Controller magazin
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(2) daß Mieten und Preise erst dann
wieder ansteigen, wenn die Massen–
kaufkraft breiter Bevölkerungssciiich-
ten gestiegen ist und die Unterneh–
mensgewinne auf breiter Basis zuge–
legt haben.
(3) daß der Euro für mehr Transparenz
bei den gewerblichen Immobilien
sorgen dürfte mit der Konsequenz,
daß die im europäischen Vergleich
relativ hohen deutschen Immobilien–
preise unter Druck geraten werden.
Aufgrund der allgemeinen
Marktent–
wicklung kann also eine nachhaltige
Wertsteigerung der gewerblichen Im–
mobilien nicht prognostiziert werden.
Eine Stabilisierung des Marktes auf dem
derzeit stagnierenden Niveau zu unter–
stellen, bedeutet daher aus Controlling–
sicht ein schon eher optimistisches Sze–
nario zu wählen. Noch wichtiger als die
allgemeine Marktentwicklung, also die
Positionierung im Marktzyklus, sind für
den Wertzuwachs allerdings die indivi–
duellen Investitionskriterien.
Wichtigstes Erfolgskriterium ist die
Lage
Erfolgscontrolling setzt Ergebnisziele vor–
aus. Die Ableitung der Ergebnisziele ist
wiederum ohne hinreichende Kenntnis
der Ertragspotentiale nicht möglich. Gibt
es spezifische immobilienwirtschaftliche
Ertragspotentiale? Sind diese bezüglich
ihrer potentiellen Ergebnisbeeinflussung
gleichrangig? Oder gibt es unter ihnen
gleichsam hierarchische Abstuftmgen?
Kennt der Controller die wirtschaftliche
Anatomie der Immobilie?
Im
Mittelpunkt der immobilienwirt–
schaftlichen Potentialanalyse steht die
Lage.
Die Lage bzw. der Standort ist die
zentrale individuelle wertbestimmende
Determinante. Die Lage ist auch das wich–
tigste Investitionskriterium. Übrige Er–
folgskriterien wie die Qualität des Gebäu–
des, das Umfeld, die Verkehrsanbindung
oder die Bewirtschaftungskosten sind
damit sicher nicht unbedeutend. Sie sind
sogar ganz wichtige Elemente, um eine
Immobilie langfristig zu einem guten In–
vestment zu machen. Sie können aller–
dings eine unattraktive Lage kaum kom–
pensieren. Immobiliencontrolling ist da–
her immer, und sei es nur latent zur Vor–
bereitung von potentiellen Desinvestiti–
onsentscheidungen, auch
Standortcon–
trolling.
Empirische Analysen kommen allerdings
zu einem, zumindest auf den ersten Blick,
überraschenden Ergebnis. Danach wer–
den in dezentralen Lagen potentiell hö–
here Renditen erzielt als an zentralen
Standorten. Ursache für dieses Rendite-
Paradox ist ein Risikozuschlag in den
Randlagen. Weil die potentiell erzielba–
ren Mieterträge in la-Lagen nachhaltiger
und damit stabiler sind, wird ein entspre–
chender Risikoabschlag von den Investo–
ren akzeptiert. Gute oder mittlere Lagen
unterliegen einer größeren Gefahr, durch
neu entstehende Alternativangebote an
Attraktivität zu verlieren. Ihre Ertragspo–
tentiale sind mithin instabiler
Die
entscheidende Frage des Controllers
ist daher,
wie
langfristig die Mietertrags-
chancen und die Wiederverwertbarkeit
der Immobilie ist. Bei Vernachlässigung
dieses Aspektes wäre bei derzeitigen
Hypothekenkrediten von unter 7
%
der
Kauf eines Mietshauses in Jena die wun–
derbare Cash-Maschine. Denn der Ertrag
würde auch nach Abzug der Bewirtschaf–
tungskosten und der Steuern die Kredit–
kosten noch übersteigen. Ohne Instand–
haltungsinvestment wird aus der kurzfri–
stigen Cash-Maschine aber ganz schnell
ein Liquididationsobjekt. Die Vernachläs–
sigung des Postulats der Nachhaltigkeit
in der Ertragsgenerierung ist gerade am
ostdeutschen Immobilienmarkt für viele
Investoren schmerzlich spürbar Wie an
der Börse erweisen sich auch bei Immo–
bilien die Blue Chips als stabiler: je höher
die Qualität, desto geringer ist bei Markt–
schwächen das Risiko. |e besser die Lage,
desto nachhaltiger die Ertragspotentiale.
