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02_2014
wirtschaft + weiterbildung
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Nachrichten umzugehen. Daher ist auch
„Umgang mit der E-Mail-Flut“ immer
wieder Thema in den Seminaren zum
Thema „Zeit- und Selbstmanagement“.
Eine Aufgabe bei dem „gesunden Füh-
ren“ ist entsprechend, die Informations-
flut für die Mitarbeiter durch Auswahl,
Strukturierung und Kommentierung zu
begrenzen.
Ein weiterer Aspekt für das Gefühl der
Verständlichkeit sind klare Abläufe und
Strukturen: Wer macht was, wann und
wie. Und vor allem: Kann sich der Mitar-
beiter darauf verlassen, dass diese Struk-
turen (weitestgehend) Bestand haben,
oder wird nach dem Motto „Was küm-
mert mich mein dummes Geschwätz von
gestern?“ geführt und werden spontan
Führungsebenen bei Anweisungen über-
sprungen. Effektiv, um Mitarbeiter krank
zu machen, ist auch ein deutliches „Viel-
leicht“, welches dann auch nur kurzfris-
tig Bestand hat.
Die Kunst besteht darin, bei aller Flexi-
bilität klare und verlässliche Strukturen
zu etablieren. Diese Strukturen müssen
den Mitarbeiter spontan nicht immer
glücklich machen, aber sie sollen klare
und verlässliche Regeln darstellen. Schon
1978 stellte Winfried Hacker das Konzept
der vollständigen Handlung als persön-
lichkeitsförderlich (heute würden wir
von gesundheitsförderlich sprechen) vor.
Vollständig ist eine Handlung dann, wenn
sie neben ausführenden Elementen auch
vorbereitende und kontrollierende Aufga-
ben umfasst.
Dadurch kann nicht nur die Aufgabe
besser verstanden, sondern auch besser
bewältigt werden. Folgende Fragen kön-
nen dabei helfen, eingehend zu prüfen,
ob der Aspekt der Verständlichkeit im
Arbeitsalltag auch tatsächlich umgesetzt
wird:
• Sind Abläufe, Strukturen und Prozesse
transparent?
• Können wichtige Informationen abge-
rufen werden, ohne in der Masse unter-
zugehen?
• Findet ausreichende Kommunikation
statt?
• Sind die Arbeitsaufgaben vollständig
(umfassen sie zum Beispiel Aspekte
der Planung, Ausführung und Kon
trolle)?
• Sind zeitliche und organisatorische
Strukturen weitestgehend stabil und
zuverlässig?
Aspekt 2:
Das Gefühl der „Handhabbarkeit“
Gerade in der aktuellen Diskussion um
Burn-out wird deutlich, wie wichtig es
ist, Überforderung zu vermeiden. Aus der
Diskussion um Zielvereinbarungen ist be-
kannt, dass Ziele, welche eine subjektiv
50-prozentige Erfolgsaussicht haben, zu
maximaler Anstrengung führen. Die er-
folgreiche Bewältigung schwieriger Auf-
gaben erhöht auch das Gefühl der Selbst-
wirksamkeit.
In der Praxis finden die Mitarbeiter aber
nicht immer Kriterien vor, an denen sie
den Erfolg ihrer Anstrengung messen
können beziehungsweise eine Rückmel-
dung dazu erhalten. Oft finden sich auch
Führungskräfte, welche sich Erfolge in
ihrem Verantwortungsbereich öffentlich
selber zuschreiben, Gründe für Misser-
folge aber bei den Mitarbeitern verorten.
Auch der berüchtigte „Dienst nach Vor-
schrift“ ist in diesem Zusammenhang zu
sehen: Wenn ein Mitarbeiter das volle
Risiko bei Eigeninitiative trägt, dann ist
es doch nur vernünftig, dass er sich ab-
sichert und sich nur im Rahmen der Vor-
schriften bewegt. Man kann es auch als
gelernte Hilflosigkeit beschreiben, wenn
Mitarbeiter aufhören sich zu engagieren,
weil sie wiederholt erleben mussten, dass
sie doch nichts bewegen konnten. Es gilt,
sowohl Über- als auch Unterforderung zu
vermeiden. Menschen sind unterschied-
lich und verändern sich fortlaufend.
Daher ist es für Führungskräfte auch
nicht immer leicht, was für einen spezifi-
schen Mitarbeiter aktuell eine Über- oder
Unterforderung darstellt. Oft hilft nur
eins: nachfragen.
In einem Unternehmen konnte man erle-
ben, was eine Führungskraft verursacht,
die zu Wutausbrüchen neigt: Nicht nur
war diese Führungskraft per se ein massi-
ver Belastungsfaktor, weil sich die Mitar-
beiter (gestandene Handwerker!) ständig
vor den unvorhersehbaren Ausbrüchen
fürchteten, sondern jeder vermied es,
Informationen an diese weiterzugeben
– und das in einem Unternehmen, wel-
ches maximale Qualität liefern muss! Die
Führungskraft war hier nicht nur eine Ge-
sundheitsgefahr, sondern auch ein Pro-
duktionsrisiko! Die psychologische und
pädagogische Forschungsliteratur ist voll
mit Hinweisen darauf, wie wichtig Feh-
ler für die Kompetenzentwicklung sind.
Auch das moderne Qualitätsmanagement
will die Fehler erfassen, damit daraus
gelernt werden kann und zukünftige,
womöglich schwerere Fehler vermieden
werden können. Eine positive Fehlerkul-
tur ist nicht nur für die Qualitätssiche-
rung notwendig, sondern auch, damit die
Mitarbeiter angstfrei ihre Aufgaben ange-
hen und sich weiter entwickeln können.
Für das Kriterium „Handhabbarkeit“ sind
zum Beispiel folgende Fragen zur Selbst-
überprüfung geeignet:
• Haben die Mitarbeiter Möglichkeiten,
sich bei Entscheidungen und Umset-
zungen einzubringen?
• Gibt es ausreichend Tätigkeitsspiel-
räume?
• Wird soziale Unterstützung bereitge-
stellt?
• Werden Fehler und Misserfolge als
Lernerfahrung gewürdigt?
• Bekommen die Mitarbeiter kontinuier-
liche Rückmeldung zu ihrem Verhalten
und ihrer Leistung?
• Bekommen die Mitarbeiter ausreichend
(positives) Feedback?
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Dr. Frank Stöpel
ist langjähriger
Berater, Trainer
und Coach mit
den Schwerpunk-
ten Führung und Gesundheit. Als
Diplom-Pädagoge hat er in Psycho-
logie über den Zusammenhang von
Arbeit und Gesundheit promoviert.
Auf der Grundlage interdisziplinärer
wissenschaftlicher Erkenntnisse
gepaart mit umfassenden Praxiser-
fahrungen unterstützt er seit vielen
Jahren zahlreiche Organisationen des
öffentlichen Dienstes und der Privat-
wirtschaft.
Dr. Frank Stöpel
Kompetenzentwicklung
Akazienweg 6
44577 Castrop-Rauxel
AUTOR