Seite 11 - 1998-04

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Controller magazin 4/98
CONTROLLING IN DER
IMMOBILIENWIRTSCHAFT
Anpassungsdruck macht mobil / Steigende Akzeptanz
erschließt Controller-Wachstumsmarkt /
Langfrist-Denken dominiert
von Dipl.-Kfm. Walter WIemer, Frankfurt am Main
Walter Wiemer, Jg. 1959, Dipl.-Kfm. und Dipl.-
Betriebswirt, ist nach Controller-Stationen in der
Computer-undMineralölindustrieseit1997fürdie
EntwicklungmodemerSteuemngs-undPlanungs–
werkzeuge im Immobilienbereich einer Finanz-
und Dienstleistungs-Holding verantwortlich.
Strukturelle Fehlentwicklungen frühzei–
tig zu erkennen, wird als eine der Kern–
aufgaben des modernen Unternehmens-
controlling angesehen. Um diesem Auf
gabenanspruch gerecht zu werden, muß
der Controller, der Spezialist für Steue–
rungsprozesse,
die innere Systematik
seiner Branche und seines Unterneh–
mens kennen und verstehen. Eineso ver–
standene Controllingfunktion ist in der
Immobilienwirtschaft
allerdings noch
entwicklungsfähig. Sollte dies darauf zu–
rückzuführen sein, daß allein schon rein
semantisch zwischen dem eher unruhi–
gen Begriff control und dem gemächli–
chen, eher starren Adverb immobil ein
gleichsam natürliches
Spannungsver–
hältnis besteht?
Dieses in praxi zu beobachtende Span–
nungsverhältnis zwischen dem „unruhi–
gen Pol Controlling" auf der einen und
dem „ruhenden Pol Immobilie" auf der
anderen Seite scheint sich allerdings zu
entspannen. Zumindest die gewerbliche
Immobilie - sie soll im Zentrum der nach–
folgenden Ausführungen stehen - wird
zunehmend mobiler: die Nutzungszyklen
werden kürzer und die Nutzungsstruk–
tur multifunktionaler.
Im Vergleich zu anderen Wirtschaftsgü–
tern hebt sich die Immobilie vor allem
durch eine äußerst lange Lebensdauer
hervor Aus dieser wiederum resultiert
eine lange Kapitalbindungsdauer sowie
eine entsprechend hohe Fixkosteninten–
sität. Auch wenn das Kostenmanage–
ment, insbesondere in Form des Facility
Managements, immer stärker ins Blick–
feld rückt, wird der immobilienwirtschaft–
liche Fokus stets auf das Investitionspro–
blem gerichtet sein: Soll eine Immobilie
gekauft oder entwickelt werden? Reichen
die erzielbaren (Miet-) Erlöse aus, um die
Fixkosten (insbesondere: Zinsen, Ab–
schreibungen) zu decken?
Ein Blick nach Ostdeutschland verdeut–
licht die Aktualität dieser Fragestellun–
gen: fast alle Immobilienfonds sitzen
notleidend in der Fixkostenfalle. Auch
ein noch so perfektes Facility Manage–
ment kann aus einer am Bedarf vorbei
errichteten Immobilie kein Renditeobjekt
machen. Anstelle von Ertragspotentia–
len haben die Investitionen voluminöse
Wertberichtigungspotentiale geschaffen.
Statt sprudelnder Ertragsquellen verha–
geln nun die Bilanzen. Die Lotsenfunk–
tion des Controllers mutiert zum Ba-
lanceur der Schieflage: um nicht bettel–
arm oder bankrott zu gehen, muß er das
Wertberichtigungsvolumen „ergebnis–
orientiert steuern."
Bei der nachfolgenden Erörterung der für
die gewerbliche Immobilienwirtschaft
relevanten Erfolgsfaktoren wird bewußt
auf die schon klassische Differenzierung
in strategische und operative Faktoren
verzichtet. Eine so schon rein optisch
vermiedene Überbetonung operativer
Erfolgsfaktoren soll eine den langfristi–
gen Ertrags-XRisikoprofilen des Immobi–
lieninvestments adäquatere Darstellung
ermöglichen. Sie soll den Controllerblick
für die nachhaltig zentralen immobilien–
wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren schär–
fen. Faktoren, die in der nun anrollenden
Pleitewelle ostdeutscher Immobilien–
fonds in der Nach-Wende-Euphorie von
den Investoren scheinbar so sträflich
ignoriert wurden.
In Zyklen denken
Wer derzeit den deutschen Immobilien–
markt betrachtet, wird unweigerlich an
die biblischen sieben fetten und die sie–
ben mageren jähre erinnert. Während es
von Mitte der achtziger jähre an fette
jähre gab und es steil nach oben ging,
scheinen nun die mageren jähre ange–
brochen. Seit dem Ende der Hochkon–
junktur am Immobilienmarkt 1991/92
haben die Preise und Mieten ständig
nachgegeben. Seit 1991 sind die Büro–
mieten um rund ein Viertel gesunken; die
Werte der Bürogebäude minderten sich
im Durchschnitt gar um ein Drittel.
In Zyklen denken heißt Investitions- bzw.
Desinvestitionszeitpunkte antizyklisch
zu gestalten. Gleichsam einem Radar–
schirm muß der Controller die relevan–
ten Marktsignale orten und in adäquate
Handlungsweisen umsetzen. Auf die ak–
tuelle Situation des gewerblichen Immo–
bilienmarktes übertragen bedeutet dies,
(1) daß im Zuge der Euro-Umstellung
aufgrund der zwingend notwendigen
Zinskonvergenz unter den Mietglieds-
staaten im Niedrigzinsland Deutsch–
land mit steigenden Zinsen zu rech–
nen ist. Genau dies ist aber Gift für
den Immobilienmarkt.
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