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10_2011
Tiefstapeln hilft!
INSPEKTOR COLUMBO.
Wer jemals die TV-Serie „Inspektor Columbo“ gesehen hat, wird
sich an einen skurrilen Polizisten aus Los Angeles erinnern, der gute Fragen stellen
konnte und ständig unterschätzt wurde. Er inszenierte sich als Tollpatsch, während
er den übertrieben selbstbewussten Tätern auf die Pelle rückte. Viele Trainer nutzten
Columbo als Vorbild für wache Wahrnehmung und effektive Fragetechnik.
Peter Falk, der 35 Jahre lang die Anti-Helden-Rolle von Inspek-
tor Columbo verkörperte, starb am 23. Juni 2011. Die Art, wie
Columbo durch gezieltes Fragen und gekonnte Inszenierungen
die Mörder überführte, brachte viele Vertriebstrainer in den
letzten 20 Jahren auf die Idee, seine „Techniken“ als vorbildlich
für Verkäufer und Führungskräfte hinzustellen. Gestützt haben
sie sich dabei auf folgende drei Besonderheiten der TV-Serie.
1 „Just One More Thing“
Jede Columbo-Folge begann mit einem Mord, bei dem der
Täter deutlich zu sehen war. Die Frage war nur noch, wie der
Bösewicht überführt werden würde. Einen durchschlagenden
Erfolg auf dem Weg zur Lösung brachte in fast jeder Folge eine
Szene, für die Columbo weltberühmt wurde: Er besuchte den
Verdächtigen in dessen Wohnung. Der Täter war sehr ange-
spannt und entsprechend kontrolliert und vorsichtig. Columbo
beendete das Gespräch höflich und ging zur Tür. Anspannung
und Selbstbeherrschung fielen schlagartig vom Mörder ab. Auf
demWeg zur Tür kratzte sich Columbo nachdenklich am Kopf,
drehte sich um und sagte: „Eine Frage hätte ich da noch …“. Der
Mörder reagierte aus dem Gefühl heraus, dass das Schlimmste
schon überstanden sei und gab mehr an Informationen und
Gefühlen preis, als er wollte. Auch in Verkaufsgesprächen kann
sich die Atmosphäre verkrampfen, wenn der Kunde das Gefühl
hat, besonders vorsichtig sein zu müssen. Der Außendienstler,
der die Columbo-Technik kennt, kann dann imWeggehen noch
die entscheidende Frage stellen – zum Beispiel nach einer Be-
sonderheit des Bedarfs, nach der Konkurrenz oder nach einem
passenderen Termin. Im Handel entwickelten zum Beispiel
Möbelverkäufer die Masche, unentschlossenen Kunden zum
Ausgang hinterherzulaufen, um ihnen noch eine (für Notfälle
vorbereitete) Alternative vorzuschlagen.
Überhaupt spielten Fragen für Columbo eine wichtige Rolle.
Er stellte sie, weil ihm Ungereimtheiten auffielen, überdachte
die Antworten und stellte erneut Fragen. Wer fragt, geht frü-
her oder später anderen auf die Nerven. Columbo hatte sich
deshalb eine Reihe von Entschuldigungen für seine Neugier
ausgedacht („Mein Chef will einen besonders genauen Be-
richt“ oder „Es tut mir leid. Ich muss doch wirklich in jedes
Fettnäpfchen treten“), die es ihm ermöglichten, den Kontakt
zum Gesprächspartner aufrechtzuerhalten. Andererseits wich
Columbo gerne allen Fragen aus, die an ihn gerichtet wurden.
Wollte der Verdächtige wissen, wie es mit den Ermittlungen
voranging, dann lautete die elegante Antwort: „Für Ergebnisse
ist es noch ein bisschen zu früh, aber ich tue mein Bestes.“
Für bemerkenswert hält es Professor Dr. Matthias Varga von
Kibéd, ein Experte für systemische Organisationsaufstellungen,
dass der Inspektor durch seine vielen Fragen anderen nie die
Funktionshoheit über das Ende eines Gesprächs überließ: „Wer
bestimmen kann, wann ein Gespräch zu Ende ist, befindet sich
in einer sehr machtvollen Position, und über dieses winzige
Element hat er sich Achtung verschafft.“
2 Tiefstapeln und dumm stellen
Columbo näherte sich dem Täter „von unten“. Er war ein Ver-
treter der eher ärmlichen Mittelschicht, während die Täter reich
und berühmt waren. „Columbo hat mit der Zurücknahme sei-
ner eigenen Persönlichkeit und der Haltung des Nicht-Wissens
verwirrt – was einen Raum für Lösungsbilder aufspannt und
auf eine spannende Art eine systemische Haltung offenbart“,
analysiert Professor Dietmar Kröber, Lehrtrainer (DVNLP) und
Coach (DVCT) sowie Professor für Marketing und Kommuni-
kation, Stuttgart. Mit seiner Art der Tiefstapelei wog Columbo
die Täter in falscher Sicherheit. Wenn seine Falle zuschnappte,
war Columbo „oben“ und der Täter „unten“.
Sich als Trainer einer Gruppe (oder als Coach einem Klienten)
„von unten“ – also als Fragender statt als Allwissender – zu nä-
hern, ist ein durchaus Erfolg versprechender Weg. Für Dr. Gun-
ther Schmidt, Leiter des Milton-Erickson-Instituts Heidelberg,
war es eine große Freude, zu sehen, wie sich hinter Columbos
Understatement eine „ungeheuer präzise analytische Betrach-
tungsfähigkeit“ verbarg: „Dieser Inspektor erkannte hinter
den Worten von Menschen schnell die relevanten Brüche und
Widersprüche.“ Diese Eigenschaft sei zwar grundsätzlich vor-
bildlich für Trainer und Coaches, doch hat der Erfinder des
„Hypnosystemischen Ansatzes“ seine Probleme damit, dass
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