Personalmagazin 8/2017 - page 34

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MANAGEMENT
_FLÜCHTLINGE
personalmagazin 08/17
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
RUTH LEMMER
ist Journalistin in Duisburg.
Herstellung von reflektierenden Folien
und Automobilprodukten, dem Block-
unterricht in der Ausbildungswerkstatt
und Berufsschule pendeln.
Das Sprachverständnis und die IHK-
Prüfung sind das untrennbare Paar, für
das in den Unternehmen Auszubildende
und Ausbilder, Berufsschul- und Sprach-
lehrer hart arbeiten. Bilderwörterbücher
oder selbst gebastelte Fotowände über-
winden Sprachbarrieren: Hammer und
Feile für Techniker, Messer und Suppen-
topf für Gastronomen sind als Bild ein-
deutiger als jede Erklärung. Manchmal
hat eine kleine Änderung des Gewohnten
große Wirkung. Der Systemanbieter für
Schaltschrank- und Klimatechnik Rittal
im hessischen Herborn hat den Lernpro-
zess aus Erklären und Üben um die Pha-
sen Vor- und Nachmachen ergänzt. Wie
man den Bohrer einspannt, den Brenner
beim Schweißen hält und das Werkstück
zum Fräsen fixiert, das muss sitzen. Da-
für sorgen Ausbilder und Azubipaten.
„Wichtig ist es, auf jeden der Teilnehmer
individuell einzugehen“, sagt Ausbil-
dungsleiter Matthias Hecker. Und: „Bei
der Sicherheitsunterweisung darf es
keine Lücken geben.“ Die beiden ersten
von vier Flüchtlingen unter den Azubis
hat er so schon durch die Prüfung zum
Maschinen- und Anlagenbauer gebracht
– in der Regelzeit von zwei Jahren.
Rüdiger Hopf, Ausbildungsleiter bei Kaeser Kompressoren, investierte mehrere Sams-
tage, um sich in Workshops zum Thema Sprachvermittlung weiterzubilden und wen-
det sein Know-how jetzt direkt an. Das reicht vom Hintergrundwissen über kulturelle
Unterschiede bis zur langsamen und deutlichen Aussprache im direkten Kontakt.
Die Familienhierarchie, die Einstellung zu Älteren oder das Frauenbild sind ebenso un-
terschiedlich bei den Geflüchteten wie die Religionszugehörigkeit komplex ist, weil zum
Beispiel auch die Christen aus den mehrheitlich muslimischen Ländern eine andere Tradi-
tion pflegen als deutsche Christen. Oft helfen da nur Fragen an den einzelnen Azubi. Und
gleichzeitig müssen die Asylsuchenden lernen, dass hier Pünktlichkeit wichtig ist, man
sich abmelden muss, wenn man zum Arzt geht – und dass Ausbilderin und Sprachlehrerin
Respektspersonen sind. Die Ausbilder als tägliche Ansprechpartner sind da gefordert.
In Bayern bietet deshalb das Programm IdA – Integration durch Ausbildung und Arbeit
ganz systematisch und kostenfrei für die Firmen, die Flüchtlinge einstellen möchten, ne-
ben der Beratung auch eine Ausbilderqualifikation an. Die Vereinigung der Bayerischen
Wirtschaft und das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft unterstützen die bran-
chenübergreifenden Aktivitäten finanziell. Von sieben Standorten in Bayern, Franken
und Schwaben aus knüpfen IdA-Navigatoren Netzwerke mit Bildungsanbietern wie dem
Bildungswerk und den Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (BBW
und dem BFZ), die eintägige Kurse für Ausbilder gestalten.
In anderen Bundesländern sind die Industrie- und Handelskammern (IHK) eine direkte
Anlaufstelle für Ausbilder. Wenn Unternehmen sich im DIHK-Netzwerk „Unternehmen in-
tegrieren Flüchtlinge“ registrieren, können Ausbilder sich auf der Online-Plattform oder
auf regionalen Veranstaltungen austauschen. Praxisbeispiele und Rechtsauslegungen
sind gefragte Inhalte. Unterstützt wird das Netzwerk vom Bundeswirtschaftsministeri-
um. Ebenfalls vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert werden Willkommenslotsen,
die Firmen und ihre Ausbilder in Flüchtlingsfragen beraten. Die Lotsen sind bei der IHK
angesiedelt und bei den Handwerkskammern. Sie geben konkrete Tipps vom Rekrutie-
ren bis zum juristischen und kulturellen Basiswissen.
Auf Weiterbildung durch Erfahrungsaustausch setzt auch die DGFP. Sie hat sich mit der
Bundesagentur für Arbeit und dem Amt für Migration und Flüchtlinge zusammengetan
und informiert über die Kandidatensuche wie über den Rechtsrahmen. Die nächsten
Termine für Personaler und die Ausbilder unter ihnen sind für den Herbst geplant. Eine
Frage, die dann sicher wieder auftauchen wird, tangiert die Sicherheit: Wie verhindere
ich es, einen Schläfer als Azubi einzustellen?
Ausbilder ausbilden
QUALIFIKATION
Für die Ausbildung wurde der Status der Duldung etwas planungssicherer definiert.
Ausbildungsbegleitende Hilfen (abH): Den Antrag muss der Auszubildende stellen.
Bilderwörterbücher helfen, wenn die Sprache noch nicht ausreicht. Beispiele gibt es für
die KFZ-Branche, die Gastronomie und ab Herbst fürs Handwerk.
LINK-TIPPS
VIDEO
In einem Video in der App sehen Sie,
wie die Deutsche Bahn Flüchtlinge als
Arbeitskräfte integriert.
© YOUTUBE
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