grundls grundgesetz
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wirtschaft + weiterbildung
02_2014
„Sie müssen sich mit den Werten der Firma und
ihren Produkten identifizieren!“, proklamiert die
Führungskraft. Oft zitiert. Leicht gesagt. Schwer
erreicht. Die Frage ist: Wie entsteht Identifikation?
Das lässt sich mit einem Blick auf eine Patchwork-
Familie erfassen. Wie lerne ich ein Kind zu lieben
(identifizieren), das nicht meine Gene hat (Ziel von
jemand anderem vorgegeben)?
Der Schlüssel: indem ich mich mit dem Kind
beschäftige. Denn je mehr ich mich ihm gegenüber
öffne und mich ihm widme, desto eher wächst es
mir ans Herz (Identifikation). Aber wenn sich das
Kind nicht auf mich einlässt, wird daraus ebenfalls
nichts. Der Wille beider ist also nötig. Übertragen
auf das Geschäftsleben heißt das: Beide Seiten
müssen sich bemühen – unter Orientierung an der
Führungskraft.
Wie geht das? Geben Sie Ihren Mitarbeitern Raum
und Zeit, sich mit neuen Ideen, Produkten und
Veränderungen zu beschäftigen. Aber fordern Sie
dieses Beschäftigen auch ein. Schon interessant:
Manche Führungscrew zieht sich am Ende einer
Findungsphase auf den Berg Sinai zurück, um
sich auf einen Wandel einzuschwören. Zurück vom
Berge, sollen die Mitarbeiter sofort den Wandel
mitgehen, obwohl ihnen die Zeit des „sich länger
damit beschäftigen“ nicht gegeben wurde. Dass
es dann Widerstände gibt, liegt auf der Hand. Sich
selbst die Zeit geben, den anderen aber nicht: Wie
soll das funktionieren? Das geht nur, wenn die
Mitarbeiter als unmündige Leibsklaven gehalten
werden.
Auch die Identifikation mit einem Menschen ent-
steht nach einer klaren Systematik. Geben Sie
sich stimmig! Mit Ihren Stärken und auch mit Ihren
Schwächen.
Für Ihre Stärken werden Sie respektiert, für Ihre
Schwächen geliebt! Doch bitte stehen Sie zu
ehrlichen Schwächen, nicht zu Schwächen, die
eine verkappte Stärke sein sollen wie etwa Unge-
duld. Nur wenn Sie zeigen, wer Sie wirklich sind,
können Ihre Mitarbeiter selbst herausfinden, was
sie an Ihnen nachahmenswert finden. Lassen
Sie mitreden und mitgestalten, ohne sich in alles
hineinreden zu lassen. So schaffen Sie Raum für
Identifikation. Doch der Mitarbeiter muss sich auch
identifizieren wollen. Machen Sie das klar und for-
dern Sie dies auch ein!
Auch Produkte sind Identifikationsquellen! Ein
Opelaner, der einen Golf fährt, setzt ein schlech-
tes Zeichen. Wenn ein paar Opelaner einen Golf
fahren, ist das o.k.. Wenn es aber eine Mehrzahl
macht, dann stimmt etwas mit dem Markenkern
nach innen nicht. Stimmt er nach innen nicht, ist
es nur eine Frage, bis es im Außen (beim Kunden)
ankommt. Deswegen braucht es tolle
Produkte, und es braucht Mitarbeiter, die
sich gerne auf diese Produkte einlassen
wollen.
Identifikation ist eine enorme Kraftquelle.
Nur wer sich tiefer auf Aufgaben, Ideen
und Werte einlassen kann, erfährt Erfüllung und
reifes Glück – privat und beruflich. Dabei geht es
nicht um totale Überschneidung, sondern um eine
passende, stimmige Schnittmenge. Führungskräfte
sollten den Raum dafür geben und Mitarbeiter
sollten diese Einladung dankend annehmen. Das
ist klug und smart. Dumm ist es dagegen, zu viel
vom Unternehmen oder zu viel vom Mitarbeiter zu
fordern. Einfach gesagt. Schwer umgesetzt.
Paragraf 22
Raum schaffen
für Identifikation
Boris Grundl ist Managementtrainer, Unternehmer, Autor sowie Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt,
ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden. Grundl gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung).
Sein neues Buch heißt: „Die Zeit der Macher ist vorbei. Warum wir neue Vorbilder brauchen.“ (Econ Verlag, 2012, 304 Seiten, 19,99 Euro).
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Boris Grundl
Auch Produkte sind Identifikations
quellen! Ein Opelaner, der einen Golf
fährt, setzt ein schlechtes Zeichen.
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