Seite 64 - wirtschaft_und_weiterbildung_2015_02

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grundls grundgesetz
Boris Grundl
64
wirtschaft + weiterbildung
02_2015
„Herr Grundl, was Sie erzählen, kenne ich im
Grunde alles schon.“ Ich zuckte zusammen, als mir
der junge, smarte Mann diese Worte vor den Bug
schoss. In der Signierstunde, direkt nach einem
Vortrag. In mir brodelte es: „Da verbringst du Jahre
damit, dein Thema zu durchdringen, damit andere
davon profitieren, schreibst Bücher, hältst Vorträge,
transformierst Führungsteams mit deiner Akade-
mie, gibst Interviews im TV und Radio – und jetzt
behauptet ein Neunmalkluger, das wäre alles kalter
Kaffee.“ Ich war angefressen.
Ich folgte einem bekannten Psychologen-Rat:
Wenn dich jemand emotional verletzt, suche in
Dir nach dem Grund der Verletzung. Nach einiger
Überlegung wich mein Zorn einer Erkenntnis. Es ist
zu einer Mode geworden, viele Dinge zu kennen.
Viele Methoden, viele Thesen, viele Theorien, viele
Bücher. Gerade in der Weiterbildungsindustrie.
Dabei ist jedem klar: Intellektuelles Wissen (Ken-
nen) produziert noch lange nicht die gewünschten
Ergebnisse (Können). Mit dieser frischen Einsicht
fragte ich ihn: Kennen Sie es, oder können Sie
es?“ Er wurde ruhig. Seine Stirn spiegelte inten-
sives Nachdenken. Schließlich grinste er verlegen,
nickte dankbar und ging davon.
An Intelligenz oder Ehrgeiz mangelte es ihm sicher
nicht. Er hatte einen weit verbreiteten Denkfehler
begangen. Er wollte mehr wissen, weniger wirken
und mittels Rhetorik stärker beeindrucken als
durch Ergebnisse. Er glaubte, der Verstand zählt
mehr als Emotionen, und etwas intellektuell zu ver-
stehen genügt bereits, um es praktisch zu beherr-
schen. Dass alles Erlernte aber aus dem Kopf
zuerst ins Herz und dann in die Tat muss, um die
Welt zu verändern, hatte er noch nicht durchdrun-
gen. Dieser Denkfehler plagt auch die Weiterbil-
dung, wenn sie immer neues Wissen in die Köpfe
pressen will. Oft ist es viel wirkungsvoller, weniges,
dafür umso entscheidenderes Wissen in der Tiefe
umzusetzen.
Erfolgreiches Lernen heißt nicht nur Wissenser-
werb. Es umschließt den langwierigen Prozess der
Durchdringung, damit aus Wissen Wirkung wird.
In diesem unangenehmen Moment wurde mir das
richtig klar. Dieser Dialog brachte es zu Tage: Nicht
das Erzählte reicht. Nur das Erreichte zählt! Unter-
nehmen können noch so viele Persönlichkeitstools
einkaufen und Trainings durchführen – wenn der
Transferprozess schwach ist, bleibt vieles beim
Alten. In Change-Prozessen kämpfen Menschen
wie Don Quichote gegen Veränderungs-Windmüh-
len. Beim Kampf Kopf gegen Bauch gewinnt am
Ende meist der Bauch.
Räumen Sie als Lehrer immer Zeit zum Durch-
dringen ein, wenn Sie Ihre Mitarbeiter
stärker machen wollen. Reduzieren Sie
die Wissensmenge für umso wichtigere
Inhalte. Fordern Sie deren Umsetzung so
lange konsequent ein, bis alles sitzt. Das
ist unbequem, aber erfolgreich. Nehmen
Sie sich die gleiche Zeit, wenn Sie an sich selbst
arbeiten. Unterschätzen Sie niemals den nötigen
Energieaufwand.
Wer jemand ist, verraten niemals seine Worte,
sondern nur nachweisliche Resultate. Wer Humor
erklären kann, bringt Leute nicht automatisch
zum Lachen. Wer im Vertrieb seinen Gesprächs-
leitfaden drauf hat, glänzt noch lange nicht durch
Abschlüsse. Je näher Ihr Wirken an Ihren Worten
ist, desto besser sind Sie.
Paragraf 32
Wichtiger als das
Wissen ist das Können
Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden.
Grundl gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein neues Buch heißt: „Mach mich glücklich. Wie Sie das bekommen,
was jeder haben will“ (Econ Verlag 2014, 246 Seiten, 18 Euro). Boris Grundl beweist, wie leicht und schnell das Verschieben von Verantwortung in eine
zerstörerische Sackgasse führt und die persönliche Weiterentwicklung und damit Glück verhindert.
Sein Wissen sollte man auch
umsetzen können: Nicht das Erzählte
reicht, nur das Erreichte zählt!