C o n t r o l l e r
magazin 4/2000 - Gerhard Römer
Produl<tion mel ir und mehr in die armen
Länder der Dritten und Vierten Welt ver–
lagert. Dadurch
entsteht e i n Beschäft i –
gungsver l us t i n den re i chen u n d ein
Beschäf t i gungsgewi nn in den armen
Ländern.
Dieser Verlagerungsprozess des
Humankapitals wi rd zum Teil gemi ldert
und überlagert durch eine gegenläufige
Bewegung durch das Finanzkapital. Die
investive Kapitalzufijhr in die armen Län–
der wi rd durch einen Zinsvortei l fiJr die
reichen Länder begleitet. Dieser Zinsvor–
teil kommt aber in aller Regel nicht den
Menschen in den reichen Ländern zugu–
te, die unter der export ierten Beschäftii-
gung leiden. Nur makroökonomisch ent–
steht ein Druckausgleich, der durch den
freien Handelsaustausch beider Ströme
gewährleistet wi rd.
Mikroökonomisch wi rd an diesem fi'ei-
zügigen Güter- und Kapitalverkehr im all–
gemeinen kritisiert, dass sich zwar posi–
tive Beschäftigungseffekte fiir die armen
Länder einstellen, aber negative fiir die
reichen. Darüber hinaus wi rd in den rei–
chen Ländern ein protekt ionist ischer
Widerstand gegen die Effekte der Globa–
lisierung organisiert. Die organisierte Ar–
beitnehmerschaft; negiert die Vorteile der
Globalisierung, die in einer zunehmen–
den, wel twei ten Arbeitstei lung und Spe–
zialisierung liegen, weil die Kosten des
Transports und der Kommunikation sin–
ken. Diese Effekte demonst r ieren an–
schaul ich,
dass die Mens chen , die ar–
bei ten wo l l en , we l twe i t i n Konkur renz
zue i nande r stehen.
Dadurch werden sie
unter anderem auch gezwungen,
ihre
e i genen spez iel len Talente u n d Fähig–
kei ten
zu entdecken und zu fördern, um
im weltweiten Konkurrenzkampf gegen–
einander bestehen zu können.
Exkurs I. Die weltweite Gegenwart
für die Bedingungen der Controller-
Arbeit
Zur Zeit ist die Globalisierung noch in
eine Vielzahl von widersprüchl ichen Pro–
zessen und individuel len Grundeinstel –
lungen eingebettet. Tendenzen zur Ver–
einheitl ichung gehen mit denen einer
Differenzierung Hand in Hand. Auf Grund
der höchst unterschiedlichen pol itischen,
ökonomischen und kulturellen Voraus–
setzungen in allen Ländern und Konti–
nenten ist eine realistische Einschätzung
der verschiedenen Denk-, Entscheidungs–
und Handlungsprozesse in den unter–
nehmer ischen Führungsgremien nicht
mögl ich. Aber über dominante lYends,
die in die unmittelbare Zukunft hinein–
wi rken werden, lassen sich doch einige
Vorhersagen machen:
(1) In
Brasi l ien
beispielsweise weist
die
afi^obrasilianische Kultur einen anderen
Zugang zur unternehmerischen Problem–
lösung auf, die die Logik des
Denkens
und Handelns anders interpretiert als die
empirische und pragmatische Ar t und
Weise der Ersten und Zweiten Welt. Es
liegt auf der Hand , dass hier die Voraus–
setzungen für die Akzeptanz der moder–
nen Technologie andere sind. Somit muss
der brasilianischen Kultur eine andere,
eine besondere Bedeutung zugesprochen
werden, dami t dem inneren Impetus und
Movens ihrer wirtschaftspol itischen Ak–
teure die notwendige Auftnerksamkeit
und
We r t schät zung v o n auf ien ent –
gegengebracht werden kann.
