Seite 81 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2014_12

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12|2014
GrEStG §§ 1, 8, 9; WEG § 16
Instandhaltungsrücklage
und Grunderwerbsteuer
1. Im Falle des Erwerbs von Wohnungseigentum im Wege der
Zwangsversteigerung mindert anders als beim rechtsgeschäftlichen
Erwerb eine bestehende Instandhaltungsrücklage die Bemessungs-
grundlage der Grunderwerbsteuer nicht. Bei Zwangsvollstreckungen
gibt es keinen erkennbaren Teil des Meistgebotes, der sich auf die
Instandhaltungsrücklage bezieht.
2. Die Rücklage steht nicht dem einzelnen Wohnungseigentümer zu,
sondern ist Verwaltungsvermögen. Es handelt sich wirtschaftlich um
Vorauszahlungen der Wohnungseigentümer auf zukünftige Instand-
haltungsaufwendungen. Sie ist in der Versteigerungspraxis regelmä-
ßig nicht Gegenstand des Verfahrens.
Finanzgericht Leipzig, Urteil vom 2.4.2014, 2 K 1663/13
(zur Zeit Revision beim BFH, Az. II R 27/14).
Bedeutung für die Praxis
Das Gericht differenziert zwischen Erwerb durch Zuschlag in der Zwangsver-
steigerung und rechtsgeschäftlichem Erwerb. Das überzeugt nicht. Tatsächlich
ist das Vorhandensein und die angemessene Höhe der Instandhaltungsrücklage
ein in beiden Fällen gleichbedeutender wertbildender Faktor. Jedoch sind die
Rücklagen beim rechtsgeschäftlichen Erwerb vereinzelt ausdrücklich Gegen-
stand der notariellen Erwerbsverträge. Dies beruht auf einer Verkennung der
Rücklage als Teil des Verwaltungsvermögens des Verbands, der
nicht auf den Erwerber quotal übertragen werden kann.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
BGB §§ 242, 985, 1004; WEG § 15 Abs. 3
Verwirkung der Herausgabe
einer Sondernutzungsfläche
Ansprüche auf Herausgabe bzw. Räumung einer Teilfläche (hier: „Drei-
ecksstreifen“) der von einem Mitwohnungseigentümer beanspruchten
Sondernutzungsfläche können gemäß § 242 BGB verwirkt werden. Ge-
genstand der Verwirkung können dabei auch einzelne Ansprüche aus
einem dinglichen Recht sein, ebenso Ansprüche aus § 15 Abs. 3 WEG.
Wenn es nicht um die Verwirkung des Herausgabeanspruchs eines
Eigentümers geht, durch den der Kernbestand des Eigentums selbst
betroffen wird, sondern nur um Fragen der konkreten Nutzung des ge-
meinschaftlichen Eigentums, können Wohnungseigentümer insoweit
konkludent oder ausdrücklich einer abweichenden Nutzung zustim-
men; sie begeben sich u. U. des Rechts, dies später zu unterbinden.
LG Hamburg, Urteil vom 9.7.2014, 318 S 120/13
Bedeutung für die Praxis
Gegenstand der Verwirkung können auch Ansprüche aus § 15 Abs. 3 WEG
sein, nicht jedoch das Eigentumsrecht selbst. Die Sondernutzungsfläche
ist weiterhin Gemeinschaftseigentum, d. h. gar nicht sondereigentums-
fähig. Nur die Verwirkung des Herausgabeanspruchs eines Eigentümers
würde unzulässig den Kernbestand des Eigentums selbst betreffen. Geht
es nur um Fragen der konkreten teilungserklärungswidrigen Nutzung des
gemeinschaftlichen Eigentums, dann kommt bei Vorliegen von Zeit- und
Umstandsmoment eine Verwirkung in Betracht. Der Berechtigte ist gut
beraten, sein Recht regelmäßig geltend zu machen, um auf Seiten des Nut-
zenden kein Vertrauen aufzubauen. Sonst gibt der Klügere
so lange nach, bis er der Dumme ist.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
BayBO Art. 59, Art. 68 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1, VwGO §§ 34, 42 Abs. 2 , WEG § 10 Abs. 6 S. 1
Klagebefugnis der Wohnungseigentümer gegen Baugenehmigung?
Sondereigentümer sind selbst bei einer rechtswidrigen Inanspruchnahme des WEG-Grundstücks nicht klage- und antragsbefugt,
§ 42 Abs. 2 VwGO. Bei der Abwehr von Beeinträchtigungen des im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Grundstücks (§ 1 Abs. 5 WEG)
handelt es sich um Maßnahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 WEG). Zur Wahrnehmung entsprechender
Rechte gegenüber Dritten ist gemäß § 10 Abs. 6 Satz 1 bis 3 WEG die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer befugt. Diese Befugnis
kann im verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsrechtsstreit nicht rechtsgeschäftlich dergestalt auf Dritte übertragen werden, dass diese
fremde Rechte – hier der insoweit rechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – in eigenem Namen geltend machen können.
§ 42 Abs. 2 VwGO verlangt für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage, dass der Kläger die Verletzung eigener Rechte geltend macht.
Eine gewillkürte Prozessstandschaft ist im Anfechtungsrechtsstreit ausgeschlossen.
BayVerwGH, Beschluss vom 24.7.2014, 15 CS 14.949
WEG-RECHT
Bedeutung für die Praxis
§ 10 Abs. 6 Satz 3 WEG weist die Befugnis zur Wahrnehmung gemein-
schaftsbezogener Abwehrrechte der insoweit rechtsfähigen Gemein-
schaft der Wohnungseigentümer zu. Der einzelne Eigentümer kann
vor den Verwaltungsgerichten auch bei Baugenehmigungen zugunsten
Dritter/Nachbarn keine Alleingänge starten. Das Sondereigentum nach
WEG schließt öffentlich-rechtliche Nachbarschutzansprüche innerhalb
der Gemeinschaft der Miteigentümer desselben Grundstücks aus. Dies
gilt auch gegenüber Störungen, die ein nicht zur Eigentümergemein-
schaft gehörender Dritter bei der baulichen Nutzung des gemeinschaft-
lichen Grundstücks verursacht (BVerwG, Grundeigentum
1998, 1469).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg