsthaft ent–
kräftet werden (vgl. aberBurkeetal . 2000,
S. 27). Die oben angesprochene Vermu–
tung der Anal ysten, dass sich in abseh–
barer Zeit E-Commerce zum de facto-Stan–
dard im Kaufverhalten durchsetzen wi rd,
gilt u.E. nur für solche Produkte, wo die
Produkte als solche und der dami t ver–
bundene Kaufprozess als notwendig be–
trachtet werden, aber dami t seitens des
Kunden keine „weichen" Faktoren, wie
gerade die
Er l ebn i sor i ent i erung ,
ver–
knüpft werden. Tatsächlich ist das „Sur–
fen" ein recht einseitiger und bisweilen
auch einsamer Prozess. Es mag eine Fra–
ge des Alters bzw. der Verwurzelung der
Gewohnhei ten sein,
aber der „getei l te
Maus -Kl i ck" mi t einigen F r eunden u n d
Bekannten bei einer Tüte Chips bietet
wahr sche i n l i ch doch wen i ger Er lebnis–
o r i e n t i e r u n g als das g eme i n s ame
Kl e i dershopp ing mi t der F r eund i n
mit
einer kur zwe i l i gen Kommunikat ions –
pause beim Cappucino oder im Bistro
direkt in der Fußgängerzone. Auch Inter–
net-Cafes und an öffentlichen Plätzen oder
in Firmen aufgestellte Online-Terminals
vermögen die Prozessdefizite nicht signi–
fikant zu verr ingern.
Wie ver suchen n u n E-Commerce-An–
bieter den Kaufprozess er lebni srei cher
zu gestalten?
Ein Blick auf die Seiten von
Amazon
und
bol
offenbart
viel fäl t ige
Ser v i ceangebote ,
wie z. B. Preisaus–
schreiben, Onl ine-Aukt ionen oder einen
Grußkartenservice. Al l diese Akt ionen
können fürbestimmteZielgruppen durch–
aus einen erlebnisorientierten Mehrwer t
schaffen, aber sie „personal isieren" den
Kaufprozess nicht. Fairerweise sei gesagt,
dass die
persönl i che bzw. kommuni ka–
tive Komponente
auch beim Ladenkauf
nu r bed i ngt gegeben
ist: Natürl ich steht
einem qualifiziertes Verkaufspersonal zur
Beratung zur Verfügung, und natüri ich
trifft man im Laden viele Menschen, die
auch nach Büchern suchen. Aber eine
Kommun i ka t i on mi t diesen Bücher –
interessierten i.S.e. "small talks" wi rd
366