Seite 57 - 1998-04

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Controller
magazin 4/98
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G
DIE BALANCED SCORECARD
ALTER WEIN IN NEUEN SCHLÄUCHEN ?
von Henwig R.
Friedag,
Berlin
Herwig R. Friedag ist Leiter des Arbeitsl(reises
Berlin-Brandenburg imController Verein eV
Zudem ist er für die Presse- und Öffentlichkeits–
arbeit des Vereins verantwortlich
TeL+49 30-80 40 40 00
Fax+4930-80404001
email:
e
Immer häufiger liest man in der Fachpres–
se, hört man auf Tagungen und Congres-
sen - so auch auf dem Controller Con–
gress im Mai 98 in Mijnchen - von einem
neuen Begriff: Balanced Scorecard.
Was verbirgt sich dahinter, ist dies wirk–
lich ein neuer Ansatz oder lediglich eine
neue Mode aus Amerika, eben alter Wein
in neuen Schläuchen?
Robert S. Kaplan und David P. Norton,
beide amerikanische Professoren der
Betriebswirtschaftslehre, sind als „Pro–
motoren" dieser Vorgehensweise zu be–
zeichnen. Sie haben nach langjährigen
praktischen Erfahmngen mit dem An–
satz der Balanced Scorecard über dieses
Verfahren ein Buch veröffentlicht, wel–
ches kürzlich, von Prof. Horväth redigiert
und kommentiert, erschienen ist'.
Beschäftigt man sich mit dem Buch, so
wird bei vielen Controllern sicherlich
schnell Begeisterung aufkommen: end–
lich ein Controlling-Ansatz, der sich ab–
hebt vom Üblichen nach dem Schema
„noch schneller, noch genauer, noch bes–
ser", im Gegensatz hierzu führen Kaplan/
Norton den Leser sehr schnell zu der
Einsicht, daß das, was wir Controller heut–
zutage be- und erarbeiten, doch nur ein
recht beschränkter Blick auf das Unter–
nehmen ist.
Daß dieser Ansatz aus den Vereinigten
Staaten kommt, überrascht nicht, denn
allzu einseitig werden dort Untemeh–
men ausschließlich nach den finanzi–
ellen (Quartals) Ergebnissen beurteilt.
Mit welchen neuen Ansätzen arbeitet die
Balanced Scorecard?
Kaplan/Norton gehen davon aus, daß
der wirtschaftliche Erfolg eines Unter–
nehmens nicht ausschließlich aus den
finanziellen Ergebnissen heraus beurteilt
werden kann.
Diese herkömmliche Be–
urteilungsweise ist besonders für zu–
kunftsorientierte Untemehmen unzu–
reichend und führt zu Unterinvestitio–
nen in zukunftsorientierte immateriel–
le Bereiche wie Produkt- und Prozeßin-
novation, Mitarbeiterfähigkeiten und
Kundenzufriedenheit.
Investitionen in neue Märkte, aber auch
in neue Produkte, in neue Techniken und
Verfahren verschlechtern die kurzfristi–
gen finanziellen Zahlen eines Unterneh–
mens. Auch Investitionen in das human
capital eines Unternehmens, in die Schu–
lung
und
Ausbildung der Mitarbeiter,
Aufwendungen, um Einsatzbereitschaft,
Ideen und Engagement zu fördern, fin–
den selten kurzfristig Ausdruck in einer
Verbesserung der Finanzkennziffern. Und
schließlich:
die Schaffung dauer- und
für beide Seiten vorteilhafter Kunden–
beziehungen ist oberstes Gebot eines
langfristig orientierten Untemehmens.
Diese strategischen wertschöpfenden
Faktoren müssen
auch
Berücksichtigung
finden, denn sie bestimmen ursächlich
die
Erreichung finanzieller Ziele!
Daher plädieren Kaplan/Norton für die
Einführung eines „ausbalancierten Be–
richtswesens" ,
eben einer „Balanced
Scorecard", wobei Frühindikatoren Ent–
wicklungstendenzen für folgende vier
„Perspektiven" eines Unternehmens be–
leuchten sollen:
1
. Finanzperspektive,
2. Kundenperspektive,
3. Inteme Geschäftsprozeßperspektive,
4 . Lern- und Entwicklungsperspektive.
Unternehmen, die insbesondere auf lang–
fristigen Erfolg orientiert sind, lassen sich
mit diesen vier „Perspektiven" viel besser
als mit den herkömmlichen Methoden
beschreiben.
Zur Nutzung dieser
vier
Sichten -
ent–
sprechend der Regel „You can't manage
what You can't measure" - ist es jedoch
notwendig, die Perspektiven über Kenn–
ziffern abzubilden. Und zudem sollen die–
se Kennziffern zukunftsorientiert sein,
also Entwicklungstendenzen dieser
Sich–
ten aufzeigen und messen.
Diese auf
den
ersten Blick recht eingängi–
ge Vorgehensweise hat jedoch ihre Tük-
ken im Detail. Insbesondere die Forde–
mng,
daß die Scorecard nicht nur Bezie–
hungen zwischen Ursachen und Wirkun–
gen messen, sondern auch
eine Quanti–
fizierung der Verknüpfung zwischen
den Scorecard-Perspektiven ermögli–
chen soll,
bereitet dem Anwender dieses
Verfahrens häufig Kopfzerbrechen.
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