C o n t r o l l e r m a g a z i n
4/2000
Z u o r dnun g CM- Themen - Tab l eau
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P
CONTROLLER
KLOSTER
von Pater Dr. Placidus
Berger,
Erzabtei St. Ottilien (Missionskloster)
Ein bisschen erstaunt war man in der
Erzabtei St. Ottilien am Ammersee schon,
als die Control ler Akademie aus dem
nahegelegenen Etterschlag sich vor zwei
jähren meldete und an einem Seminar-
Mi t twochabend speziell zur etwas dunk–
len Winterzei t um einen Besuch im Klo–
ster mit Führung bat. Schließlich liegt
das volkstüml ich und touristisch bekann–
te Andechs für Etterschlag genau so nahe
wie die Benediktinerabtei St. Ottilien und
ist normalerweise für touristische Besich–
t igungen die erste Wahl . Aber die Con–
trol lerwol l ten offensichtlich mehra l snur
„Touristik".
St. Ottilien ist eine vol l ausgebaute Bene–
dikt inerabtei mi t al len t radi t ionel len
Funk t i onen , wie den grundsätzl ichen
Handwerksbet r ieben, Landwi r tschaf t ,
Gärtnerei, Verlag, „Exerzi t ienhaus" (d. h.
geistliches Tagungshaus) und schließlich
ein alt- und neusprachl iches Gymnasi –
um mit Internat und Tagesheim. So man–
cher Control ler hat bei der Besichtigung
denn auch schon gesagt: „Eigentlich ein
mi t t e l s tänd i sches Wi r t scha f t sun t e r –
nehmen . " Wenn man bedenkt, dass zum
Mittagessen, wenn Schüler und Ange–
stellte alle da sind, mindestens 1000
Essensport ionen ausgegeben werden,
dann kann man es schon so nennen.
Es kommt hinzu, dass das Kloster eine
Körperschaft des Öffentliches Rechts ist
und einen eigenen Ortsteil der Gemeinde
Eresing darstellt mit
eigener Postleitzahl ,
ja
sogar eigenem Bahnhof .
Als öffent–
lich-rechtliche Köperschaft ist das Klo–
ster also per definitionem als gemeinnüt–
zig anerkannt. Lustig wurde es immer
auf dem Bahnhof, wenn ich als
Führer
durch das Kloster die Control ler dann
raten ließ, wie viele Züge hier woh l täg–
lich halten. Einmal waren sich sogar zwei
Control ler von der Bahn AG nicht gleich
sicher wie viele das denn sein könnten.
Aber manche haben mit sicherem Blick
und woh l einiger Erfahrung dann doch
zieml ich nahe geraten, dass es 22 am Tag
sind.
Den Höhepunkt der Führung bildet dann
immer das „Palaver" am Schluss im
„Stüberl" des Exerzitienhauses. Hier zeigt
sich dann, ob es sich lohnt , eine Gruppe
zu
führen oder nicht. Ich habe schon
viele Gruppen durch das Kloster geführt.
aber mittlerweile beschränke ich mich
auf solche, bei denen es sich lohnt , und
dazu gehören vor allem Offiziersanwär–
ter der Bundeswehr und Controller, denn
die stellen wesentl iche Fragen: Wie funk–
tioniert die wirtschaftl iche Basis des Klo–
sters? Was habt ihr für einen Lebensstil?
Wie sieht der Tageslauf aus? Welchen
Stellenwert hat das Geistliche? Wie wi rd
man Mönch und welche Mot ive haben
die jungen Männer, die eintreten wollen?
Wie leistet ihr eure Missionsaufgaben?
Dabei wi rd natürl ich auch hinterfragt,
woh l auch kritisch, aber mit Interesse
und Wohlwol len.
Dabei habe ich sowohl bei Offizieren wie
bei Control lern eine interessante Entdek-
kung gemacht. Es gibt traditionellenveise
drei lateinische Worte, mi t denen man
den Lebensst i l der Benedikt iner kur z
zusammenfasst .
Im Brieflng pflege
ich
nun zuerst zu fragen, ob jemand viel –
leicht zufällig diese lateinischen Worte
kenne. Und siehe da! Ich habe noch keine
Gruppe erlebt, in der nicht einige diese
Worte kannten:
„Ora et labora" ,
Gebet
und
Arbeit.
Dies besagt, dass ein Bene–
diktiner im wohlgeordneten Rhythmus
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