grundls grundgesetz
64
wirtschaft + weiterbildung
10_2014
Mach mich glücklich! Das Mantra unserer Zeit.
Eltern dürfen keine Fehler machen, damit ihr Kind
glücklich wird. Kinder sollen ihre Eltern glücklich
machen, Ehepartner sich gegenseitig und der Chef
seine Mitarbeiter. Ein Kauf soll uns ebenso beglü-
cken wie ein Urlaub oder die Achtsamkeitsmedita-
tion am Wochenende. Und ja – auch die Politiker
sollen ihre Wähler glücklich machen. Willkommen
in der Irrenanstalt der Glücksdelegation.
Die mediale „Glückswelle“ hat eine unglaubliche
Anspruchshaltung erzeugt. Wehe, diese Bring-
schuld wird nicht eingelöst. Dann gibt’s Druck!
Doch die moderne Glücksforschung liefert inte-
ressante Erkenntnisse: „Glücklich ist, wer zufrie-
den ist und mehr angenehme als unangenehme
Gefühle hat.“ Demnach machen Freunde, Gesund-
heit, Beziehungen, Geld, Liebe, Sex, Urlaub oder
Karriere selbst gar nicht glücklich, sondern unsere
subjektiven Empfindungen.
Weltweite Studien belegen, dass Deutsche weniger
glücklich sind als Menschen anderer Nationen. In
den meisten Studien liegt Dänemark an der Spitze,
Deutschland im abgeschlagenen Mittelfeld. Insge-
samt gilt Lateinamerika als glücklichster Kontinent.
Beim Glücksland Dänemark überschlagen sich
derzeit sogar Untersuchungen zum Thema: „Glück
aufgrund genetischer Voraussetzungen“. Die inter-
nationale Jagd aufs dänische Glücks-Gen ist eröff-
net. Wenn ich das lese, schwillt mir der Kamm!
Muss ich mir von anderen sagen lassen, was Glück
ist und was glücklich macht? Wie wollen andere
wissen oder bewerten, ob ich bereits glücklich bin
oder es sein kann? Oft habe ich folgende Erfah-
rung gemacht: Je mehr ein Ehepaar sein Glück
demonstriert, desto näher ist es der Scheidung.
Ich nenne das gern den „Van der Vaart-Effekt“. Es
ist so einfach und doch so schwer: Glücklich ist,
wer sich selbst dafür hält – und nicht, wer anderen
so erscheint. Ich selbst bin schwerstbehindert. 90
Prozent meiner Muskulatur gehorchen
mir nicht mehr. Wenn ich Menschen sage:
„Na und? Das hat keine Bedeutung für
mein Glücksempfinden“, ernte ich ungläu-
bige Blicke. Dass ich mich nicht weiter
erkläre, verunsichert die Leute, weil es
mir einfach egal ist, ob sie mir glauben. Dabei
würde jede Rechtfertigung nach außen meine
eigene Unsicherheit nähren. Was halten Sie von
folgender Idee: Seien Sie doch einfach glücklich,
weil Sie leben! Diese Einstellung können Ihnen
weder Ihr Chef nehmen, noch ein Mitarbeiter, ein
Lebensabschnittspartner, ihre Kinder, Freunde, nie-
mand – das nenne ich Freiheit!
Durch Beobachtung und Selbsterkenntnis bin
ich überzeugt: Je mehr ein Mensch sich selbst
erkennt, desto mehr bleibt er bei sich und ver-
liert sich nicht in der Außenwelt. Je mehr er sich
erkennt, desto genauer weiß er, was ihm guttut
und entsprechend weniger vergleicht er sich mit
anderen. Je mehr ein Mensch sich erkennt, desto
klarer werden ihm seine Rollen und mentalen
Begrenzungen und desto eher kann er diese Fak-
toren nach seinen eigenen Vorstellungen formen.
Ein solcher Mensch lebt mehr, als dass er gelebt
wird und kann sein Leben freier gestalten. Je freier
ein Mensch sein Leben gestalten kann, desto
bewusster darf er seine Entscheidungen treffen.
Das ist der Preis der Freiheit: Entscheidungen für
das eigene Glück treffen und Verantwortung für
getroffene Entscheidungen übernehmen.
Paragraf 29
Glück dank
Selbstverantwortung
Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden.
Grundl gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein neues Buch heißt: „Mach mich glücklich. Wie Sie das bekommen,
was jeder haben will“ (ECON Verlag 2014, 246 Seiten, 18 Euro). Boris Grundl beweist in diesem Buch, wie leicht und schnell das Verschieben von Verantwortung in
eine zerstörerische Sackgasse führt und die persönliche Weiterentwicklung und damit Glück verhindert.
Boris Grundl
Je mehr ein Ehepaar sein Glück
demonstriert, desto näher ist es der
Scheidung.
„
„