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Skalierung 1 bis 6
Anzahl der Unternehmen
Skalierung 1 bis 6
geachtet, um eine breite Verallgemeine-
rung unserer Forschungsergebnisse er-
zielen zu können. Ganz bewusst haben
wir in unserer Untersuchung keine Start-
up-Unternehmen berücksichtigt – denn
Start-up-Unternehmen bestehen quasi
aus Agilität. Uns interessierte jedoch der
Umgang etablierter Unternehmen mit
dem Thema „Agilität“. Im Forschungs-
projekt haben wir uns zudem gezielt
an das Management gewandt und hier
um Auskunft und Einschätzung zum
Forschungsgegenstand gebeten. Uns ist
bewusst, dass die Auskunft und Einschät-
zung der Mitarbeiter anders ausfallen
kann. Hierauf wollen wir uns in einem
ergänzenden Forschungsprojekt konzen-
trieren. Insgesamt haben sich 108 Unter-
nehmen an der Befragung beteiligt.
Gefühlt hochagile Organisationen
Agiles Management gilt insbesondere
für Unternehmen in sehr dynamischen
Branchen, in einem sehr dynamischen
Marktumfeld, als geeignete Form der
Unternehmensführung. Wir haben zu-
erst untersucht, welche Unternehmen
sich in einem dynamischen, von stetiger
Veränderung und neuen Herausforde-
rungen geprägten Umfeld bewegen und
welche eher nicht. Der Befund war ein-
deutig (siehe Grafik „Marktumfeld und
Agilität“): Nahezu 90 Prozent der unter-
suchten Unternehmen beschreiben ihr
Marktumfeld als sehr dynamisch und
nur gut zehn Prozent als eher wenig
dynamisch. Die aktuelle Forschung legt
nahe, dass Unternehmen, die in sehr dy-
namischen Branchen und Industrien ak-
tiv sind, ein hohes Maß an Agilität auf-
weisen müssen, um wettbewerbsfähig
zu sein. Auch hier haben wir um eine
Selbsteinschätzung gebeten: Die Unter-
nehmen stuften sich auf einer Skala von
eins (sehr agil) bis sechs (wenig agil) als
tendenziell sehr agil ein (siehe Grafik
„Marktumfeld und Agilität“).
Wie erreichen die Unternehmen die
notwendige Agilität? John Kotter, Profes-
sor an der Harvard University und Vor-
denker im Change Management, stellt
fest, dass etablierte Unternehmen beides
benötigen, Stabilität und Agilität (mehr
dazu lesen Sie in Ausgabe 07/2016):
Stabilität, um das Bestandsgeschäft ef-
fizient und stabil durchzusteuern, und
Agilität, um in iterativen Prozessen mit
den Herausforderungen der Gegenwart
umzugehen. Er spricht in diesem Zu-
sammenhang auch von einem „dualen
Betriebssystem“. Uns hat interessiert, ob
wir in den Unternehmen Formen dualer
Betriebssysteme finden oder ob es ande-
re Muster gibt, die erklären helfen, wie
Unternehmen Agilität erreichen.
Hierarchische Strukturen dominieren
Vielfach ist zu lesen, dass starre Hier-
archien ausgedient haben und Agilität
kontraproduktiv entgegenstehen. Die
Mehrheit der untersuchten Unterneh-
men stützt diese Einschätzung nicht. 84
von 108 Unternehmen gaben an, dass
sie über sehr ausgeprägte und starre
Hierarchien verfügen. Nur sechs Unter-
nehmen verfügen demnach über wenig
hierarchische Strukturen. Vergleichbare
Werte gibt es hinsichtlich des sogenann-
ten „Silo-Denkens“. 41 Prozent der Unter-
nehmen gaben an, ein stark ausgeprägtes
Silo-Denken im Unternehmen vorzufin-
den, 59 Prozent ein mittelstark ausge-
prägtes Silo-Denken zu kennen und kein
Unternehmen gab an, geringes oder über-
haupt kein Silo-Denken zu haben. Von
einer breiten Ablösung hierarchischer
Strukturen durch virtuelle Netzwerke,
wie sie Konzepte für agiles Management
vorsehen, kann also nicht die Rede sein.
Interessant ist auch die Tatsache, dass
Unternehmen weiterhin am Konzept der
individuellen Zielvereinbarung festhal-
ten. Diese ist in zwei Drittel der unter-
suchten Unternehmen gängige Praxis.
Interessant ist dieser Befund, weil agile
Management-Konzepte das Team in den
Vordergrund stellen und nicht das Indi-
viduum. Individuelle Zielvereinbarungen
wirken unserer Überzeugung zufolge in
agilen Teamstrukturen eher kontrapro-
duktiv und störend. Die Befunde lassen
vermuten, dass der überwiegende Teil
der Unternehmen, bei aller vorherrschen-
den Branchendynamik, in Industrien mit
tendenziell stabilen Geschäftsmodellen
verortet werden kann.
Neben der Organisationsstruktur rü-
cken agile Managementkonzepte die
Unternehmenskultur in den Blickpunkt.
Es ist Konsens, dass agiles Management
eine Kultur des Ausprobierens benötigt.
© BSWEI / THINKSTOCKPHOTOS.DE
Die Mehrheit der befragten Unternehmensvertreter schätzt das Marktumfeld ihrer Orga-
nisation als stark dynamisch ein (oben) – und ihr Unternehmen als sehr agil (unten).
QUELLE: KNESE CONSULTING
MARKTUMFELD UND AGILITÄT
Anzahl der Unternehmen
stark dynamisches Marktumfeld
wenig dynamisches Marktumfeld
1
6
5
4
3
2
12
0
3
9
30
54
Marktumfeld der betrachteten Unternehmen
1
6
5
4
3
2
12
0
0
15
15
66
Grad der Agilität in den betrachteten Unternehmen
Median
n = 108 Unternehmen
n = 108 Unternehmen
sehr agiles Unternehmen
wenig agiles Unternehmen
Median
1...,21,22,23,24,25,26,27,28,29,30 32,33,34,35,36,37,38,39,40,41,...84
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