Seite 29 - 1999-02

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Was ist „balanced" an der Balanced
Scorecard?
Der Begriff der Balanced Scorecard kann
mi t „Ausgewogene r Be r i ch t sbogen "
(Kaufmann 1997, S. 421) eingedeutscht
werden. Die Frage stellt sich: Was ist
ausgewogen an diesem Berichtsbogen?
In der Balanced Scorecard findet sich ein
ausgewogenes Mi x zwischen
• f inanzz ielor ient ier ten u n d sachziel -
or ient ierten Kennzahlen:
Wie bereits
diskut iert , sind sachzielor ient ierte
Kennzahlen notwendig, um das Un–
ternehmen auf langfristigem Erfolgs–
kurs, der durch die Strategie vorge–
zeichnet ist, halten zu können. Aber
d e n n o c h s i nd auch f i nan z z i e l -
orientierte Kennzahlen notwendig,
um zum einen Gefahren für das kurz–
fristige finanzielle Überleben des Un –
ternehmens erkennen zu können und
zum anderen den unterstellten Zu–
sammenhang zwi schen pos i t i ven
Sachz ielKennzahlen und finanziel–
lem Erfolg überprüfen zu können.
• e x t e r n u n d i n t e r n o r i en t i e r t en
Kennzah l en :
Die Balanced Scorecard
stellt eine Balance her zwischen Kenn–
zahlen, die die Unternehmensleistung
aus der Perspektive der wicht igen
externen Partner „Kapitalgeber" und
„Kunde" abbi lden und Kennzahlen,
die die Unternehmensleistung aus der
unternehmensinternen Perspektive
darstellen.
Die externe Perspektive ist wicht ig,
wei l Unternehmen ohne Geld nicht
überleben können und die Quellen
dieses Geldes die Kapitalgeber und
die Kunden sind. Aber auch die inter–
ne Perspektive ist wichtig, wei l die
internen Strukturen und Prozesse ei
nes Unternehmens die Leistungen
(attraktive Produkte und positive Er–
gebnisse) hervorbr ingen müssen, für
die die externen Partner bereit sind,
dieses Geld zu bezahlen.
• S p ä t i n d i k a t o r e n
u n d
F r ü h –
i nd i katoren :
Spätindikatoren mes
sen, ob ein Ziel in der Vergangenhei t
erreicht worden ist, Frühindikatoren
messen,
ob
ein Ziel in der Zukunft
woh l erreicht werden wi rd. Soll bei–
spielsweise die langfristige Kunden–
bindung verbessert werden, ist
der
Antei l der Kunden, die im abgelaufe–
nen Geschäftsjahr zur Konkurrenz
gewechselt sind, ein Spätindikator
und das Ergebnis einer Kundenum–
frage ein Frühindikator
für
dieses Ziel.
Dieses Beispiel macht bereits deut–
l ich, daß eine Balance zwischen Spät-
und Frühindikatoren notwendig ist.
Spätindikatoren zeigen ein Problem
erst an, wenn es bereits eingetreten
ist . Für eine recht ze i t i ge Gegen–
steuerung sind Frühindikatoren not–
wendig. Frühindikatoren alleine sind
jedoch unzureichend, wei l der Zusam–
menhang zwi schen Frühindikator
und dem eigentlichen Ziel nur unter–
stellt ist. Es könnte z. B. sein, daß in
der Kundenumfrage die falschen Fra–
gen gestellt werden und die Kunden
t rotz scheinbar posi t ivem Feedback
in der
Kundenumfrage einige |ahre
später dem Unternehmen den Rük-
ken kehren. Deshalb sind zur Kon–
trolle Spätindikatoren erforderl ich.
• Ziel -Kennzahlen u n d Mi t tel -Kenn–
zah l en :
In der Balanced Scorecard
we r d e n
s owo h l Kennzah l en z u r
operationalen Formul ierung von Zie–
len als auch Kennzahlen zur Fixie–
rung der Mi ttel zum Erreichen dieser
Ziele aufgenommen.
