personalmagazin 5/2018 - page 42

ORGANISATION
_GESUNDHEITSMANAGEMENT
personalmagazin 05/18
42
I
mmer mehr Unternehmen gehen
den Weg vom gesetzlich vorge-
schriebenen Arbeits- und Gesund-
heitsschutz zum systematischen,
zielgerichteten Betrieblichen Gesund-
heitsmanagement (BGM). Dazu beigetra-
gen haben viele gesetzliche Instrumente
wie das Präventionsgesetz und die psy-
chische Gefährdungsbeurteilung. Beim
genauen Hinsehen zeigt sich jedoch, dass
viele der Erfolgsmeldungen nicht für alle
Unternehmen gelten. Es ist also an der
Zeit für eine ausführliche Analyse: Wo
steht das BGM tatsächlich?
BGM ist auf dem Siegeszug – doch 99
Prozent der Betriebe haben keins
Deutschlands Wirtschaft ist geprägt
durch Klein- und Kleinstunternehmen.
Rund 99,3 Prozent der Unternehmen
(2,4 Millionen) beschäftigen weniger als
50, nur etwa 17.000 mehr als 249 Mit-
arbeiter. Die meisten Studien zum BGM
spiegeln allerdings diese Verteilung
nicht einmal annähernd wider. Deshalb
sind die Aussagen zur Verbreitung von
BGM auch mit Vorsicht zu genießen.
Dazu kommt, dass nicht immer korrekt
zwischen BGF (Betriebliche Gesund-
heitsförderung) und BGM unterschieden
wird – die Grenzen sind hier fließend.
In der 2017 vom Personalmagazin
veröffentlichten Studie „#whatsnext –
Gesund Arbeiten“ wird das Fazit gezo-
gen, dass BGM eine Größenfrage ist – je
weniger Mitarbeiter ein Unternehmen
beschäftigt, desto unwahrscheinlicher
wird es, dass es BGF oder BGM gibt.
Von
Oliver Timo Henssler
Dieses Ergebnis spiegelt sich in vielen
Diskussionen und auch dem Ergebnis
des Präventionsberichts 2017 wider,
wonach gerade die Kleinstunternehmen
durch die gesetzlichen Krankenkassen
mit gesundheitsfördernden Maßnahmen
kaum erreicht werden. Von rund 13.000
im Jahr 2016 durch die Kassen erreich-
ten Unternehmen haben nur knapp 400
weniger als 10 Mitarbeiter.
Fazit:
BGM ist ein Erfolgsthema – aber
nur in Großunternehmen. Zwar gibt es
durchaus Versuche, zum Beispiel über
Netzwerke, Klein- und Kleinstunterneh-
men zu erreichen. In der Praxis funk-
tioniert das bislang aber mehr schlecht
als recht. Hier bedarf es neuer Konzepte,
eines neuen Bewusstseins und klarer
Verantwortlichkeiten in den Unterneh-
men. Auf die Gesamtzahl der Unterneh-
men in Deutschland bezogen hat wohl
nur etwa ein Prozent ein systematisches
Betriebliches Gesundheitsmanagement.
Psychische Gefährdungsbeurteilung
ist Pflicht, führt aber Nischendasein
Ein wichtiger Schritt zu mehr gesunder
Arbeit ist die psychische Gefährdungsbe-
urteilung, die seit 2013 im Arbeitsschutz-
gesetz verankert ist. Jedes Unternehmen
ist verpflichtet, arbeitsbedingte Belastun-
gen zu identifizieren und diese so weit wie
nur möglich zu reduzieren. Dieser Auftrag
geht über die reine Gesundheitsförderung
hinaus. Die psychische Gefährdungsbeur-
teilung stellt vielmehr einen Prozess der
Organisationsentwicklung dar, der primär
Themen wie gesunde Führung, Informa-
tionsmanagement und die gesundheits-
förderliche Gestaltung von unternehme-
rischen Prozessen und Schnittstellen
adressiert. Valide Zahlen zum Stand der
Umsetzung in deutschen Unternehmen
gibt es leider nicht. Wieder greift hier
die Herausforderung, dass die Klasse der
Kleinstunternehmen in Studien unterre-
präsentiert ist. Zwar haben viele der Groß-
unternehmen Belastungen inzwischen
identifiziert, aber in der absoluten Mehr-
heit der mittelständischen Unternehmen
ist diese gesetzliche Verpflichtung noch
nicht angekommen. Praxiserfahrungen
bestätigen, dass viele Kleinst- und Klein-
unternehmen noch nicht einmal davon
gehört haben. Zudem zeigt sich, dass auch
da, wo psychische Belastungen erfasst
werden, die Umsetzung von geeigneten
Maßnahmen oft nicht konsequent verfolgt
und auch die Zielerreichung nicht hin-
länglich überprüft wird.
Fazit:
Die psychische Gefährdungsbeur-
teilung hat großes Potenzial, führt derzeit
aber immer noch ein Nischendasein. Sie
wird selbst in etlichen Großunternehmen
noch nicht umgesetzt. Da diese nur 0,7
Prozent des gesamten Unternehmensbe-
stands stellen, ist bislang nur ein kleiner
Bruchteil der Unternehmen dieser ge-
setzlichen Verpflichtung nachgekommen.
Ursächlich dafür ist das fehlende Wissen
der Klein- und Kleinstunternehmen, die
fehlende Umsetzungskontrolle und nicht
zuletzt bislang fehlende Sanktionen.
147 Millionen Euro in BGM investiert –
und Kleinbetriebe nicht erreicht
Das Präventionsgesetz hat zweifelsfrei
einen positiven Effekt aufs Betriebliche
Gesundheitsmanagement. Die gesetz-
lichen Krankenversicherungen sind
Engagiert das Ziel verfehlt
ANALYSE.
Das Betriebliche Gesundheitsmanagement hat erstaunliche Fortschritte
gemacht – doch wirklich effektiv wird es erst, wenn es die Arbeitsrealität abbildet.
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