Seite 24 - wirtschaft_und_weiterbildung_10_2011

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24
wirtschaft + weiterbildung
10_2011
R
6.
Führen heißt, seine Gefühle wahrzu-
nehmen, zu ihnen zu stehen und wahr-
haftig zu sein. Dies äußert sich auch in
der Wertschätzung für sich und andere
und in einer gelebten Transparenz.
7.
Führen heißt, Leistung zu ermöglichen
und Ziele zu erreichen. Dazu ist es not-
wendig, mit dem Sinn des eigenen Tuns
verbunden zu sein.
Überlebensfähig bleibt ein Unternehmen
nicht nur durch die Impulse systemischer
Führungskräfte, sondern auch durch eine
entsprechende Organisationsstruktur.
Pinnow plädiert in einem wichtigen Teil
seines neuen Buchs für flexible Netzwerk-
organisationen, weil sie den Spagat schaf-
fen zwischen Stabilität im Inneren und
Anpassungsfähigkeit nach außen. Er lässt
Dr. Dieter Frey, Professor für klassische
Sozialpsychologie an der Ludwig-Maxi-
milians-Universität München, zu Wort
kommen, der ganz im Sinne von Pinnow
die Erwartungen an die Unternehmensor-
ganisation von morgen so ausdrückt:
1.
Es gibt kleinere Organisationseinheiten,
damit Synergie- und Substanzverluste mi-
nimiert werden.
2.
Es gibt zwar eine Hierarchie und
gleichzeitig aber auch eine hierarchiefreie
Kommunikation. Statt der Maxime „Ober
sticht Unter“ herrscht eine Kultur, in der
sich das gute Argument durchsetzt.
3.
Es gibt eine ethikorientierte Führung.
Der Wunsch der Mitarbeiter nach Klar-
heit, Sicherheit, Transparenz, Wertschät-
zung, Fairness und Vertrauen wird erfüllt,
genauso wie der Wunsch der Organisa-
tion nach Erfolg, Qualität, Innovation
(genauso wie der Wunsch der Kunden
nach Flexibilität, Preis, Service, Freund-
lichkeit).
ändert hat.“ Neben dem persönlichen
Gespräch und den Routinemeetings sind
(am besten abteilungsübergreifende) Pro-
jekte und Workshops zu aktuellen The-
men eine gängige Form der Intervention,
die nur noch übertroffen werden von den
großen Change-Prozessen, die die ganze
Organisation oder zumindest alle Schlüs-
selpersonen mit neuen Wahrnehmungs-
mustern versorgen wollen.
Während einer Außendiensttagung, bei
der sich die Verkäufer lange mit Ja-Aber-
Argumenten darüber streiten, wie auf die
Preissenkung eines Konkurrenten zu rea-
gieren sei, könnte der Vertriebsleiter zum
Beispiel die Diskussion unterbrechen und
fragen: „Wie gehen wir eigentlich mitei-
nander um?“, „Warum drehen wir uns
im Kreis?“, „Was bringt es, wenn ich die
Entscheidung alleine treffe?“, „Welche
Vorstellungen hat eigentlich jeder von
uns, wie der Markt in Zukunft aussehen
wird?“. Glaubt man Pinnow, sind Mittel-
manager heute zu solchen Reflexions-
schleifen fähig und packen so Probleme
an der Wurzel. „Das Systemische ist in
das Rollenkleid der Linie eingesickert“,
sagen Organisationsberater.
Interventionen zu machen, verlangt von
einer Führungskraft also nicht nur syste-
misches Verständnis, sondern auch eine
große Portion sozialer und emotionaler
Intelligenz, wie sie schon seit Jahren an
den Managemtakademien gelehrt wird.
Pinnow konkretisiert diese Anforde-
rungen an Manager in seinen „Sieben
Kernthesen zur systemischen Führung“:
1.
Führen heißt, ein klares Bild von der
Zukunft zu haben und Orientierung zu
geben.
2.
Führen heißt, Entscheidungen zu tref-
fen. Dazu ist es notwendig, eine Differen-
zierung zu treffen und Macht auszuüben,
ohne sie zu missbrauchen.
3.
Führen heißt, Verantwortung zu über-
nehmen. Dies gilt für die eigenen Werte,
Gefühle und Handlungen.
4.
Führen heißt, Kontakt herzustellen
und zu kommunizieren. Kontakt zu sich
selbst, den anderen, dem Geschäft und
der Umwelt.
5.
Führen heißt, sich selbst in Frage zu
stellen. Es bedeutet, sich mit sich selbst
und mit anderen auseinandersetzen zu
können, konfliktfähig zu sein und die Fä-
higkeit zur Selbstreflexion zu besitzen.
4.
Es gibt eine bessere Qualität der Infor-
mation. Die Führung an der Spitze sollte
100 Prozent der Negativ-Information er-
halten (derzeit geschätzte 20 Prozent).
5.
Es gibt Führungskräfte, die mehr
menschliche Qualitäten haben.
6.
Es gibt mehr Führungskräfte, die sich
fragen: Was begeistert Menschen und was
blockiert sie?
7.
Es werden innovative Lernformen ge-
nutzt – zum Beispiel Lernzirkel, Teamcoa-
chings oder Lerntandems. Eine positive
Fehlerkultur unterstützt das Lernen.
FAZIT:
Das Buch bietet eine sachver-
ständige Integration des systemischen
Ansatzes in die Reihe klassischer Orga-
nisations- und Führungskonzepte. Wenn
Daniel F. Pinnow sich zudem einer Vision
verschreibt („Das langfristige Ziel guter
Führung heißt, eine Welt zu gestalten,
der andere Menschen gern angehören
wollen. Eine solche Herausforderung
anzunehmen, macht eine Führungskraft
zum Leader.“), dann ist das für alle und
insbesondere für seine mittelständischen
Kunden gut anschlussfähig. Und es mar-
kiert, wie sich der Anspruch an Führung
in den letzten Jahren verändert hat. Pin-
now: „Die systemische Führungskraft ist
intrinsisch motiviert. Sie hat ein positives
Menschenbild, sie ist von den Fähigkeiten
und der kreativen Energie ihrer Mitarbei-
ter überzeugt und zeigt offen ihre Wert-
schätzung. Durch Kontaktfähigkeit und
Kommunikationskompetenz erreicht sie
ihre Mitarbeiter auf der fachlichen und
menschlichen Ebene und weckt bei ihnen
ein tieferes Verständnis und echte Empa-
thie für die eigene Aufgabe und die Unter-
nehmensziele.“
Martin Pichler
R
Der Mentor.
„Sie sind der
Rohstoff Wis-
sen“, motiviert
Daniel F. Pinnow
Schüler eines
Wirtschafts-
gymnasiums
während einer
Praxiswoche.
Foto: Theo Wieland