Wirtschaft und Weiterbildung 10/2016 - page 52

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wirtschaft + weiterbildung
10_2016
verpflichtet. Platons Ideenlehre gehört
hierher, der Buddhismus und auch
das Tao. Die Intuition sagt: „Widme
dein Leben der Idee des Guten“ oder
„Lass ab von Hass, Gier und Verblen-
dung“ oder „Gehe deinen Weg“. Viele
Künstler, Erfinder und Pioniere sind
hoffnungslos rechtshirndominant und
„spinnig“. Ich ja auch.
• Der Instinkt im Bauch funktioniert wie
ein Sensorensystem, sehr binär. Der
Bauch signalisiert „Gefahr Ja/Nein“,
„Chance Ja/Nein, „Kaufen Ja/Nein“.
Der Bauch weiß insbesondere, was
Schmerz und Lust ist, was Bock macht
oder langweilig ist.
Stichwort „Digitalisierung“. Wird man
künftig auch von Robotern Intuition
erwarten dürfen?
Dueck:
Das Problem der ganzen Digitali-
sierung ist, dass Computer programmiert
werden müssen. Man muss ihnen dazu
tonnenweise Regeln beibringen. Wir kön-
nen ihnen zumindest heute noch keine
Intuition einpflanzen, sie körperlich Lust
und Schmerz spüren lassen oder ihnen
Gefühle wie etwa Angst beibringen. Also
stopfen wir sie mit Regeln, Zahlen, Listen
und Daten voll und füllen sie mit Wenn-
dann-Vorschriften. Maßnahmen des Ma-
nagements heißen dann „Programme“.
Innovationen werden nicht nach Ge-
schäftssinn behandelt, sondern in Pro-
zesskaskaden von der Idee zum Prototyp,
zur Investitionsentscheidung, dann zum
Grobplan und dann zum Feinplan. So
geht es nicht! So wird es aber versucht.
Die großen Innovationen sind aber immer
eher intuitiv gewesen. Sehnsucht nach
einer besseren Welt oder der Wille, neue
Kontinente zu erobern, könnten die Digi-
talisierung wirklich bewegen – wenn man
dies endlich einmal zuließe.
Inwiefern könnten uns in Zukunft
Roboter in allen Einzelheiten
vorschreiben, wie wir uns bei der Arbeit
zu verhalten haben?
Dueck:
Wenn die Roboter, die ja per Ver-
stand programmiert wurden, noch Spiel-
raum für Vernunft zulassen, dann ginge
es ja. Leider ist es so, dass die komple-
xeren Arbeiten dauernd von engstirnigen
Anweisungen gestört werden. Top-Ärzte
mit den schwierigen Fällen bekommen
zum Beispiel von ihrem Computer bald
regelmäßig die Frage gestellt, warum sie
nicht das Standardverfahren wählen. Das
hat natürlich im ersten Anlauf nicht ge-
klappt. Es wird soweit kommen, dass die
Top-Leute dauernd begründen müssen,
warum ihre höhere Intelligenz besser ist
als die des Standards. Der Gescheite muss
sich vor dem Dummen rechtfertigen.
Dann macht die Arbeit doch keine Freude
mehr. In den letzten Jahren bei IBM war
ich noch einmal Personalvorgesetzter –
nach über zehn Jahren Unterbrechung.
Ich war schockiert, wie viel Arbeit die
Prozessroboter auf sich ziehen – so viel
ankreuzen, genehmigen und sonder­
genehmigen!
Ihre ganz eigene Art, Philosophie zu
betreiben, nennen Sie „Omnisophie“.
Was verstehen Sie darunter?
Prof. Dr. Gunter Dueck:
Omnisophie –
von omnis (lateinisch: ganz, alle) – ist ein
Kunstwort von mir. Es bedeutet: Antwort
auf alle Fragen. Dabei gehe ich davon
aus, dass der Mensch so etwas wie „drei
Gehirnhälften“ hat. Man sagt ja, dass die
linke Gehirnhälfte den logischen analyti-
schen scharfen Verstand hat, in der rech-
ten sitzt die ganzheitlich und assoziativ
spürende Intuition. Aber dann ist da noch
der menschliche Instinkt – der „Bauch“.
Wenn Sie dem Verstand, der Intuition
oder dem Bauch dieselbe Frage stellen,
bekommen Sie verschiedene Antworten:
• Der Verstand ist mehr auf das Analysie-
ren und Vergleichen angelegt, er wägt
ab, denkt über Gerechtigkeit und Ord-
nung nach, erstellt Regeln, Gebote und
moralische Pflichten, listet Tugenden
und Sünden auf. Aristoteles, Konfuzius
und die katholische Kirche lieben sol-
che Kopfgeburten des Verstands.
• Die Intuition ist kreativ und bunt, sie
erkennt Muster und schafft Neues, sie
fühlt Harmonie und Nichtstimmiges,
sie mag keine Regeln, sondern verlässt
sich auf vage Prinzipien, die sie aber
sehr ernst nimmt. Sie sieht sich der
Ethik, der Ästhetik, dem Frieden und
der Gemeinsamkeit aller Menschen
Über das Grauen in immer
neuen Erscheinungsformen
KEYNOTE SPEAKER.
Die Art des Arbeitens muss neu durchdacht werden. Für dieses
Denken hat Professor Gunter Dueck den Begriff „Metawork“ erfunden. Auf der „Zukunft
Personal“ in Köln wird Dueck einen Vortrag halten, der den Titel „Von Metawork und
Backbrains – Gedanken über intelligentes Arbeiten“ trägt (Dienstag, 18. Oktober, 12 Uhr,
Forum 1, Halle 2.1). In diesem Interview gibt er eine Vorschau auf seine Thesen.
„Der Gescheite muss sich vor dem Dummen
rechtfertigen – da macht die Arbeit doch keine
Freude mehr.“
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