(2)
In
I nd i en
zum Beispiel hängt die Er–
findungskraft
, die unternehmer ische
Dynamik, das handwerkl iche Geschick
sowie das Investitionsverhalten von dem
Verhältnis der Inder zur modernen Tech–
nologie, Kultur und Religion ab. Es ist
ausschlaggebend, inwiewei t die neue
Technologie v on dem Gedanken des
Karma und der Wiedergeburt mit all sei–
nen Auswi rkungen auf die Organisation
der Arbei t und damit auch der Arbeitslei–
stung abhängt .
(3) Oder wie ist die Akkul turat ion
der
japani schen
Gesellschaft zu beurtei len,
die durch die Tradition des Shintoismus
und des Konsensprinzips in fast allen
unternehmer ischen Entscheidungen al–
lein um des (gesellschaftlichen)
Prinzips
wi l len geprägt
ist?
(4) Demgegenüber
steht
zum Beispiel
die protestant i sche Ethik
der Ersten
und Zweiten Welt, die die Vorstellung
eines diesseitigen materiellen Erfolgs mit
einer jenseitigen Gratifikation in Verbin–
dung bringt. Es ist doch fiir die bisher
genannten Kulturkreise eben nicht selbst–
verständl ich, eine empirische, logische
und analyt ischeTechnologiezu überneh–
men, die sich mit dem Pragmatismus der
westl ichen Welt zu einer synergetischen
Kraft sui generis verbündet hat.
Denn eine bloße adaptive, unkritische
Ü b e r n a hme de r we s t l i c hen Wer t –
strukturen muss
zwangsläuf ig
in den
g e nann t e n Ku l t u r k r e i sen z u Fehl –
allokationen fijhren. Denn zu unterschied–
lich sind beispielsweise wenige heraus–
ragende Faktoren der Entscheidungsfin–
dung im gegenwär t i gen Cont rol l ing–
prozess:
-
die Einstellung zum Neuen,
-
die Bereitschaft zur Innovat ion, In–
tervent ion und Investition,
-
der Sinn fiir die Zukunft,
-
die gesamtgesellschaftliche Kraft zur
El itenbi ldung,
-
das Vermögen zu einer rationalen
Entscheidungsf indung.
3. Der Wissens-Transfer im
Controllingprozess
Die obige Konkurrenzsituation gilt auch
für
den
Con t r o l l e r
u n d
den
Control l ingprozess. )edes Unternehmen
w i r d se i ne E x i s t en z - u n d Übe r –
lebensfähigkeit nur dann langfi'istig si–
chern können, wenn es gelingt, aus dem
vorhandenen Controller- und Manager -
Wi s s en d u r c h e i nen d y n am i s c h e n
Kooperat ionsprozess ein neuar t iges ,
schöpferisches Wissen ftjr das Unterneh–
men zu generieren und dami t die Pro–
dukt ivi tät des eingesetzten Human- und
Finanzkapitals zu steigern.
Ein dynamisches Wi rtschaftswachstum
durch die Globalisierung macht nicht nur
die Erwar tungen und die Normen über
das Human- und Finanzkapital schneller
obsolet, denn es steigen die allgemeinen
Risiken, sonde r n auch die soz ial en
Ungleichheitseffekte. Damit wächst der
emotionale Widerstand gegen die Vor–
aussetzungen einer Globalisierung: Libe-
r a l i s i e r ung ,
P r i va t i s i e r ung
u n d
Deregulierung. Denn die Wachstumsra–
ten sind dort am höchsten, wo der Staat
den größten individuel len Entfaltungs–
spielraum verf i jgbar macht. Es gilt also,
die dynami schen, schöpferischen Kräfte
zur Freilegung der immer wieder glei–
chen Fragestellungen des Controllers zu
ermögl ichen:
-
wie lassen sich neuartige Produkte
finden (Produkt innovat ion)
-
wie lassen sich rationellere Produk–
t ionsver fahren erproben (Prozess–
innovation)?
Diese Konkurrenzsituation gilt auch fiir
den Cont rol ler und den Cont rol l ing–
prozess, jedes Unternehmen wi rd seine
Existenz- und seine Überlebensfähigkeit
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