Seite 52 - wirtschaft_und_weiterbildung_2014_07-08

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training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2014
Interviews) geführt, die es den Befragten
leicht machen, frei und offen zu antwor-
ten. Die Aussagen wurden im Rahmen
einer „qualitativen Inhaltsanalyse“ in
„Oberkategorien“ und „Unterkategorien“
zusammengefasst. Das Ausgangsmaterial
wurde in diesem Prozess so weit redu-
ziert, dass die Kerninhalte deutlich zutage
treten konnten. Alle Interviewpartner in
den Unternehmen hatten viele Jahre lang
mit der Auswahl von Business Coachs
und mit der Durchführung von Coaching-
Prozessen Erfahrungen gesammelt.
Umgang mit Externen
Der erste Themenkreis, zu dem die 25
Personaler Stellung beziehen, dreht sich
um die Erfahrungen, die man im Unter-
nehmen mit externen Coaching-Anbie-
tern gemacht hatte. Diese Äußerungen
würden entscheidende Hinweise auf
mögliche Qualitätsprobleme in der Coa-
ching-Branche liefern, so hoffte Hirsch.
Nach Stefan Kühl gibt es nur eine Ant-
wort auf die Frage nach den Erfahrungen
der Vergangenheit, nämlich die, dass der
Coaching-Markt von unseriösen Anbie-
tern überhäuft ist. Kühl hatte 2006 die Be-
mühungen um eine Professionalisierung
der Coaching-Branche und um eine Ein-
führung von festen Qualitätskriterien als
nicht sehr erfolgreich beschrieben. Nach
dieser Kritik wäre es zulässig zu vermu-
ten, dass Unternehmen mit Coaching-An-
bietern schlechte Erfahrungen gemacht
haben. „Entspricht dies wirklich der Re-
alität oder haben sich die Entscheider in
den Unternehmen, gerade weil ihnen die
Gegebenheiten im deutschen Coaching
bekannt sind, gut auf die Coaching-An-
bieter vorbereitet?“, fragte sich Hirsch.
Die Aussagen zum Thema „Erfahrungen
mit Anbietern“ konnten zu diesen „Ober-
kategorien“ zusammengefasst werden:
1.
Personalentscheider berichten positiv
über den Einsatz von Coaching-Maß-
nahmen in ihren Unternehmen (76
Nennungen)
2.
Personalentscheider berichten nega-
tiv über Coaching-Anbieter und deren
Für Unruhe in der Coaching-Szene sorgte
im Jahr 2006 der Organisationssoziologe
Prof. Dr. Stefan Kühl, Universität Biele-
feld, weil er behauptete, der Coaching-
Markt habe ein „Scharlatanerieproblem“.
In einem Interview mit der Wochenzei-
tung „Die Zeit“ (1.6.2006) wies er auf
eine fehlende Professionalisierung und
fehlende Qualitätskriterien hin. Man er-
kenne das Scharlatanerieproblem daran,
so formulierte es Kühl spitzfindig, dass es
innerhalb der Berufsgruppe der Coachs
keine Einigkeit darüber gebe, wer eigent-
lich ein Scharlatan sei.
Christof Hirsch, Diplom-Soziologe, Perso-
nalberater und Coach, wurde durch Kühls
Interview angeregt, eine Dissertation zu
planen, die durch Expertenbefragungen
herausfinden sollte, ob es wirklich ein
Problem mit unseriösen Anbietern auf
dem deutschen Coaching-Markt gibt.
Seine 2012 an der Technischen Universi-
tät Dortmund (Fakultät Erziehungswis-
senschaft und Soziologie) fertiggestellte
Doktorarbeit trägt den Titel „Business-
Coaching in Deutschland: Hinweise auf
die Qualität im Coaching durch eine Ana-
lyse der Sicht- und Arbeitsweisen relevan-
ter Akteure“. Vom März 2010 bis Juli 2011
führte Hirsch insgesamt je 45-90-minü-
tige, persönliche Interviews mit 25 Perso-
nalern in großen deutschen Unternehmen
und 25 etablierten Coaching-Anbietern.
Die Gespräche fanden verstreut über
ganz Deutschland in den Räumen der in-
terviewten Personen statt. Ihnen wurde
Anonymität zugesichert. Um möglichst
viele Informationen und Meinungen zu
bekommen, wurden Leitfaden-Interviews
(im Gegensatz zu streng strukturierten
Es gibt schwarze Schafe –
aber das stört keinen
COACHING-MARKT.
Christof Hirsch hat für seine Dissertation 25 Coaching-Experten
aus großen Unternehmen und 25 Coaching-Anbieter interviewt. Durch eine aufwendi-
ge Inhaltsanalyse der offenen Interviews hat er herausgefunden, dass das oft zitierte
„Scharlatanerieproblem“ auf dem deutschen Coaching-Markt nicht sehr weit verbreitet
ist. Wir fassen die Ergebnisse der Interviews mit den 25 Personalern hier zusammen.