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Daher lassen Sie mich die Vorgehensweise
zur Erarbeitung dieser ausbalancierten
vier Perspektiven und deren Messung
über Kennziffern etwas verdeutlichen.
Schon
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sagte Deyhle': „Erfolg haben
kann nur die Unternehmung, die weiß,
was sie will".
VISIONEN UND STRATEGIEN
Die meisten, gerade die mittelständischen
Unternehmen haben hier großen Nach–
holbedarf. Wenn es überhaupt Visionen
gibt, sind diese lediglich in den Köpfen
des Top-Managements verhaftet - und
bleiben dort! Kaum ein Mitarbeiter kennt
die Unternehmensvision und die strate–
gischen Ansätze, die Visionen in seinem
Bereich umzusetzen.
Auf Visionen basierende Strategien um–
fassen Kernkompetenzen, Organisations–
potentiale und - in Deutschland zumeist
zuletzt! - Kundenbeziehungen, gemes–
sen werden diese bislang nicht.
Die Strategieübertragung auf alle Mitar–
beiter muß über Kommunikation, Wei–
terbildung, Zielfindungsprogramme und
materielle Anreizsysteme erfolgen.
Über die Balanced Scorecard soll die von
der Unternehmensleitung erarbeitete
Vision allen Beschäftigten vermittelt wer–
den. Sie stellt sich als eine ganzheitliche
Abbildung der Unternehmensphiloso–
phie dar und ermöglicht zielgerichtetes
Operieren aller Mitarbeiter
Die Balanced Scorecard muß detailliert
und transparent die Untemehmensstra–
tegie darstellen.
KENNZIFFERN FÜR DIE VIER
PERSPEKTIVEN
1 . Finanzperspektive
Auch wenn von vier gleichgewichtigen
Größen gesprochen wird, so ist doch die
Gewichtung eindeutig: ohne Berücksich–
tigung der finanziellen Seite eines Unter–
nehmens, ohne langfristige Gewinne
kann kein Unternehmen existieren.
Über den Shareholder-Value, den Unter–
nehmensgewinn und alle anderen finan–
ziellen Kennzahlen zur Beurteilung der
Leistungsfähigkeit eines Unternehmens
sind viele Bücher geschrieben worden.
Im Rahmen einer ausgewogenen und
langfristigen Untemehmensentwicklung
kann es zeitweise durchaus sinnvoll sein,
auf kurzfristige Gewinne zu verzichten.
Dies wird von finanziellen Kennzahlen
nicht oder sogar kontraproduktiv berück–
sichtigt!
Auf der Finanzperspektive müssen einer–
seits die finanziellen Ergebnisse gemes–
sen werden, die von der strategischen
Ausrichtung der Unternehmung erwar–
tet werden. Andererseits dienen finanzi–
elle Kennzahlen natürlich auch als End–
ziele und Kennzahlen für die anderen
Scorecard-Perspektiven.
Finanzielle Kennzahlen messen bislang
üblicherweise vergangene Leistungen,
sind
also vergangenheitsorientiert. Um
im Management auch die langfristige,
zukunftsorientierte Sicht auf die Finanz-
Kennzahlen zu verankern, empfiehlt es
sich zum Beispiel,
gewünschte Entwick–
lungen im finanziellen Bereich als Ziel–
größe einzuführen.
Zudem ist es not–
wendig, die entwicklungsgeschichtliche
Situation eines Produkts / Bereiches /
Unternehmens zu berücksichtigen:
Wachstumsphase
Für diese Phase wäre z. B. Umsatz–
wachstum oder Anteil neuer Produk–
te am Umsatz eine wichtige Zielgröße
• Reifephase
Hierbei können z. B. Benchmarks aus
dem Kostenbereich oder Kostensen–
kungsziele wichtig sein und zu ent–
sprechenden Vorgaben führen
Emtephase
Die Erntephase, zumeist „Cash Cow-
Phase" genannt, ist gekennzeichnet
von dem Ziel hoher Produkt- und Kun–
denrentabilität, überdurchschnitt–
licher Kapitalamortisation etc.
Es ist wichtig, daß die finanziellen Ziele
nicht nur der jeweiligen Unternehmens-
situation angepaßt sind, sondern auch
verschiedene Bereiche umfassen: Kenn–
zahlen für die Ertrags- und Kostensitua–
tion wie für die Vermögensentwicklung
sind zu
entwickeln.
2. Kundenperspektive
Die Kundenperspektive läßt sich durch
zwei Gruppen von Kennzahlen abbilden:
Die sog.
„Kemkennzahlen"
wie Markt–
anteile, Kundenakquisition, Kundenzu–
friedenheit, Kundentreue und Kunden–
rentabilität dürften für fast alle Unter–
nehmen am Markt gelten.
Die
„Leistungstreiberkennzahlen"
be
schreiben die Aspekte, die für die Kunden
besonders wichtig sind, die zu Kunden–
treue und
-Zufriedenheit
im Zielmarkt
führen: Produkt- und Serviceeigenschaf–
ten (Funktionalität, Qualität, Preis und
Zeit), Kundenbeziehungen (Kompetenz,
Erreichbarkeit, Reaktionsgeschwindig–
keit, Service, Transparenz o. ä.), aber auch
Image und Reputation.
3. Interne (Geschäftsprozeß-)
Perspektive
Hierbei geht es weniger um die Verbesse–
mng bestehender Geschäftsprozesse (z.
B. mittels Benchmarking). Wichtig ist viel–
mehr,
• potentielle Kundenwünsche zu iden–
tifizieren, die Produkt- und Prozeß-
neuentwicklung voranzutreiben und
zu beschleunigen
(Innovation),
• die kosten und zeitgünstige Herstel–
lung und Auslieferung eines Produkts
/ Dienstleistung zu forcieren
(Be–
triebsprozesse)
und schließlich
• die Kundenerwartungen und -wün–
sche durch kundenorientierte Garan–
tien und Wartungsangebote zu be–
friedigen
(Kundendienstprozeß)
4. Lern- und Entwicklungsperspektive
Diese am meisten in die Zukunft orien–
tierte Perspektive will neben den strate–
gischen Potentialen der Informations–
systeme die Mitarbeiterpotentiale so–
wie deren Motivation und Zielausrich–
tung messen.
Insbesondere die Mitarbeiter an der Ba–
sis, die direkt mit den Kunden und den
internen Prozessen zu tun haben, müs–
sen Ideen und Anregungen zur Verbes–
serung von Leistungen und Prozessen
liefern. Hierfür müssen sie ausgebildet
und zielorientiert motiviert sein. Sie
müssen die Unternehmensvision und
ihre strategischen Ansätze kennen,
sonst arbeiten sie im luftleeren Raum.
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