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PERSONALRISIKEN
TITEL
05 / 12 personalmagazin
ist Geschäftsführender
Gesellschafter von J. M.
Kobi & Partner in Stäfa
am Zürichsee.
Dr. Jean-Marcel Kobi
BUCHTIPP
Das Buch zum Personalrisiko-
management von Jean-Marcel Kobi
erscheint demnächst in dritter,
völlig überarbeiteter Auflage. Darin
wird das Personalrisikomanage-
ment umfassend dargestellt.
Nicht nur Kennzahlen sind Messgrößen für HR-
Risiken. Auch Indikatoren aus Befragungen und
Beurteilungen von Standards sind einzubeziehen.
einer überschaubaren Zahl von Erfolgs-
parametern, die die zentralen Personal-
risiken vertieft abdecken. Kriterien für
die Auswahl der Messgrößen sind Stra-
tegieorientierung, Aussagekraft und Be-
einflussbarkeit.
Drei Arten von Messgrößen beachten
Am gebräuchlichsten sind Kennzahlen.
Sie bewegen sich meist im operativen
und quantitativen Bereich. Dazu gehö-
ren beispielsweise Strukturdaten und
Kosten sowie traditionelle Kennzahlen
wie Fluktuation oder Absenzen.
Standards definieren Grenzwerte
oder Bandbreiten, die nicht über- oder
unterschritten werden sollten. Wie weit
die in Standards konkretisierten Spiel-
regeln eingehalten werden, kann zwar
weniger in Zahlen gemessen, aber sehr
wohl durch ein Risikoteam, ein „Self As-
sessment“ oder durch Dritte beurteilt
werden. Voraussetzung sind überprüf-
bare Standards, die zeigen, was konkret
erwartet wird. Sie sind anspruchsvoller
als Kennzahlen, weil sie die Entwick-
lung einer maßstabbildenden Sollvor-
stellung voraussetzen. Die Aussage,
Interne sollten bei der Besetzung von
Führungspositionen den Vorrang haben,
kann durch den Standard verdeutlicht
werden, dass 75 Prozent der Stellen in-
tern zu besetzen sind. Der Grundsatz
der Flexibilität aller Mitarbeiter findet
möglicherweise seinen Niederschlag im
Standard, dass der Verbleib in der glei-
chen Funktion alle sieben Jahre grund-
sätzlich überdacht wird.
Indikatoren aus Befragungen fassen
die Ergebnisse ausMitarbeiter- oder Kun-
denbefragungen in verdichteter Form
zusammen. Gerade die weichen, quali-
tativen Aspekte wie Commitment, Füh-
rungsqualität oder Kundenzufriedenheit
lassen sich am besten über Befragungen
abdecken. So wie die Kundenzufrie-
denheit in den meisten Unternehmen
schon lange gemessen wird, muss auch
der Grad der Serviceorientierung von
Dienstleistungsabteilungen, wie HR, bei
den internen Kunden erfragt werden. HR
muss sich künftig vermehrt selbst be-
urteilen lassen. Mitarbeiterbefragungen
sind viel konsequenter in den Dienst des
Personal-Controllings und der Personal-
risikobeurteilung zu stellen.
Die einzelnen Risiken steuern
Erkannte Risiken sind natürlich noch
lange nicht gebannt. Erst wer sie aktiv
und frühzeitig steuert, kann den Ernst-
fall vermeiden. Ein Unternehmensbei-
spiel zeigt zum Abschluss, wie eine
solche Risikosteuerung aussehen kann.
Ein mittelständisches Pharmaunter-
nehmen hatte das Austrittsrisiko als
zentrales Personalrisiko erkannt und
dafür Messgrößen definiert. Als Steue-
rungsmaßnahme hat das Unternehmen
ein Retentionmanagement eingeführt.
Ziel war es, Schlüsselpersonen und
Leistungsträgern gute Gründe für einen
Verbleib im Unternehmen zu geben so-
wie Fluktuationskosten und Know-how-
Verlust zu vermeiden.
Dafür hat das Unternehmen zuerst die
Austrittsgründe näher analysiert. Be-
sonderer Wert wurde auf ein individua-
lisiertes und zielgruppenspezifisches
Vorgehen gelegt. Darum war es wichtig,
die Vorgesetzten darin zu schulen, die
individuellen Bedürfnisse der Mitar-
beitenden wahrzunehmen. Außerdem
zeigte man den Mitarbeitern durch
Standortbestimmungsmöglichkeiten
und eine möglichst weitgehende Beset-
zung von Schlüsselfunktionen die inter-
nen Perspektiven auf.
Bei den Arbeitgeberleistungen wurde
wenig Handlungsbedarf festgestellt. Das
Unternehmen versuchte sich aber durch
ein paar außergewöhnliche und indivi-
dualisierte Leistungen, zum Beispiel
„Jokertage“, zu profilieren. Die zentra-
le Retentionmaßnahme bestand in der
Investition in die Führungsqualität. Sie
wurde konsequent gefördert, aber auch
gemessen und belohnt. Das Unterneh-
men schaffte Klarheit darüber, welche
Werte und welche Kultur im Unterneh-
men gelebt werden sollte, und die Vorge-
setzten wurden angehalten, ein Beispiel
zu geben. Grundlage bildete ein Klima
von Vertrauen und Sicherheit. Beson-
deres Gewicht erhielt zudem eine lang-
fristig angelegte Personalentwicklung.
Die Arbeit wurde so weit wie möglich auf
die Bedürfnisse der Mitarbeiter ausge-
richtet und Arbeitszeiten flexibilisiert.
Das Beispiel zeigt, dass Unternehmen
das Rad nicht neu erfinden müssen, um
bestimmte Personalrisiken nachhal-
tig zu steuern. So lange sie aber nicht
genau wissen, welche Risiken auf sie
zukommen können, werden solche Maß-
nahmen immer zu spät kommen. Das
Personalrisikomanagement ist selbst
eine Präventionsmaßnahme.