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BUNDESPOLITIK
JAHRESSTATISTIK
oder knapp 42.700 Wohnungen mehr als
im Vorjahreszeitraum. Damit setzte sich das
2009 begonnene Wachstum bei den Bau-
genehmigungen fort. Im Geschosswoh-
nungsbau wurden im ersten Halbjahr 2016
rund 80.700 Wohnungen genehmigt, im
Ein- und Zweifamilienhausbau rund 61.400
Wohnungen. Ohne Berücksichtigung der
Wohnungen in Wohnheimen stiegen die
Baugenehmigungen in neuen Wohnge-
bäuden nur um 22,5 Prozent.
„Die Politik muss vom Erkenntnismodus
nun endlich in den Entscheidungsmodus
umschalten“, forderte Gedaschko. „Dies
richtet sich insbesondere an die vielen
Stadträte. Denn eines fehlt ganz beson-
ders: bezahlbares Bauland.“ Mit einer
immer weiter steigenden Auflagenflut und
fehlenden Anreizen für den Wohnungs-
bau sorge die Politik zudem dafür, dass die
Dynamik beim Wohnungsbau schon wie-
der deutlich abebbt.
Hohe Baukosten, steigende Grunderwerb-
steuern und hohe energetische Anforde-
rungen in Kombination mit Diskussionen
um die Verbreiterung des Mietspiegels und
ein Absenken der Modernisierungsumlage
führen dazu, dass die Neubautätigkeit nicht
ausreichend an Fahrt aufnehmen kann.
Zudem wächst der Bauüberhang. Das
heißt, immer weniger Wohnungen werden
zügig fertig gestellt – die meisten davon
auch noch im hochpreisigen Segment.
Grund für die mangelnden Fertigstellun-
gen sind auch zunehmende Streitigkeiten
im Planungsprozess, die den Neubau ver-
zögern. Konkret müssten in Deutschland
bis zum Jahr 2020 jährlich rund 140.000
Mietwohnungen mehr als im letzten Jahr
gebaut werden. Davon 80.000 Sozialwoh-
nungen und 60.000 Einheiten im bezahl-
baren Wohnungssegment.
„Was der Wohnungsbau dringender
denn je braucht, sind wirksame Anreize“,
erklärte Gedaschko. Es müssen mehr Bau-
flächen zur Verfügung gestellt und durch
die Kommunen verstärkt nach Konzept-
qualität vergeben werden. Neben einem
Stopp der Preisspirale insbesondere bei der
Grunderwerbsteuer ist zudem eine Erhö-
hung der linearen Abschreibung für Abnut-
zung von 2 auf mindestens 3 Prozent not-
wendig. „Sollte sich hier nicht zügig etwas
ändern, werden die Neubauzahlen trotz
des vermeintlichen Anstiegs bei weitem
nicht an das heranreichen, was eigentlich
gebraucht wird“, so der GdW-Chef.
(schi)
Fortsetzung von Seite 1
Der große Politik-Check: „Best-of“ der neubauschädlichen Regelungen –
und was die Politik dagegen tut
Berlin – „Bauen wird immer teurer und komplizierter. Neubau findet daher zum Großteil nur noch im oberen Mietpreis-
segment statt“, mahnte GdW-Präsident Gedaschko auf der Jahrespressekonferenz des Spitzenverbands der Wohnungs-
wirtschaft Anfang Juli in Berlin. „Die Ursachen dafür liegen in überhöhten technischen Anforderungen, unter anderem
an die Energieeffizienz, steigenden Preisen für Baugrund und höheren Baukosten. Die Folge sind hohe Mieten oder mehr
Wohnungsbau im Eigentumsbereich.“
Die Kostentreiber im Wohnungsbau sind
überwiegend staatlich gemacht: Bund,
Länder und Kommunen haben den Woh-
nungsbau in den vergangenen Jahren
durch Gesetze, Verordnungen, Aufla-
gen, Steuern und Materialanforderun-
gen enorm verteuert. „Wir fordern Bund,
Länder und Kommunen auf, endlich ein-
zugreifen, um das Wohnen für Haushalte
mit mittleren und unteren Einkommen
erschwinglich zu halten. Dafür ist es drin-
gend notwendig, die Kostentreiber beim
Wohnungsbau zu begrenzen“, forderte
der GdW-Chef.
Der Politik-Check des GdW analysiert: Wo
ist es seit dem letzten Jahr vorangegangen
und wo wird nur geredet, statt gehandelt?
Baukosten
Die Bauwerkskosten von Mehrfamilien-
häusern in Deutschland sind seit dem Jahr
2000 um rund 49 Prozent gestiegen. Bei
den reinen Baupreisen gab es im gleichen
Zeitraum dagegen lediglich einen Anstieg
von rund 31 Prozent – leicht höher als
die Lebenshaltungskosten, bei denen die
Zunahme bei 25 Prozent lag.
Die Baukosten insgesamt, die neben den
Kosten des Bauwerks auch die Außenanla-
gen, Ausstattungen und die Baunebenkos-
ten enthalten, gingen zwischen den Jahren
2000 und 2016 sogar um 60 Prozent nach
oben.
Die Neubau-Kosten pro Quadratmeter
Wohnfläche (ohne Grundstück) in einem
Muster-Mehrfamilienhaus sind konkret von
1.739 Euro im Jahr 2000 um 1.049 Euro
auf 2.788 Euro im vergangenen Jahr gestie-
gen. 330 Euro davon gehen allein auf das
Konto von Bund, Ländern und Kommunen
durch Vorgaben und Anforderungen.
Zudem wird das Ordnungsrecht immer
schärfer: Seit dem Jahr 2000 wurde die
Energieeinsparverordnung (EnEV) vier Mal
novelliert – mit immer höheren Anforde-
rungen. Allein das hat die Bau Bauwerks-
kosten um 6,5 Prozent ansteigen lassen.
Bei Berücksichtigung der EnEV 2016 kom-
men Kostensteigerungen von sieben Pro-
zent zum Tragen. In Verbindung mit dem
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz in der
gültigen Fassung kommen nochmals wei-
tere zwei Prozent Bauwerkskostensteige-
rung dazu.
Das Problem: Bei ambitionierten energe-
tischen Standards steigen die Kosten auf-
grund des hohen baukonstruktiven und
anlagentechnischen Aufwandes exponen-
ziell an, während die Kurve des möglichen
Einsparpotenzials beim Energieverbrauch
immer weiter abflacht. Die Wirtschaftlich-
keit von Wohnungsneubauten verschlech-
tert sich also zunehmend, je höher das
energetische Anforderungsniveau aus-
fällt. „Bereits für den energetischen Stan-
dard, den die Energieeinsparverordnung ab
2016 vorschreibt, kann die Wirtschaftlich-
keit nicht nachgewiesen werden“, erklärte
Gedaschko. Die Grenze der wirtschaftli-
chen Vertretbarkeit ist damit insbesondere
für den mehrgeschossigen Wohnungsbau
bereits mit der EnEV 2009 erreicht wor-
den. „Jegliche weitere Verschärfungen der
energetischen Anforderungen sind Gift für
den vielerorts dringend notwendigen Woh-
nungsbau und müssen unbedingt unter-
bleiben“, forderte der GdW-Chef.
…einen Neustart bei der Energieein-
sparverordnung herbeiführen. Die
Energieeinsparverordnung darf die
Schaffung bezahlbaren Wohnraums
nicht gefährden.
Politik-Check:
Derzeit laufen
Der Bund muss deshalb…
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