Controller magazin
4/98
einschätzen. Dieses Vorgehen vermeidet,
daß zu viel Subjektivität der Experten fiJr
die ältere Technologie mit in die Bew/er-
tung eingeht. Diese neigen tendenziell
dazu, eine fiJr sie unbekannte und frem–
de Technologie schlechter als objektiv
nötig zu bewerten. Für derartige Befra–
gungen bieten sich Experten aus Wissen–
schaft, Forschung und gegebenenfalls
anderen Unternehmen an. Im Ergebnis
zeigt sich, daß die neuere Technologie,
elektronische Fotografie, mit 3,8 bewer–
tet wird (vgl. Abb. 3). Beurteilt rein aus
der zukünftigen technologischen Lei–
stungsfähigkeit ist diese Technologie der
chemischen Fotografie bei weitem über–
legen. Auch wenn klassische Controlling–
instrumente (Stückkostenkalkulation) zu
diesem Zeitpunkt noch klar die Vorteil–
haftigkeit der chemischen Fotografie zei–
gen, ist dieses Ergebnis ein aus dem tech–
nologischen Potential abgeleiteter Früh–
warnindikator
Instrumente zur Steuerung techno–
logischer Innovationen
Die im letzten Abschnitt erläuterte Er–
mittlung der Technologieattraktivität ist
die Grundlage der Technologiebilanz, des
Technologieportfolios und der Technolo–
giekostenanalyse. Sie ist eine Bewertungs–
einheit für Produkte und Verfahren, die in
diesen Instrumenten dazu verwendet
wird, technologische Sachverhalte für
strategische Entscheidungen darstellbar
und rechenbar zu machen. Die Technolo–
giebilanz erfaßt alle in einem Unterneh–
men verwendeten Technologien und stellt
diese bewertet mit Technologieattraktivi–
tät dar Das Technologieportfolio ist eine
Art Sonderrechnung, die dazu geeignet
ist, FuE-Projekte zu beurteilen. Mit der
Technologiekostenanalyse kann die Tech–
nologieattraktivität in Kostengrößen
transformiert werden.
Technologiebilanz
Die Technologiebilanz soll einen zukunfts–
orientierten, hoch aggregierten Gesamt–
überblick zur technologischen Lage ei–
nes Unternehmens geben (vgl. Hartmann
1
997). Es wird eine Inventur aller im Un–
ternehmen verfügbaren und eingesetz–
ten Technologien vorgenommen. Mit der
Technologiebilanz kann ein gesamtes
Unternehmen zukunftsorientiert beur–
teilt werden. Die zur Handelsbilanz kom–
plementäre Technologiebilanz zeigt die
Technologieherkunft und
-Verwendung.
Es werden alle Produkte und Verfahren
dargestellt und mit Technologieattrakti–
vität bewertet, die ein Unternehmen in
der Entstehungs-, Markt- oder in der Ent–
sorgungsphase hat. In der Technologie–
bilanz eines Unternehmens der Fotobran–
che, das von der chemischen Fotografie
kommt und nun versucht, auch elektro–
nische Fotografie anzubieten, wäre die
elektronische Fotografie ein wichtiger
Bestandteil der Aktive (Technologiever–
wendung), mit einem hohen Technolo–
gieattraktivitätswert. Auf der Passivseite
(Technologieherkunft) würde sich aber
das mangelnde Know-how bezüglich die–
ser Technologie zeigen. Die
Technologie–
bilanz
bietet ebenso wie die Handelsbi–
lanz die Möglichkeit der Analyse (vgl.
Hartmann/Mi ld 1998). Im Rahmen der
Technologiebilanzanalyse kann u. a.
die
Effektivität der Entwicklung, die Innova–
tionsfähigkeit und die technologische
Kompetenz eines Unternehmens unter–
sucht werden.