Ziele ohne das Festlegen von Mi tteln
zum Erreichen dieser Ziele werden,
wenn überhaupt , nur per Zufall er–
reicht. Akt ionen auf operat ionaler
Ebene ohne Kopplung an übergeord–
nete Ziele sind per definitionem nicht
zielgerichtet, so daß eine Kombinati –
on von Ziel- und Mittel -Kennzahlen
erforderl ich ist.
Wie ist eine Balanced Scorecard auf–
gebaut?
Kaplan / Norton als „Erfinder" der Balan–
ced Scorecard schlagen vor, die Kennzah–
len in vier verschiedene Kategorien oder
Perspektiven einzuteilen: die finanzwirt–
schaftliche Perspektive, die Kundenper–
spektive, die interne Prozeßperspektive
sowie die Lern- und Entwicklungsperspek–
tive. In Abbi ldung 1 sind die Scorecards
für die einzelnen Perspektiven mit ihrem
einheitlichen Aufbau zu sehen. Zur Veran–
schaul ichung sei ein Beispiel für die Card
„Internal Business Process" gegeben:
• Objectives: Als Ziel könnte definiert
werden: „Gestaltung eines Fertigungs–
prozesses, der höchste Qual ität her–
vorbr ingt" .
• Measures: Dieses Ziel könnte über
die Kennzahl „First pass products
ratio" gemessen werden, die definiert
sei als Antei l der Produkte, die auf
Anhieb alle Qual itätskontrol len pas–
sieren.
• Targets: Für diese Kennzahl könnte
als Target-Wert „98 %" vorgegeben
• werden.
• Initiatives: Um dieses Target zu errei–
chen, könnten als Maßnahme bei–
sp i e l swe i se die G r ü n d u n g v o n
Qualitätszirkeln festgehalten werden.
Diese vier Perspektiven der Balanced
Scorecard sind im folgenden näher be–
trachtet.
• Die f inanzwi r tschaf t l i che Perspek–
t i ve
Die finanzwirtschaftlichen Ziele dienen
als Fokus der Ziele der anderen drei
Perspektiven. Das letztliche Ziel eines
jeden Unternehmens - sei es das klas–
sische Oberziel der Gewinnmaximie-
rung, sei es das Ziel des Überlebens in
turbulenten Märkten als vielleicht
moderneres und zu den heut igen
Umfeldbedingungen kongruenteres
unternehmerisches Oberziel - kann
nur erreicht werden, wenn bestimmte
Finanzziele erreicht werden.
Die konkrete Ausprägung der finanz–
wirtschaftl ichen Ziele hängt dabei in
erster Linie von der Phase ab, die das
Un t e r nehmen in seinem Lebens–
zyklus durchläuft:
> In der Wachstumsphase stehen
en t s p r e c hend e
wa c h s t ums –
o r i en t i e r t e Ziele w i e Ums a t z –
wachstum im Vordergrund.
> In der Reifephase liegt der Fokus
auf rentabi l i tätsorient ierten Zielen
wie ROI.
> In der Erntephase w i r d ange–
strebt, den Mittelrückfluß, der zum
Au f bau neuer zukunf t s t rächt i ger
Geschäftsfelder benöt igt w i r d , zu
maximieren. Hier ist der Cash Flow
als Kennzahl zur Fixierung des finanz–
wirtschaftl ichen Ziels denkbar.
• Die Kundenpe r spek t i ve
Der Weg z u e r r e i ch t en f i nanz –
wirtschaftl ichen Zielen führt nur über
den Kunden, der die Produkte und
Dienstleistungen des Unternehmens
kauft und damit dem Unternehmen
die Finanzmittel zuführt . Erreichte
Kundenziele sind somit Vorausset –
zung für erreichte Finanzziele.
Die Kenn z ah l en de r Kunden –
perspektive lassen sich in zwei Grup–
pen einteilen:
> Kernkennzahlen, die für die mei –
sten Unternehmen anwendbar sind.
Vertreter dieser Gruppe sind beispiels–
weise Kundent reue oder Kunden–
rentabilität.
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