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wirtschaft + weiterbildung
05_2014
special planspiele
Lohn. Auch das noch: Eine Entschei-
dungsalternative besteht im Spiel darin,
einen speziellen „Pannenservice für
Frauen“ anzubieten!
Natürlich ist Topsim Petrol nicht die erste
Managementsimulation überhaupt. Plan-
spielmethoden haben sich nach 1945
kontinuierlich weitere Einsatzfelder er-
schlossen, zunächst in Unternehmen und
danach in diversen Bildungskontexten an
Hochschulen und Schulen.
Besonders Firmenchefs und das Top-
management waren Teilnehmer der ers-
ten Wirtschaftssimulationen. Planspiele
hatten somit zunächst eher „elitäre“ Ziel-
gruppen. Die Planspieldisziplin des „Busi-
ness Wargaming“ ging insbesondere mit
der Entwicklung von elektronischen Re-
chenmaschinen und Computern einher.
Die American Management Association
schuf 1957 mit der „Top Management
Decision Simulation“ das erste komplexe
Management-Planspiel und verwendete
zur Spielrundenberechnung einen IBM
650. Die Berechnung der Spielergebnisse
fand noch mithilfe von Lochkarten statt
und konnte mehrere Stunden dauern. Mit
der Steigerung der Rechenleistung konn-
ten bald auch komplexere Rahmenbedin-
gungen simuliert werden.
In Deutschland wurden die amerikani-
schen Ideen aufgegriffen. Es entstanden
Planspiele wie „Topsim“ und „Marga“,
die in ihren Weiterentwicklungen bis
heute existieren. Marga geht zurück auf
das Jahr 1971. Das damalige USW Uni-
versitätsseminar der Wirtschaft in Schloss
Gracht entwickelte als erster Anbieter das
Unternehmensplanspiel Marga und setzte
es in den eigenen Management-Program-
men ein. Eine IBM 1130 mit einem Kern-
speicher von 32 Kilobite kostete damals
rund 1,3 Millionen D-Mark. Bis heute
und seit mehr als 40 Jahren ist das Marga-
Planspiel in seinen Weiterentwicklungen
erfolgreich als jährlicher webbasierter
Fernplanspielwettbewerb im Einsatz.
Ein Spiel entwickeln heißt:
Reduktion der Wirklichkeit
In die Zeit der 1970er-Jahre fällt auch die
Gründung des internationalen Planspiel-
fachverbands ISAGA und verschiedener
nationaler Verbände. Die berühmte Plan-
spielentwicklungsmethodik des ISAGA-
Gründers Prof. Dr. Richard Duke (der
auch persönlich zur 45. ISAGA-Konferenz
nach Dornbirn kommen wird) wird auf
der Konferenz dargestellt. Seine Plan-
spiele seit den frühen 1960er-Jahren wer-
den teilweise in interaktiven Workshops
nachgespielt.
Beispielsweise wurde von Richard Duke
im Jahr 1978 das Planspiel „Conrail“ für
das US-Transportministerium entwickelt
und von einer Kommission von Senato-
ren als Entscheidungshilfe durchgespielt.
Auf Basis der Ergebnisse wurden dann
weitreichende reale Entscheidungen im
Verkehrswesen der USA getroffen. Es
handelt sich um ein Brettplanspiel, denn
ein Computerplanspiel garantiert per se
noch keine Realitätsnähe. Wesentlich
bei Planspielen ist die didaktische und
dem jeweiligen Einsatzzweck entspre-
chende Reduktion der realen Komplexi-
tät auf ein spielbares Simulationsmodell.
Aus diesem Grund zeigt die Ausstellung
auch die Entwicklung der haptischen
Brettplanspiele, die sich ebenfalls seit
den frühen 1950er-Jahren vollzog. Ein
Workshop greift zum Beispiel das „Busi-
ness Management Game” von Andlinger
& Greene von 1956 auf. „Es wurde von
McKinsey für nur einen Dollar pro Exem-
plar verkauft und hatte durch seine kos-
tengünstigen Verbereitungsmöglichkeiten
eine große Auswirkung auf die Entwick-
lung von Managementplanspielen insge-
samt“, so Sebastian Schwägele, Leiter des
Zentrums für Management Simulation
der DHBW Stuttgart. Auch frühe deutsche
Planspiele aus dieser Kategorie werden in
Dornbirn vorgestellt, wie das von Knut
Bleicher entwickelte „Planspiel UB-10:
Für unternehmerische Entscheidungen“
aus dem Jahr 1962.
Frederic Festers „Ecopolicy“:
Vernetzte Systeme verstehen
Seit den 1960er-Jahren wurden viele
Planspiele entwickelt, um vernetztes,
systemisches und nachhaltiges Denken
und Handeln zu verbreiten. Der frühere
ISAGA-Präsident und bekannte Buchautor
(„Grenzen des Wachstums“) sowie Direk-
tor des Club of Rome, Dennis Meadows,
hat zum Beispiel mit „Fish Banks“ und
„Stratagem“ in den 1970er-Jahren einige
bekannte Planspiele für ökonomische,
soziale und ökologische Nachhaltigkeit
entwickelt. Diese Spiele werden ebenfalls
ausführlich auf der ISAGA 2014 vorge-
führt.
Der deutsche Systemdenker und Plan-
spielpionier Professor Frederic Vester ent-
wickelte das kybernetische Simulations-
spiel „Ecopolicy“. Gabriele Harrer-Puch-
ner, die 18 Jahre lang seine Mitarbeiterin
war und nun das „Malik Competence
Center Vester“ leitet, wird die Historie des
Spiels von der ersten Papierversion in den
1970er-Jahren bis hin zur aktuellen mul-
timedialen Computerversion vorstellen.
Ein Teil der von Frederic Vester mit der
ersten Spielversion initiierten Ausstellung
„Unsere Welt – ein vernetztes System“
wird in Dornbirn zu sehen sein. Verschie-
dene Modelle und Simulationen von Ves-
ter finden bis heute in ihren Weiterent-
wicklungen in der Managementberatung
und in Trainingsprogrammen Einsatz.
Willy Kriz
R
Systemdenken.
Schautafeln zeigen
die Grundgedan-
ken, die zur Simu-
lation „Ecopolicy“
führten. Interes-
sierte erleben so
am Beispiel eines
fiktiven Landes,
was Vernetzung
bedeutet.
Foto: FHV/Kriz