Seite 32 - 1999-02

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Controller
magazin 2/99
• Ent sche i dungs t räger müssen die
Sachebene in ihr Blici<feld einblen–
den, die Steuerung rein über finanzi–
elle Spitzenkennzahien greift zu kurz.
Entscheidungen müssen verstärkt
auf Basis von Sachüberlegungen ge–
troffen werden.
• Der Kunde, der in der Funktional –
organisation gar kein Bestandteil des
Gesamtbildes ist, wi rd zu einem zen–
tralen Fokussierungspunkt der Unter–
nehmensaktivitäten.
• Unternehmen müssen schnell und
wenig sein und sehen sich ständig
verändernden Umfeldbedingungen
ausgesetzt. Diese Anforderung ist
durch eine zentralisierte Entschei –
dungsinstanz nicht zu erfüllen, die
einzelnen Mitarbeiter müssen mehr
Verantwor tung übernehmen.
Diese und weitere Punkte waren wesent–
liche Treiber des Prozeßmanagements
und sind demnach kennzeichnend für
die Wettbewerbsbedingungen, innerhalb
derer sich prozeßorientierte Unterneh–
men bewegen.
Um nun die Frage nach den Controlling–
anforderungen von prozeßorientierten
Unternehmen zu beantworten, sei zu–
nächst einmal eine Definition von Con–
trolling vorangestellt: „Controlling ist das
Subsystem der Unternehmensführung,
das teils durch Übernahme, teils durch
Unterstützung von Planungs- , Steue-
rungs- und Kontrol lprozessen eine Koor–
dinat ion des Führungssystems ermög–
l icht" (Weber 1988, S. 25).
Aus dieser Definition ist erkennbar, daß
sich Anforderungen an ein Control l ingin–
strument aus der Planung, aus der Steue–
rung und aus der Kontrolle ergeben:
Planung:
In der Planungsphase muß ein Con–
trol l inginstrument in der Lage sein,
Handlungsalternativen im Hinblick
auf ihren Zielbeitrag zu bewerten und
damit Entscheidungen vorzubereiten.
Prozeßorientierte Unternehmen be–
wegen sich in der Regel in relativ
k omp e t i t i v e n , t u r bu l en t en Um–
feldern, in denen ein Überleben nur
durch eine klare, fokussierte Strate–
gie und ein daraus abgelei tetes
strategiegeleitetes Handeln mögl ich
wi rd .
Die Fundierung von strategischen Ent-
sche i dungen du r ch I nves t i t i ons –
rechnungen als klassischem Instru–
ment der Entscheidungsvorbereitung
scheint aber wenig s innvol l , wei l
Investitionsrechnungen auf das Ziel
der reinen Gewinnmaximierung abzie–
len, die für das überleben in turbulen–
ten Umfeldern nicht ausreichend ist.
1 E i ne Beur te i l ung v o n Invest i t i ons –
e n t s c h e i d u n g e n mu ß
a n h a n d
d e s Be i t r ages de r Inves t i t i on z u r
S t r a t e g i e u m s e t z u n g
mö g l i c h
s e i n .
Steuerung
Wie bereits angesprochen, wi rd der
Mitarbeiter in immer stärkerem Maß
zur erfolgsentscheidenden Ressour–
ce de r U n t e r n e hme n . Da d u r c h
kommt auch der Steuerung der Mit–
arbeiter eine erfolgsentscheidende
Bedeutung zu.
In prozeßorientierten Unternehmen
können aber Mitarbeiter gerade nicht
über Anweisung und strenger Über–
wachung der anweisungsgemäßen
Ausführung gesteuert werden. Denn
eng mi t den Ideen des Prozeß –
managements ist es verbunden, den
Mi tarbei tern ein hohes Maß an Ei–
genverantwortung einzuräumen, um
die ganzheitl ichen Aufgaben im Rah–
men der zu kompletten Prozessen
integrierten Aktivitäten wahrnehmen
zu können.
Das heißt, der Mitarbeiter muß durch
das Verständnis des Gesamtzusam–
menhangs, innerhalb dessen er agiert,
viele Entscheidungen selbst treffen.
Anderersei ts heißt dies natür l i ch
nicht, daß in prozeßorientierten Un–
ternehmen Mitarbeiter ohne Steue–
rung und Kontrolle durch den Vorge–
setzten handeln. Aber diese Steue–
rung und Kontrolle erfolgt über die
Vorgabe von Zielen, die Mittel zum
Erreichen dieser Ziele bleiben ver–
mehrt den Mitarbeitern überlassen.
2 D e n Mi tarbe i tern mu ß v e r s t ä n d –
l ich g ema c h t w e r d e n , in we l c h e r
We i s e und auf we l c h em W e g s i e
z um E r r e i c h e n v o n s t r a t eg i s chen
Z i e l en be i t r agen k ö n n e n .
3 Mi tarbe i t ern , die p r ozeßo r i en t i e r t
a r be i t en so l l en , mü s s e n p r o z e ß –
or ient ier te Z i e l e v o r g e g e b e n we r –
d e n .
Kont rol le
In prozeßorientierten Unternehmen,
die s i ch schne l l und f l ex i be l in
wettbewerbsintensiven Märkten be–
wegen müssen, führt ein Manage–
ment allein über finanzielle Spitzen–
kennzahien zu Problemen, wie sie
Hammer / Champy wie folgt bi ldhaft
beschreiben: „Customers and their
responses to the company ' s strategy
became a set of faceless numbers
that bubbled up through the layers"
(Hammer/Champy 1993, S. 16 f.).
Zwei schwerwiegende Probleme sol–
cher Spi tzenkennzahien kommen in
dieser Aussage zum Ausdruck: Zum
einen sind diese für sich allein ge–
nommen viel zu stark aggregiert und
zum anderen wi rd der Kunde mit sei–
nen Wünschen und Problemen darin
überhaupt nicht mehr erkennbar.
4 Das Controlling muß auch Kenn–
zahlen auf einer sehr niedrigen
Aggregationsstufe umfassen.
5 Der Kunde als das letztliche „Ziel–
objekt" aller Bemühungen soll mit
seinen Wünschen in den
Controllinginformationen noch er–
kennbar sein.
Für prozeßorient ierte Unternehmen
ist zwar die Kontrolle der Kosten nach
wie vo r ein wichtiges Control l ingziel ,
aber daneben müssen Sachziele als
gleichberechtigte Control l inggrößen
interpretiert werden.
6 Sachzielgrößen wie Qualität und
Schnelligkeit müssen vom Con–
trollinginstrument genauso erfaßt
werden wie Kosten.
Aus Abbi ldung 3 sind zwei weitere Pro–
bleme erkennbar, die sich aus einem Con–
trolling allein über Finanzkennzahlen er–
geben und die zu zwei weiteren Anforde–
rungen prozeßorientierter Unternehmen
an das Control l ing führen: Schon länger
schwelende Probleme auf der Sachebene
werden auf der Finanzebene erst mit Ver–
spätung s i ch t ba r Auße rdem stel len
schlechte finanzielle Zahlen in der Regel
nur das Symptom tieferliegender Ursa–
chen dar, ein „Hemmdoktoren" an die–
sen Symptomen schafft keine Abhi lfe:
„Whi le opt imizing on other objectives
seems to bring costs into line, opt imizing
on cost rarely brings about other objecti–
ves" (Davenport/Short 1990, S. 14).
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