Seite 36 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2015_01

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ENERGIE UND TECHNIK
Smart City
Die Vision der vernetzten Stadt
Ein Schlagwort geht um in Deutschland: Smart City - die Vision einer vernetzten, effizienten Stadt,
in der Mobilität, Energiedienstleistungen, Abfallentsorgung und wohnungsnahe Services unter Einsatz
modernster Kommunikationsmittel miteinander vernetzt sind. Sie begeistert Techniker und entsetzt
Datenschutzbeauftragte. Auch die Wohnungswirtschaft muss sich fragen, wie sie sich zur Perspektive
einer Smart City verhalten will.
Oktober 2014, Messegelände in Frankfurt amMain.
Weit über tausend Softwareentwickler, Ingenieure
undTechniker sind auf Einladung des Verbandes der
Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik
(VDE) zumKongress „Smart Cities“ an denMain ge-
kommen. In den Vorträgen geht es umSmart Grids
und Smart Buildings, umVernetzung undNormung.
Und man ist sich einig: Die Smart City (wörtlich:
die schlaue Stadt) ist die adäquate Antwort auf die
Herausforderungen der Zukunft.
Die Hoffnung auf die Chancen der Vernetzung
treibt auch andere Akteure um. Zahlreiche Ver-
anstaltungen und Veröffentlichungen kreisen
derzeit um den Begriff der Smart City, und Städte
auf der ganzenWelt nehmen für sich in Anspruch,
eine Smart City zu sein oder zumindest werden
zuwollen. Dabei ist schwer auseinanderzuhalten,
was bloßes Wortgeklingel ist und was ernsthaftes
Bemühen – dennwas der Begriff der Smart City be-
deutet, ist nicht eindeutig definiert. „Eine Smart
City“, fasst Jens Libbe vomDeutschen Institut für
Urbanistik (Difu) ihr Wesen zusammen, „ist eine
Stadt, in der durch den Einsatz innovativer (vor
allem IuK-)Technologien intelligente Lösungen
für ganz unterschiedliche Bereiche der Stadt-
entwicklung (Infrastruktur, Gebäude, Mobilität,
Dienstleistungen oder Sicherheit) erzielt werden.“
Beispiele aus Bottrop, Berlin und Hamburg
Was das konkret bedeutet, zeigen Beispiele aus
deutschen Städten. In Bottrop setzt die Innova-
tion City Ruhr zahlreiche Ansätze der Smart City
um. Die 2010 gestartete Initiative umfasst Pro-
jekte u. a. aus den Bereichen Wohnen, Energie,
Mobilität und Arbeit und setzt dabei auf inno-
vative, effiziente Lösungen. Eine wichtige Rolle
spielt dabei die Wohnungswirtschaft; so hat zum
Beispiel die Vivawest ein Bestandsgebäude aus
den 1960er Jahren zu einem Plusenergiehaus
umgebaut.
In Berlin ist es der Euref-Campus, der smarte
Technologien anwendet. Auf diesem ehemaligen
Gasometer-Areal will die vom Investor und Archi-
tekten Reinhard Müller getragene Euref AG die
Vision eines CO
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-neutralen Stadtviertels in die Tat
umsetzen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die
Vernetzung von effizienten Gebäudestrukturen,
dezentraler Energieerzeugung undMobilität: Auf
demGelände ist eine Flotte von Elektroautos und
Pedelecs angesiedelt, die den vor Ort erzeugten
Stromzwischenspeichern. Auch in der Hamburger
Hafencity steht die Verknüpfung intelligenter Ge-
bäude- und Mobilitätskonzepte im Vordergrund.
So verpflichten sich die Bauherren zumBeispiel, in
den Tiefgaragen 30% der Stellplätze mit Ladein-
frastrukturen für Elektrofahrzeuge auszustatten
und sich an der Umsetzung von Carsharing-Sys-
temen zu beteiligen. Auffällig ist, dass diese drei
Projekte auf die Verwendung des Begriffs Smart
City verzichten. Der Begriff sei „ein bisschen ver-
brannt“, begründet dies Rüdiger Schumann, Be-
reichsleiter Marketing und Kommunikation bei der
Innovation City Management GmbH in Bottrop;
jeder verstehe etwas anderes darunter. „Smart
City ist ein Schlagwort, das zu sehr auf technische
Lösungen verengt wird“, argumentiert Prof. Jür-
gen Bruns-Berentelg, Vorsitzender der Geschäfts-
führung der Hafencity Hamburg GmbH. „Wir be-
vorzugen den Begriff der intelligenten Stadt.“
Konzerne als Treiber
Auch Kommunen setzen auf das Konzept der Smart
City. Im Ausland gelten u. a. Amsterdam, Barce-
lona und Santander als Vorreiter dieses Ansatzes,
während in Deutschland zum Beispiel Karlsruhe
eine Smart-City-Initiative lanciert hat. Auch
Berlin hat eine solche Strategie entwickelt, und
Hamburg hat im vergangenen Frühjahr mit dem
Softwarekonzern Cisco ein „Smart City Memo-
randum of Understanding“ unterzeichnet. Diese
Absichtserklärung sieht die Entwicklung von Pilot-
projekten rund umVerkehr, intelligente Steuerung
von Straßenbeleuchtung, sensorgestützte Infra-
struktur und Bürgerdienstleistungen vor.
Dass mit Cisco ein Wirtschaftsunternehmen
diese Strategie maßgeblich vorantreibt, ist kein
Einzelfall. Auch IBM, Siemens und zahlreiche an-
dere Technologiekonzerne haben sich demThema
Smart City verschrieben. Der Grund dafür liegt auf
der Hand: „Smart Cities haben natürlich auch eine
wirtschaftliche Dimension“, sagt VDE-Präsident
Dr. JoachimSchneider. „Allein in Deutschlandwird
das Marktvolumen bis 2030 auf einen dreistelligen
Milliardenbetrag geschätzt.“
Doch gegen diese Führungsrolle derWirtschaft regt
sich Widerstand. „Problematisch sind die Bemü-
hungen nationaler Normungsorganisationen zur
Durchsetzung von Standards der Smart City“, er-
läutert Difu-Experte Jens Libbe. „Hierwerdenmehr
oderweniger unverblümt Interessen global tätiger
Konzerne verfolgt.“ Ähnlich argumentiert Hilmar
von Lojewski vom Deutschen Städtetag, in einem
in „Städtetag aktuell“ (9/2013) veröffentlichten
Beitrag: „Konzepte für die Städte von morgen be-
dürfen keiner rein technischen ,Smartness´“, hält
von Lojewski fest. „Vielmehr sind auch die sozia-
len und ökologischenAspekte zu berücksichtigen.“
Dieser „integrierte Entwicklungsansatz im Sinne
Christian Hunziker
freier Immobilienjournalist
Berlin