Im Zentrumder Immobilienbewertung
steht die Nachhaltigkeit
Gleichsam kommunizierender Röhren ist
das Verhältnis zwischen den Mieteinnah–
men auf der einen und dem Immobilien–
wert auf der anderen Seite. le nachhalti–
ger die Mieteinnahmen sprudeln, desto
höher ist der Wert der Immobilie anzu–
setzen. Die monatlichen Mieteinnahmen
bestimmen daher im wesentlichen den
Verkehrswert eines Gebäudes. Um Fehl–
entwicklungen rechtzeitig zu erkennen,
sollte der Immobiliencontroller analysie–
ren.
(1) ob bei vorliegender Gutachterbewer–
tung eines Objektes die aktuellen
Mieteinnahmen die Bewertungs–
grundlage bilden oder ob in die Be–
wertung die
prognostizierten lang–
fristigen Mieteinnahmen eingeflos–
sen sind.
Bei der letzten Variante
wird der Wert mangels hinreichender
Objektivierbarkeit oft höher darge–
stellt als der tatsächlich am Markt zu
erzielende Preis.
(2)
ob nachhaltige Mietrückgänge zu
prognostizieren sind.
Ist dies der Fall,
können ergebnisbelastende Wertbe–
richtigungen nötig sein. Statt stiller
Reserven enthalten nicht wenige Bi–
lanzen aufgrund des seit 1992 zu
verzeichnenden Mietrückgangs deut–
liche Volumina an totem Kapital: der
Zeit- oder Marktwert ist also niedri–
ger als der in der Bilanz ausgewiese–
ne Buchwert. Die Erwirtschaftung ei–
ner angemessenen Rendite wird da–
her erst bei wieder steigenden Miet–
einnahmen und/oder adäquaten
Wertberichtigungen möglich.
(3) ob
durch Nebenabreden
mit
den
Mietern eine Immobilie künstlich
aufgewertet wird.
Dies ist wichtig
bei anstehenden Kaufentscheidun–
gen. Verkäufer von Immobilien ver–
suchen nicht selten, die Miete um
jeden Preis hochzuhalten. Sie be–
stimmt den Verkehrswert wesentlich.
Maßnahmen dazu sind insbesonde–
re die Gewährung von mietfreien Zei–
ten, die Übernahme der im Zusam–
menhang mit der Büroausstattung
anfallenden Kosten sowie die Abga–
be von Mietgarantien. Durch die ge
nannten Maßnahmen läßt sich im
Grundsatz die Qualität einer Immobi–
lie
nicht verbessern. Die Lage,
der
Zuschnitt des Gebäudes und die lang–
fristig erzielbaren Mieten müssen ein–
fach stimmen. Stimmt dies nicht, sind
entsprechende Wertabschläge vorzu–
nehmen.
(4) ob durch
Verzicht auf Instandhal–
tung
oder durch Vornahme geringe–
rer Abschreibungen das Immobilien–
ergebnis „geschönt" worden ist. Aber
auch das (sukzessive) Auflösen von
stillen Reserven manipuliert das aus–
gewiesene Immobilienergebnis. Die
Aushöhlung des Immobilienvermö–
gens durch Substanzverzehr ist trotz
Shareholder Value-Bekenntnisse ein
auch in der Immobilienbranche zu
beobachtendes Stigma.
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