Controller magazin
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dann auch tür den Arbeitskreis Sachsen der
Kern werden.
Wie ging's weiter? Es ging weiter mit Vorlesun–
gen im Frühjahrssemester und ich muß sagen,
die Tei lnahme am Controller Congress im
vorigen Jahr war für mich auch bedeutsam. Ich
habe also vieles life kennengelernt, ich konnte
einordnen, ich konnte einschätzen und ich
konnte auch eine Reihe von Schichten und
Krusten abbauen. Denn eines ist ja klar: Jeder
muß persönl ich die Wende vo l l z i ehen und
muß sich persönlich mit dem Prozeß der Verän–
derung auseinandersetzen und muß dort seinen
Standpunkt neu finden. Ich habe dann im
November für arbeitslose Akademiker ein post–
graduales Direktstudium begonnen, Controlling
und Rechnungswesen, und hier wurde mir
gesagt, das Programm könnte man eigentlich
gar nicht anders machen und deshalb auch
mein Dank an den Vorstand des Controller
Vereins, Praktikumsplätze zu besorgen. Ich
habe dann 90 Stunden Vorlesungen ausgearbei–
tet und am 1. 1. kam nun - ich möchte sagen -
für mich der Urknall; nämlich die Warteschleife.
Die Warteschleife, die da heißt, Auf lösung aller
Fakultäten, Wirtschaftswissenschaften und Ju–
risten, Zeitverträge; dann bekommen die Pro–
fessoren, die ja 35 % des Gehaltes der hiesigen
Professoren haben, noch ihr vol les Gehalt, aber
wenn keine Zeitverträge, dann 70 %, also 70 von
100. Und dann war das eigentlich fast eine
Frage des Überlebens. Nicht die Neugründung ,
die neuen Strukturen abzuwarten und auch
nicht die Neuausschreibung der Lehrstühle, die
im deutschsprachigen Raum erfolgt, sondern
ich habe mich ab 1.
5.
freiberuflich mi t einer
Gewerbeer l aubni s für Control l ing-Software-
Vertrieb, Beratung und Seminare in den
Markt gestürzt. Ich muß dazusagen, ich habe
erstmal Aufträge von einer großen Wirtschafts-
prüfergesellschaft übernommen und mache Un–
ternehmensbewertungen für die Verkäufe von
Unternehmen durch die Treuhand, denn ich
muß erst ein wenig Sicherheit haben und auch
im Markt erst mal den Test bestehen. Aber ich
bin sehr optimistisch, denn die Software, die ich
vertreiben will, steht auch hier draußen vor
dem Congress-Saal.
Sowei t zu meinen ganz persönlichen Beziehun–
gen zum Controlling. Gestatten Sie mir nun zu
dem eigentlichen Thema, nämlich den Aus –
gangsbedingungen für das Controlling beim
Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft zu
kommen. Bei all den Betrachtungen, die wir an–
stellen, muß man davon ausgehen, daß dieser
Wandel des Gesellschaftssystems noch nirgend–
wo stattgefunden hat. Und daß es auch keiner–
lei vergleichbare Abläufe gibt. Das heißt, wir
müssen uns ganz deutlich machen, daß es keine
Alternative zu den bisherigen Abläufen gibt,
weder zeitlich noch in einer anderen Form.
Auch wenn besondere Maßnahmen, die poli–
tisch getroffen werden, manchmal durchdach–
ter, gezielter, ausgewogener sein könnten. Di e
übergangs lose Einführung der Marktwirt–
schaft hat ja nicht nur die Schwächen des
Wirtschaftssystems offenbart, s o nd em vor
al lem eben auch die Mögl i chke i ten geboten.
Aber man sollte sich wirklich ganz deutlich
machen, es wird ein sehr langer und ein weiter
Weg sein. Aber wir werden ihn gemeinsam
gehen und das ist eigentlich das, woraus alle
Kraft schöpfen und wo viele Hoffnungen
gehegt werden. Die Erblasten der 40-jährigen
Planwirtschaft zeigen sich ja nicht nur in den
materiell-wirtschaftlichen Bedingungen. Dazu
wurde viel gesagt. Ich habe z. B. seit 26 Jahren
e inen Antrag auf e in Te l efon laufen. Das ist
selbst für DDR-Verhältnisse fast ein bißchen
kurios, aber ich kann die Belege beibringen. Die
Auf lösung der alten Wirtschaftsstrukturen
unter dem Dmck der Marktwirtschaft, di e
Of f enl egung bisher verschleierter Überbe–
schäft igung, das bringt die Arbeitslosigkeit in
höchstem Maße hervor. Und der Aufbau der
neuen Stmkturen vollzieht sich relativ langsam.
Das heißt, die Menschen, die sich in die neue
Entwicklung einbringen wol len, haben noch
keine und sehen eigentlich auch nur geringe
Chancen. Und das ist eine wesent l iche Differen-
z i emng , die man bei allen Entscheidungen und
bei allen Einordnungen beachten muß. Es gibt
da so einen Kreis von Menschen, der Arbeit hat,
und dann gibt es eben mnd 3 1 / 2 oder 4 Millio–
nen Menschen, die keine Arbeit haben. Und das
allein schafft schon ein Spannungsfeld sozialpo–
litischer Art, das natürlich nicht vernachlässigt
werden darf und das eigentlich auch größte
Aufmerksamkeit erfordert.
Ich möchte auf die eingehen, die Arbeit haben.
Ein großer Teil der an der Wirtschaft, in Ver–
wal tungen oder auch in anderen Bereichen
Tätigen trägt den Makel der Zweitklassigkeit.
Denn es fehl en Qual i f ikat ionen, es fehl en
Kenntni sse , es fehlen Erfahmngen der
Marktwirtschaft. Und das ist eine Erblast, die
zu tragen ist. Die Sozialpsychologen sagen, es
gibt zwe i Syndrome , die von den neuen
Bunde sbürgem überwunden werden müs sen.
Einmal das Sicherhei tssyndrom und zum
anderen das Gl e i chhe i t ssyndrom. Das heißt,
das Sicherheitssyndrom: hier vertritt der alte
Staat die volle Verantwortung. Denn er hat sich
angemaßt, für alle das totale Obhutsrecht
auszuüben. Und ich muß Ihnen sagen, es ist
sehr viel abverlangt , aus dieser totalen Obhut ,
die organisiert war, nun unter den neuen
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