Seite 40 - wirtschaft_und_weiterbildung_2014_02

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personal- und organisationsentwicklung
40
wirtschaft + weiterbildung
02_2014
R
• Gibt es Kooperationsmöglichkeiten?
• Gibt es ein Klima der gegenseitigen Un-
terstützung?
• Werden individuelle Leistungsgrenzen
akzeptiert?
Aspekt 3:
Das Gefühl der „Sinnhaftigkeit“
Als Antwort auf die Frage, welches seine
beruflichen Ziele seien, sagte ein Azubi
einmal: „Mit 60 in Rente gehen.“ Sicher-
lich mögen hier auch individuelle Fakto-
ren relevant sein, trotzdem stellt sich die
Frage, warum jemand schon zu Beginn
seiner Laufbahn den Sinn seiner Auf-
gabe verloren hat. „Ich helfe mit, die Ge-
heimnisse des Weltraums zu erkunden“,
meinte im Gegensatz dazu einmal eine
Reinigungskraft bei der NASA.
Das Gefühl der Sinnhaftigkeit und Be-
deutsamkeit im Zusammenhang mit dem
Beruf spaltet sich in zwei Aspekte: „Ist
meine Arbeit wichtig?“ und „Bin ich als
Mensch wichtig?“. Auf die erste Frage fin-
det man leichter eine Antwort, wenn die
eigene Aufgabe in einen größeren Zusam-
menhang gestellt werden kann. Außer-
dem kommt es vor, dass Mitarbeiter für
den Papierkorb arbeiten – zum Beispiel,
wenn eine von ihnen erarbeitete Alterna-
tive dann doch nicht berücksichtigt wird.
Hier ist es eine Herausforderung für die
Führungskräfte, den Mitarbeitern zu ver-
mitteln, wo der Sinn solcher Aufgaben
liegt und warum es sich lohnt, sich weiter
zu engagieren.
Jeder Mensch will wichtig und respektiert
sein. Die Berichte von Mobbing zeigen,
wie krank das Gegenteil machen kann.
Wenn nicht gemobbt wird, bedeutet
das noch lange nicht, dass Respekt und
Wertschätzung vorliegen. Wie oft hören
Vorgesetzte aufmerksam zu, wenn Mitar-
beiter von ihren (beruflichen) Herausfor-
derungen, Zielen und Träumen berichten?
Wird der Reinigungskraft der verdiente
Respekt gezollt für ihre schwere Arbeit,
die schlecht bezahlt und niedrig angese-
hen wird?
Es gibt auch Führungskräfte, die sehr viel
loben. Dann wissen die Mitarbeiter, dass
der Chef entweder wieder auf einem Se-
minar war oder vom Mitarbeiter etwas
will. Auch Führungskräfte, die jeden und
alles loben, können nicht das Gefühl der
Wertschätzung vermitteln. Respekt und
Wertschätzung vermitteln sich nicht
als manipulatives Mittel oder nach dem
Gießkannenprinzip. Mitarbeiter bekom-
men es sehr gut mit, ob ein Lob ehrlich
gemeint und berechtigt ist und auf einer
Grundhaltung von Wertschätzung und
Respekt dem Mitarbeiter gegenüber be-
ruht.
Das Thema „Gesund führen“ allein auf
den Aspekt der Wertschätzung auf-
zubauen, ist nicht nur unvollständig,
sondern auch falsch. Aus der experi-
mentellen Psychologie wissen wir, dass
Menschen für eine optimale Handlungs-
steuerung auch „negative“, sehr kriti-
sche Rückmeldung benötigen. Für den
Bereich der Führung bedeutet dies, dass
es auch die Sinnperspektive fördert,
wenn Mitarbeiter konstruktive Kritik
zu ihrer Leistung bekommen oder Füh-
rungskräfte Leistung im angemessenen
Umfang einfordern. Auch dies bedeutet,
den Mitarbeiter in seiner Leistungsfähig-
keit ernst zu nehmen. Soziale Verstärker
wie Lob und Wertschätzung nutzen sich
in ihrer Wirksamkeit zwar langsamer ab
als materielle Verstärker wie Geld. Aber
sie nutzen sich ab. Intrinsische Verstär-
ker nutzen sich dagegen nicht ab – zum
Beispiel, wenn der Mitarbeiter bei der
Aufgabenerledigung selber seinen Er-
folg erleben kann, weil er eine Aufgabe
vollständig übertragen bekommen hat.
Für eine Selbstüberprüfung beim Thema
„Sinnhaftigkeit“ können zum Beispiel die
folgenden Fragen leitend sein:
• Sind die Aufgaben abwechslungsreich?
• Gibt es Anforderungsvielfalt?
• Haben die Mitarbeiter im Prozess der
Arbeit Lernmöglichkeiten?
• Gibt es Perspektiven für die (berufli-
che) Weiterentwicklung?
• Können die Mitarbeiter die Sinnhaftig-
keit der Arbeit erleben?
• Sind die Aufgaben so organisiert, dass
die Mitarbeiter zu selbstständigem
Denken, Planen und Entscheiden er-
mutigt werden?
• Gibt es ein Klima der gegenseitigen
Wertschätzung?
• Werden Erfolge gewürdigt, Misserfolge
und Fehler als Lernmöglichkeiten ge-
schätzt?
Damit Führungskräfte in ihrem Verant-
wortungsbereich eine Führungskultur
entwickeln können, die die Faktoren des
Kohärenzgefühls stärkt, benötigen auch
sie Unterstützung. Mit einem Beschluss
der Geschäftsführung („Ab heute wird ge-
sund geführt“) ist keinem geholfen. Auch
hier – wie bei anderen Change-Initiati-
ven – muss die Unternehmensspitze mit
gutem Beispiel vorangehen und entspre-
chende Rahmenbedingungen schaffen,
damit den nachgeordneten Führungskräf-
ten ihre Arbeit leichter gemacht wird. Die
Aspekte der gesunden Führung umzuset-
zen bedeutet gerade in der Einführung
oft einen nicht unerheblichen Aufwand.
Aber die Begleitforschung im Rahmen des
Betrieblichen Gesundheitsmanagements
hat deutlich gezeigt, dass sich das lohnt.
Nicht nur, weil erhebliches Einsparungs-
potenzial realisiert wird, sondern auch
eine Umsatzsteigerung und eine Verbes-
serung der Produktqualität, Kundenzu-
friedenheit und der Innovationsfähigkeit
des Unternehmens. Gesunde Führung ist
eine Investition, die sich schnell bezahlt
macht!
Frank Stöpel
Gesunde Arbeit.
Chefs sollten
dafür sorgen, dass
selbstständiges
Denken, Planen
und Entscheiden
nicht zu kurz kom-
men.