Technologieportfolio
Das originäre Technologieportfolio ist von
Pfeiffer entwickelt worden (vgl. Pfeiffer et
al. 1991). Im Rahmen dieses Ansatzes
wird die strategische Position von Pro–
dukten und Verfahren innerhalb einer
zweidimensionalen Matrix abgebildet.
Neben der oben erörterten Technologie–
attraktivität wird hier der Indikator Res–
sourcenstärke bestehend aus Know-how-
Stärke und Finanzstärke beurteilt. Die
Know-how-Stärke ist vereinfacht gesagt
das technisch-personelle Know-how be–
züglich der verwendeten bzw. in Zukunft
zu verwendenden Technologien. Bei der
Finanzstärke eines Unternehmens ist zu
bewerten, inwieweit die vorhandenen fi–
nanziellen Ressourcen zur Durchfühmng
von aufwendigen Entwicklungsvorhaben
ausreichen. Das Technologieportfolio ist
geeignet, im Rahmen der strategischen
Planung die Attraktivität von FuE-Projek-
ten zu beurteilen und dementsprechend
die vorhandenen personellen und finan–
ziellen Ressourcen auf die einzelnen FuE-
Vorhaben zu verteilen. Bezogen auf das
Fotobeispiel zeigt das Technologieportfo–
lio für ein klassisches Unternehmen der
Fotobranche etwa folgendes Bild. Bei der
chemischen Fotografie hat das Unterneh–
men zwar eine hohe Ressourcenstärke,
die Technologie ist aber wenig attraktiv.
Umgekehrt ist die Situation bei der elek–
tronischen Fotografie. Hier steht einer
hohen Technologieattraktivität eine rela–
tiv niedrige Ressourcenstärke des Unter–
nehmens gegenüber Die Konsequenz für
das Unternehmen muß die Zuteilung von
mehr Ressourcen für die Weiterentwick–
lung der elektronischen Fotografie sein
Technologiekostenanalyse
Mit
der Technologiekostenanalyse steht
dem Controller ein Instrument zur Verfü–
gung, das die Entwicklung und Anwen–
dung technologischer Innovationen von
Anfang an auch von der Kostenstelle her
begleiten kann (vgl. Har tmann/Mi ld/
Sasse 1997). Der Indikator Technologie–
attraktivität wird dazu verwendet,
Soll-
Kosten einer Technologie abzuleiten,
die ihrer zukünftigen Leistungsfähigkeit
entsprechen. Damit besteht ein aus dem
technologischen Potential abgeleiteter
Maßstab, um die Kosten von Produkten
und Prozessen zu beurteilen. Ausgehend
davon kann nun die Substitution, die
breitere Nutzung oder die konsequente
Leistungssteigerung bzw. Kostensenkung
einer Technologie angestrebt werden.
Wird das Konzept der Technologiekosten–
analyse auf die elektronische Fotografie
angewendet, so zeigt sich, daß sie auf–
grund ihrer hohen Technologieattraktivi–
tät auch höhere Soll-Kosten als die che–
mische Fotografie hat. Das Entwicklungs–
vorhaben elektronische Fotografie wird
daher vorangetrieben, obwohl die aus
der klassischen Kalkulation ermittelten
Ist-Kosten der chemischen Fotografie
niedriger liegen.
Die Technologiekostenanalyse ist damit
eine Ergänzung von bestehenden Kon–
zepten, wie z. B. dem Target Costing.
Beim Target Costing werden Soll-Kosten
aus dem Markt abgeleitet (vgl. Stippel/
Reichmann 1998, S. 100 f) . Die Technolo–
giekostenanalyse leitet die Soll-Kosten
aus den technologischen Ressourcen
ab.
Kombiniert man die beiden Instrumenta–
rien, so entsteht die Möglichkeit, neben
der Marktorientiemng auch die Ressour–
cenorientierung in das strategische Con
trolling mit einzubeziehen.
Konsequenzen für den Controller
Die im vorliegenden Beitrag vorgestellte
qualitative Technologiebewertung wird
298