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ANBIETERSTIMMEN
Der Mindestlohn als Feigenblatt
STIMMEN. Equal Pay und Mindestlohn: Auf dem Zeitarbeitsmarkt ist viel in
Bewegung. Wie sich das auf die Praxis auswirkt, erläutern Marktteilnehmer.
ge als Benchmark für den Mindestlohn
herangezogen wurde. Übrigens nicht
nur für die Zeitarbeitsbranche, sondern
auch in der Diskussion um einen allge-
meinen gesetzlichen Mindestlohn. Bei
Equal Pay geht es nicht um die Frage, ob
es kommt. Die Frage ist vielmehr, wann
und in welcher konkreten Ausgestaltung
Equal Pay kommt. Wir befürworten das
Prinzip ausdrücklich. Und wir wünschen
uns eine tarifvertragliche Regelung, da
die Sozialpartner die Besonderheiten
der Branche viel gezielter berücksichti-
gen können. Eine Equal-Pay-Regelung,
die alles über einen Kamm schert, birgt
extrem viele Fallstricke – auch zulas-
ten der Mitarbeiter. Auch Equal Pay hat
‚Gerechtigkeitslücken‘. Ein Beispiel: Ein
Lagerarbeiter in der Metallindustrie
wird nach IG-Metall-Tarif bezahlt und
verdient damit mehr als ein Lagerist im
Einzelhandel. Als Personaldienstleis-
ter überlasse ich ihn erst in die Metall-
branche und dann in den Einzelhandel.
Reines Equal Pay bedeutet in diesem Fall
eine echte Einkommensdiskrepanz. Nur
ein Aspekt, den eine Equal-Pay-Lösung
berücksichtigen muss. Was die Arbeit-
nehmerfreizügigkeit betrifft: Den großen
Run auf den deutschen Arbeitsmarkt aus
den osteuropäischen Nachbarstaaten hat
es nicht gegeben. Etwa 60.000 Kräfte aus
diesen acht EU-Staaten sind zwischen
Mai und Dezember 2011 zusätzlich in
Deutschland sozialversicherungspflich-
tig angestellt worden, 9.200 davon in der
Zeitarbeit. Das entspricht 0,8 Prozent al-
ler Erwerbstätigen. Ein erheblicher Teil
dieser Beschäftigten lebte allerdings
schon vor Mai 2011 in Deutschland.
Ein ganz praktisches Hindernis bei der
Integration osteuropäischer Bewerber
sind fehlende Sprachkenntnisse. Ein
zweites Hindernis ist die schwierige Ver-
gleichbarkeit der Ausbildungen. Hier ist
allerdings die Politik gefragt, länderüb-
ergreifende Standards zu schaffen.“
Manpower: Lohndumping verhindern
Vera Calasan richtet ihr Augenmerk
nach Osteuropa und meint dazu: „Mit
Blick auf die Freizügigkeit für Arbeit-
nehmer aus acht osteuropäischen Län-
dern, die seit Mai 2011 gilt, befürwortet
Manpower einenMindestlohn für unsere
Branche, um Lohndumping zu verhin-
dern. Für Mitgliedsunternehmen der
Branchenverbände BAP und IGZ be-
wirkte die am 1. Januar 2012 in Kraft
Von
Daniela Furkel
(Red.)
S
eit Januar 2012 gilt ein Mindest-
lohn für alle Zeitarbeitnehmer.
Wie wirkt sich dieser auf die
Praxis aus? Und wie hoch ist die
Wahrscheinlichkeit, dass Equal Pay für
die Zeitarbeit eingeführt wird? Wie kann
der Equal-Pay-Grundsatz überhaupt um-
gesetzt werden? Außerdem: Wie hat sich
die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb
der EuropäischenUnion im Jahresverlauf
auf die Branche ausgewirkt? All das sind
Fragen, die Zeitarbeits- und Kundenun-
ternehmen beschäftigen. Wir baten vier
Anbieter um ihre Einschätzung.
Orizon: Equal Pay birgt Fallstricke
Dr. Dieter Traub sieht im Mindestlohn
kaum Effekte für die Zeitarbeit: „Nüch-
tern betrachtet ist der gesetzliche Min-
destlohn ein politisches Feigenblatt. Er
entspricht exakt der untersten Entgelt-
gruppe der 2010er Tarifverträge (BZA/
BAP oder IGZ jeweils mit DGB). Von den
rund 6.000 Personaldienstleistern sind
über 85 Prozent in einem der Verbände
organisiert. Das heißt, 15 Prozent der
Zeitarbeitsunternehmen werden durch
den Mindestlohn reglementiert. Das
Charmante an der politischen Diskussi-
on war ja genau die Tatsache, dass die
niedrigste Entgeltgruppe unserer Verträ-
„Für Arbeitnehmer aus Osteuropa ist
Deutschland nicht sehr attraktiv.“
Vera Calasan, Vorsitzende der Geschäftsführung Manpower Group
„Die Frage ist nicht, ob Equal Pay
kommt, sondern wann es kommt.“
Dr. Dieter Traub, CEO Orizon GmbH