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personalmagazin 03/17
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RECHT
_KÜNDIGUNGEN
Es zählt alleine die Zukunft. Dem Mit-
arbeiter wird frühzeitig erklärt, dass
er zum Beispiel in neun Monaten nicht
mehr im Unternehmen wird arbeiten
können. Gleichzeitig wird ihm im Ge-
spräch die Angst genommen und die
volle Unterstützung auf demWeg in eine
neue berufliche Zukunft zugesichert,
idealerweise mit dem Ergebnis eines
Anschluss-Jobs. Neu ist, dass das Unter-
nehmen keine Abfindung zahlt – zumal
ein genereller gesetzlicher Anspruch
darauf grundsätzlich nicht existiert und
sich der Betrag durch die Besteuerung
auch erheblich verringert. Vielmehr
stellt das Unternehmen ein der Netto-
Abfindung entsprechendes Budget für
Weiterbildungen zur Verfügung, das
regelmäßig gar nicht ausgeschöpft wird.
Dadurch entstehen der Firma Kostenvor-
teile bis zu 50 Prozent und mehr. Zudem
versichert der Mitarbeiter, bis zuletzt zu
arbeiten. Im Gegenzug steht ihm genug
Zeit für seine berufliche Zukunft zu.
personalmagazin:
Warum lässt sich ein
Mitarbeiter darauf ein und klagt nicht?
Balfanz:
Wir informieren früh und er er-
hält die Unterstützung des Unterneh-
mens. Das nimmt die Zukunftsangst,
zumal nur wenige innerhalb der Kündi-
gungsfrist einen neuen Job finden. Und:
Bei einer Anschlussbeschäftigung wird
er nicht bloßgestellt. Er verlässt die Fir-
ma für einen neuen Job – nicht wegen
einer Entlassung. Zudem bleibt ja die
Alternative, auf Wunsch einen Teil des
Budgets als Abfindung zu erhalten.
„Konfliktfreie Trennung als Ziel“
INTERVIEW.
Der heute übliche Kündigungsprozess sei teuer für Unternehmen und
unbefriedigend für Mitarbeiter, meint Harald Balfanz. Dabei ginge es auch anders.
personalmagazin:
Die Umfrage zur Kündi-
gungspraxis zeigt, dass Vorgesetzte das
Kündigungsgespräch gerne abgeben oder
Unternehmen Abfindungen sowie Krank-
meldungen bei Kündigungen in Kauf
nehmen. Warum ist das ein Problem?
Harald Balfanz:
Weil am Ende weder die
beste Lösung für den Mitarbeiter noch
für das Unternehmen steht. Im Prozess
der Kündigung schlummert noch viel
Potenzial: Unternehmen können sich
einen Großteil der heutigen Kosten im
Zusammenhang mit Kündigungen spa-
ren, Mitarbeiter können zufrieden das
Unternehmen verlassen.
Das Problem
am heute standardmäßigen Kündi-
gungsprozess ist der Blick in die Ver-
gangenheit: Der Mitarbeiter habe dies
nicht gut gemacht, jenes sei schiefgelau-
fen et cetera. Dies kann aber jeder an-
ders wahrnehmen, weshalb ein Konflikt
vorprogrammiert ist. Streit führt jedoch
meist zu keiner Lösung, die dem Bedürf-
nis der Beteiligten gerecht wird. Daher
ist ein konfliktfreies Vorgehen wichtig.
Tatsächlich ist das Vorgehen heute je-
doch juristisch geprägt. Meist kostet die
Vorbereitung und Durchsetzung einer
Kündigung aber viel Zeit und Geld, etwa
wegen einer Krankheit oder Freistel-
lung des Mitarbeiters oder der schlech-
ten Einarbeitung eines Nachfolgers.
personalmagazin:
Wie können Unterneh-
men diese Kosten vermeiden?
Balfanz:
Im Kündigungsprozess spielen
die Ängste der Beteiligten eine große
Rolle. Die Führungskraft fürchtet im
Kündigungsgespräch um ihr Ansehen,
daher wird das gerne an HR abgegeben.
Das Management wiederum fürchtet,
dass ein Gekündigter demUnternehmen
schaden könnte, weshalb es zu Freistel-
lungen kommt. Und der Mitarbeiter hat
Angst vor der beruflichen Zukunft und
einer finanziellen Unsicherheit. Entwi-
ckelt sich diese, führt sein erster Weg
zum Arzt, um Zeit zu gewinnen und
sein zweiter zum Anwalt. Macht man
sich diese Ängste jedoch bewusst, ist
eine konfliktfreie – und damit eine für
alle günstige – Trennung möglich.
personalmagazin:
Wie geht das konkret?
Balfanz:
Wir haben eine Vorgehensweise
entwickelt, die wir „Kündigen neu den-
ken“ nennen. Das Prinzip ist simpel,
wenn auch nicht in der Durchführung:
Das Interview führte
Michael Miller.
HARALD BALFANZ
ist Inhaber der Balfanz-
Unternehmensentwicklung und war davor
unter anderem als Personalleiter tätig.