fachliteratur
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wirtschaft + weiterbildung
01_2014
Der Titel von Stefan Barons Buch „Späte Reue“ mag
vielleicht etwas in die Irre führen: Dies ist keine Apo-
logie für den ehemaligen Deutsche-Bank-Chef Josef
Ackermann, der während und nach der Finanzkrise
die Rolle der Banker reflektierte und in der Öffent-
lichkeit Selbstkritik übte. Das Buch hat auch nicht
den Anspruch, eine Biografie des Bankers zu sein.
Es enthält zwar ein biografisches Kapitel („Der Kom-
pass fürs Leben“), in dem Baron die Entwicklung
Ackermanns vom Buben „Seppi“ aus der Gemeinde
Mels in der kleinen Schweiz hin zum mächtigen
Oberbanker „Joe“ in der großen Finanzmetropole
Frankfurt am Main nachzeichnet. Aber vor allem
gibt „Späte Reue“ Aufschluss darüber, wie Banker
Banken in die Krise manövrierten und das Vertrauen
in die Finanzbranche verspielten. Baron, ehemaliger
Chefredakteur der Wirtschaftswoche, beschreibt
darin seine fünf Jahre als Kommunikationschef der
Deutschen Bank, in denen er eng mit dem Bankchef
zusammenarbeitete. Die Handlung erstreckt sich
über Barons Amtszeit, vom Beginn der Bankenkrise
im Jahr 2007 bis zum 30. Mai 2012, der auch Acker-
manns letzter Tag bei der Deutschen Bank ist. Die
Erzählung ist sowohl Chronologie der Krise als auch
Charakterstudie eines Machtmenschen: Der Autor
gibt zum einen einen umfassenden Überblick über
die Entstehung und den Verlauf der Bankenkrise, der
deswegen besonders ist, weil er sie aus einer inter-
nen Perspektive erzählt. Zum anderen zeigt er den
Arbeits- und Führungsalltag eines Mächtigen und
wie dieser angesichts der Krise seine Marschrichtung
ändert. Der Banker soll dabei auch als Mensch ge-
zeigt werden, und erwartungsgemäß kommt er ziem-
lich gut weg in der Beschreibung seines ehemaligen
Kommunikationschefs. Nicht umsonst weist dieser
in seiner Einleitung darauf hin, dass es letztlich dem
Leser überlassen sei zu beurteilen, inwieweit es ihm
geglückt ist, eine kritische Distanz zu wahren. Es ge-
lingt Baron nicht immer: etwa, wenn er Ackermann
am Ende zum „Staatsmann“ befördert oder ihn bei
der Beschreibung seines Werdegangs mit Heidi ver-
gleicht. Oder wenn er davon spricht, dass die Me-
tamorphose des Josef Ackermann vom Saulus zum
Paulus eigentlich eine „Retromorphose“ zurück zur
Wertewelt des kleinen „Seppi“ ist. Größtenteils be-
weist der Autor aber einen kritischen Blick.
Und ob Saulus oder Paulus, Seppi oder Joe, späte
oder keine Reue: Eine lohnenswerte Lektüre ist die-
ses Buch allemal.
Charakterstudie und
Chronologie der Krise
Ackermann-Porträt
Stefan Baron
hat Volkswirtschaft, Politologie und Sozialpsychologie
studiert. Er arbeitete für den Spiegel und danach 16
Jahre lang als Chefredakteur der Wirtschaftswoche.
Von 2007 bis 2012 war er Kommunikationschef bei
der Deutschen Bank.
Autor
Stefan Baron:
Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme,
Econ, Berlin 2013, 304 Seiten, 24,99 Euro