Seite 36 - CONTROLLER_Magazin_1991_05

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Controller magazin
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NEUE UNTERNEHMENS–
STRATEGIEN IM
INTERNATIONALEN
UMFELD
von Dkfm. Dr. Hannes
Androsch,
Vize–
kanzler a. D. der Republik Österreich, Wien -
Vortrag gehalten als Finale zum 16. Congress
der Controller am 25. Juni 91 in München
Dr. Ar)drosch ur)d Bankvorstarvi Dr Bloett, Herrsching,
bei Frau Prof. Dr Stingls Vortrag
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach
der Vielzahl so qualifizierter Referate, wie sie
eindrucksvoll der Tagungsmappe zu entneh–
men sind, hieße es, Wasser in die Isar tragen,
wenn ein Wirtschaftsprüfer, ein Consultant mit
gelegentlichen Ausflügen in die Politik und das
Bankwesen versuchen würde, hier noch einen
Beitrag in dieser Richtung zu leisten. Und Sie
wissen ja, daß ein Wirtschaftsprüfer jemand ist,
der soviel von der Wirtschaft versteht, daß er
anderen Ratschläge dazu erteilen kann, aber
nicht genug weiß, um das selber zu tun. Und
ein Consultant wiederum jemand ist, der um
möglichst hohes Honorar Ihnen auf Ihrer Uhr
sagt, wie spät es ist oder Ihnen den Rat gibt,
auch gegen hohes Honorar versteht sich, daß
Sie, wenn Sie aus einem Glas trinken, wohl das
besser am unteren Ende und nicht am oberen
tun sollten.
Meine Damen und Herren, es trennen uns gar
mehr als 3000 Tage, ehe dieses Jahrhundert zu
Ende geht, ein neues Millennium, das dritte
christliche Jahrtausend, beginnen wi rd. Man
wurde gelegentlich schon gefragt, was denn
nun nach diesem 20. Jahrhundert kommen
wi rd, und die spöttische Antwort war: das 19.
Jahrhundert. Und diese Gefahr ist, wie sich
zeigt und wie das Aufkommen alter Dämonen
gelegentlich deutlich machen, leider gar nicht so
spöttisch, wie's auf den ersten Blick erscheinen
mochte.
Ich möchte mich nun nicht auf das glatte
Parkett von Prognosen begeben, schon zu viele
Prognoseleichen haben wir den Fluß herunter–
schwimmen gesehen. Eine der berühmtesten
war sicherlich vor 20 Jahren die Studie "Die
Grei\zen des Wachstums". Aber dennoch
versuchen einige, Kraftlinien nachzuzeichnen,
tektonische Strukturen, aber auch mögliche Ver–
änderungen zu identifizieren, weil das jene
Rahmenbedingungen sind, die für unternehme–
rische Entscheidungen, für die Erarbeitung
unternehmerischer Strategien und ihrer Ver–
wirklichung ohne Zweifel von Bedeutung sind.
Machen muß das jeder selber. Gottseidank gibt
es keine Patentlösungen.
W i e w i r w i s s e n ,
t r a g e n d i e Wa s s e r d e s Ma r k t e s nur , w e n n m a n
s e l b s t s c h w i mm t .
Aber dennoch kann man sich
an die Weisheit eines italienischen Sprichwortes
halten, das da lautet: "Der Kluge horcht in
d i e
Vergangenheit, denkt an die Zukunft
u n d
handelt in der Gegenwart".
Eines zeichnet dieses Jahrhundert, das da nun
zu Ende geht, mit Sicherheit aus und ist keine
Prognose mehr. Das ist die Bevölkerungsent–
wicklung. Es begann mit 1600 Millionen Ein–
wohnern und wird mit 6400 zu Ende gehen.
Jeder fünfte davon ein Chinese, jeder sechste
davon in Indien. Daß das bedeutsame Auswir–
kungen auf alle Bereiche haben muß, ist gar
keine Frage. Es war ein Jahrhundert gewaltiger
Veränderungen in allen Bereichen, und die
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