Seite 62 - 1998-04

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Controller magazin
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Leistungs–
fähigkeit
Technologie 2
Stückkosten
Technologie 2
Menge / Zeit
Abb.
1:
Zusammenhang
zwischen technologischer
Leistungsfähigkeit
und
Stückkosten
fristig eine iiöfiere Leistungsfälligkeit er–
reicht. Verdeutlicht am konkreten Bei–
spiel der iiDtografie könnte die Technolo–
gie 1 die klassische Fotografie auf Basis
chemischer Prinzipien sein. Wir alle ken–
nen die Filme der Firmen Fuji oder Kodak,
die nicht ans Licht kommen dijrfen, be–
vor sie entwickelt sind. Die Technologie
2
könnte die elektronische Fotografie re–
präsentieren. Bei dieser Technologie wer–
den die optischen Informationen von ei–
nem speziellen Halbleiterchip aufgenom–
men und sofort in digitaler Form auf elek–
tronische Speichermedien, wie z. B. Dis–
ketten, abgelegt (vgl. Pfeiffer et al. 1997,
S.
1
44 ff.). Diese neue Art der Fotografie
basiert auf einem prinzipiell neuen tech–
nologischen Lösungsprinzip.
Eine Interpretation anhand der Erfah–
rungskurve (vgl. Abb.
1
unteres Schau–
bild) zeigt beim Vergleich zweier Techno
logien, daß die leistungsfähigere Techno–
logie prinzipiell eine steilere Erfahrungs–
kurve aufweist. Dennoch ergeben sich
zunächst im Technologieübergang deut–
liche Kostenvorteile der älteren, vorhan–
denen Technologie gegenüber den Kosten
der Folgetechnologie. So ist die elektroni–
sche Fotografie noch deutlich teurer als
die herkömmliche chemische Fotografie.
Nur professionelle Anwender leisten sich
diese Technologie heute. Die alte Techno–
logie besitzt zum Zeitpunkt t, (vgl. Abb.
1)
einen klaren Vorteil sowohl bei den Stück–
kosten als auch bei der Leistungsfähig–
keit Vergleicht ein Controller zu diesem
Zeitpunkt die beiden Technologien an–
hand der klassischen Kalkulation, so
kann er in diesem Moment den strate–
gischen Vorteil der neuen elektroni–
schen Fotografie nicht erkennen. Wird
rein aus diesem Controllinginstrumenta–
rium gesteuert, ist ein Vorantreiben der
neuen Technologie unwahrscheinlich.
Abb. 1 zeigt aber deutlich, daß bei einer
längerfristigen Betrachtung von Techno–
logien sowohl die Leistungsfähigkeit als
auch die Stückkosten einer innovativen
Technologie günstiger sind (Zeitpunkt t^).
Um diesen Punkt zu erreichen, müssen
aber Entwicklungsleistungen aufgebracht
werden, die in einer reinen Gegenwarts–
betrachtung nicht rentabel erscheinen.
Ein Verbleiben auf der alten Erfahrungs–
kurve kann weitreichende Folgen haben.
Wer möchte schon der Kostenführer bei
einer vom Markt nicht mehr akzeptierten
Technologie sein? Erst ein strategisches
Betrachten der technologischen Ressour–
cen vermag die Kosteneffekte neuer Tech–
nologien richtig einzuschätzen, einzusteu–
ern und auszubeuten (vgl. Hartmann/
Mild/Sasse 1997, S 315).
Langfristig werden die Kosten der elek–
tronischen Fotografie niedriger als die
der chemischen Fotografie sein. Firmen
wie Casio oder Epson, die ursprünglich
aus der Computerbranche stammen, bie–
ten bereits Digitalkameras zu sinkenden
Preisen an. Die bisherigen Marktführer
der Fbtobranche, Kodak, Fuji oder Ca–
non, deren Produkte aufchemischen Prin–
zipien basieren, haben zu lange versucht,
die S-Kurve der alten Technologie auszu-
reizen. Eine prinzipiell neue Technologie
kann dazu führen, daß in einer Branche
völlig neue Untemehmen auftreten, die
dort bisher nicht präsent waren. Diese
Unternehmen nutzen ihr Know-how - in
diesem Beispiel elektronisches Know-
how - um in andere Märkte vorzusto–
ßen. Ein konsequentes Innovationscon–
trolling sollte das Phänomen der S-Kurve
in seinen Instrumenten berücksichtigen.
Hierzu muß aber eine Bewertung von
Technologien erfolgen, um deren zu–
kunftsbezogene Leistungsfähigkeit ein–
schätzen zu können. Mit der Technolo–
gieattraktivität steht ein Bewertungsin–
dikator zur Verfügung, mit dem die zu–
künftige Leistungsfähigkeit einer Tech–
nologie beurteilt werden kann.
Technologieattraktivität als Be–
wertungsmaß
Technologieattraktivität ist die Summe
aller technisch-wirtschaftlichen Vorteile,
die durch das Ausschöpfen der in einem
Technologiegebiet steckenden strategi–
schen Weiterentwicklungsmöglichkeiten
gewonnen werden können (vgl. Pfeiffer et
al. 1991, S. 85 ff.). Sie setzt sich in ihrer
Minimalstruktur aus den Indikatoren Wei–
terentwicklungspotential, Anwendungs–
breite und Kompatibilität zusammen.
Der Indikator Weiterentwicklungspoten–
tial kann mit Hilfe der S-Kurve interpre–
tiert werden. Dabei wird die S-Kurve in
drei Phasen eingeteilt (vgl. Abb. 1). Befin–
det sich eine Technologie in Phase 1, so
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