Seite 64 - wirtschaft_und_weiterbildung_2014_01

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grundls grundgesetz
64
wirtschaft + weiterbildung
01_2014
„Ich bin Change-Profi. Mein Vorname ist ‚Change‘,
mein Nachname ‚Management‘. Jeden Morgen
stehe ich mit einem anderen Fuß zuerst auf.“
Leere Sätze, auswendig gelernt, nichtssagend.
Jeder weiß, wie wichtig Fähigkeit und Wille zum
Wandel sind. Doch primär sehnen wir uns nach
Beständigkeit. Deshalb klingt unser Bekenntnis
zum Neuen oft so aufgesetzt.
Klar gibt es Menschen mit dem Wandel im Blut.
Doch oft wird unterschätzt: Jede Veränderung hat
eine enorme emotionale Komponente. Sie erschüt-
tert Gewohnheiten und gefährdet unser Sicher-
heitsgefühl. Dass so viele Change-Projekte kläglich
scheitern, liegt selten an der Strategie, sondern
an emotionalen Belastungen. Menschen sind zer-
brechlich. Das gilt auch für die scheinbaren „Tough
Guys“. Nicht nur die jüngsten Manager­suizide in
der Schweiz machen das tragisch deutlich. Jeder
balanciert auf seinem eigenen Dachfirst. Wird
unsere Welt zu sehr erschüttert, verlieren wir das
Gleichgewicht.
Deshalb ist es viel wichtiger, Mitarbeiter im Wandel
emotional zu führen, als ihren Kopf mit Zahlen,
Daten und Fakten zuzuschaufeln. Wie meinte
Niccolò Machiavelli so treffend: „Wer Neues
schaffen will, hat alle zu Feinden, die aus dem
Alten ihren Nutzen ziehen.“ Wer Transparenz im
„Change“ anstrebt, hat viele Nebelbombenwerfer
gegen sich. Warum sonst verschlechtert sich die
PKW-Elektronik trotz Synergie, wenn zwei Automobil-
riesen fusionieren? „Wenn die Hirten sich streiten,
merkt man es dem Käse an“, sagt William Basie
und er spricht damit aus, was wir alle wissen.
Emotionen im Umbruch zu ignorieren provoziert
Rudelbildung. Die Unzufriedenen nutzen die neue
Macht, um die Angsthasen aufzuwiegeln. Nach
außen wird der Wandel besungen, im Untergrund
hinterlistig Sand ins Getriebe gestreut.
Deshalb müssen Führungskräfte nicht
nur ihre Mitarbeiter, sondern auch deren
Beziehungen untereinander kennen: Wel-
che Gruppen haben welche Interessen?
Nur so können Chefs die Change-Guerilla
entschärfen, bevor alle Zahnräder knir-
schen. Sind Sie eher Ergebnis- oder Beziehungs-
mensch? Keins von beiden ist „besser“, beides
wichtig, je zu seiner Zeit. Behalten Sie zwischen
diesen Polen Ihre goldene Mitte im Blick – eine
hohe Kunst! Der erste Typ vergewaltigt den Men-
schen zur Maschine. Der soll funktionieren, und
wenn er Mist baut, wird gnadenlos angeklagt. Der
andere deckt im Zweifel das Versagen seiner ver-
meintlichen Freunde. Kluge Führungskräfte wissen
aus sich heraus recht genau, wann Ergebnisse
und wann Beziehungen gefragt sind. Diese Stärke
löst den scheinbaren Konflikt zwischen Kapital und
Mensch auf.
Und wenn einer andauernd querschießt? Bevor Ihr
Reptilienhirn den künftigen Exmitarbeiter ausrufen
möchte, versuchen Sie, ihn einzufangen: Eng ran
und stark in die Pflicht nehmen! Sein Querschie-
ßen kann ein Schrei nach intensiverer Führung
sein. Wenn alles nichts hilft? Als Führungskraft
müssen Sie beides können – verbinden und tren-
nen. Einer muss gehen, und Sie entscheiden, wer.
Besser lassen Sie es gar nicht erst so weit kom-
men. Stellen Sie in Change-Projekten die emotio-
nale Komponente ins Zentrum Ihrer Aufmerksam-
keit. Das ist professionell!
Paragraf 21
Gruppendynamik
darf Veränderungen
nicht torpedieren
Boris Grundl ist Managementtrainer, Unternehmer, Autor sowie Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt,
ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden. Grundl gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung).
Sein neues Buch heißt: „Die Zeit der Macher ist vorbei. Warum wir neue Vorbilder brauchen.“ (Econ Verlag, 2012, 304 Seiten, 19,99 Euro).
d
Boris Grundl
Im Umbruch nutzen die Unzufriedenen
ihre Macht, um die Angsthasen auf-
zuwiegeln. Im Untergrund wird hinter-
listig Sand ins Getriebe gestreut.