fachliteratur
            
            
              62
            
            
              wirtschaft + weiterbildung
            
            
              10_2014
            
            
              „In Deutschland ist es einfacher, Forschung über das
            
            
              Sexualleben älterer Manager zu betreiben als über
            
            
              ihre Fehler“, klagt der Fehlerforscher Michael Frese.
            
            
              Statistische Erhebungen zum Thema stützen Freses
            
            
              Eindruck: In einer internationalen Vergleichsstudie
            
            
              zur Fehlertoleranz landete Deutschland auf dem vor-
            
            
              letzten Rang – von 61 Staaten. Die beiden Belege,
            
            
              die sich in Jürgen Schaefers Buch „Lob des Irrtums“
            
            
              finden, zeigen: Es gibt im Fehler-Management deut-
            
            
              scher Unternehmen noch großen Nachholbedarf.
            
            
              Mehr Fehlertoleranz ist nicht nur ideell erstrebens-
            
            
              wert: Unternehmen, die ein gutes Fehler-Manage-
            
            
              ment betreiben, könnten ihren Gewinn um bis zu 20
            
            
              Prozent steigern – das legen die Ergebnisse einer in-
            
            
              ternationalen Studie nahe, die der Journalist Schae
            
            
              fer ebenfalls zitiert. Zudem könnten Unternehmen so
            
            
              die Kreativität ihrer Mitarbeiter anregen.
            
            
              Was also tun? „Liebe deine Fehler“? So einfach, wie
            
            
              es das Fazit von Schaefers Fehler-Epos suggeriert,
            
            
              ist es dann aber doch nicht. Das zeigen die 215 Sei-
            
            
              ten, die dem Fazit vorausgehen. Dort zieht der Autor
            
            
              verschiedene Kronzeugen zur Fehleranalyse heran:
            
            
              Erkenntnisse der Neuro- und Sozialwissenschaften
            
            
              ebenso wie Philosophie, Psychologie und Evoluti-
            
            
              onsgeschichte. Anhand zahlreicher Beispiele zeigt
            
            
              Schaefer, wie nicht nur der Mensch, sondern auch
            
            
              die Natur irrt. Exemplarisch dafür nennt er Mutati-
            
            
              onen in der Natur im Laufe der Evolution: Zunächst
            
            
              sind diese nur Kopierfehler im Erbgut – aber unter
            
            
              bestimmten Umständen bedeuten sie einen Vorteil
            
            
              beim Überleben der Spezies. Dies dient Schaefer als
            
            
              Beleg für seine Botschaft: Fehler sind nicht per se
            
            
              schlecht. Wir können von ihnen lernen.
            
            
              In einem eigenen Kapitel überträgt Schaefer diese
            
            
              Erkenntnisse auf Organisationen und fordert, dass
            
            
              diese nicht nur fehlertoleranter, sondern sogar feh-
            
            
              lerfreundlicher werden müssen. Wer Fehler unter
            
            
              drückt, riskiert nach Frese nämlich dreierlei – ers
            
            
              tens: Die Mitarbeiter machen lieber nichts, als einen
            
            
              Fehler zu riskieren, zweitens: Sie vertuschen Fehler,
            
            
              drittens: Sie bauen einen bürokratischen Regelappa-
            
            
              rat auf, um Fehler künftig zu vermeiden.
            
            
              Nur wer um die Natur von Fehlern weiß, so eine
            
            
              weitere Anregung Schaefers, kann diese künftig ver-
            
            
              meiden. Dazu empfehlen wir dieses Buch, denn es
            
            
              liefert nicht nur jede Menge neue Erkenntnisse für
            
            
              den (Berufs-)Alltag, sondern ist darüber hinaus auch
            
            
              noch sehr intelligent und spannend geschrieben.
            
            
              Fortschritt durch Fehler
            
            
              Fehler-Management
            
            
              Jürgen Schaefer
            
            
              ist Journalist. Als Redakteur der
            
            
              Zeitschrift Geo ist er vorwiegend
            
            
              in Südamerika und den USA
            
            
              unterwegs. Zuvor hat Schaefer
            
            
              lange Zeit in New York und Havanna gelebt. Im Jahr
            
            
              2011 ist sein Erstlingswerk mit dem Titel „Genie oder
            
            
              Spinner“ erschienen.
            
            
              AUTOR
            
            
              Jürgen Schaefer
            
            
              Lob des Irrtums: Warum es ohne Fehler
            
            
              keinen Fortschritt gibt, C. Bertelsmann,
            
            
              München 2014, 256 Seiten, 28,50 Euro
            
            
              Foto: Carmen Diaz Perez