Seite 56 - wirtschaft_und_weiterbildung_2013_07-08

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training und coaching
56
wirtschaft + weiterbildung
07/08_2013
methodik für übertrieben? Ja! Sicherheit
ist wohl eine der größten menschlichen
Sehnsüchte, und zwar möglichst absolute
Sicherheit, und die auch noch für immer.
Ist das realistisch oder sollten wir nicht
doch lieber lernen, mit der Unsicherheit
besser umzugehen, die Beobachtung und
die Reaktion weiter auszubauen statt das
Vermeidungsstreben? Die Entdeckung
und Verabschiedung einer Illusion, hier
die der absoluten Sicherheit, hilft oft
mehr als die zum Scheitern verurteilte Be-
mühung, sie weiter aufrechtzuerhalten.
So könnten wir uns auch den ein oder
anderen Planungs- und Darstellungs-
Mehraufwand sparen und die damit ver-
bundenen späteren Kontroll-Exzesse. Wir
jedenfalls halten den Projektleiter vor Ort,
auf der Baustelle, bei den Problemen und
Menschen, für eine schöne Vorstellung
und weniger den Projektverwalter, der
Tage vor seinem Bildschirm verbringt,
um dort Rechtfertigungen und Zahlen-
berge zu produzieren. Eine zu kleinteilige
Planung erhöht demgegenüber den for-
mellen Steuerungsaufwand und verbaut
den Blick auf das Wesentliche.
Irrtum Nr. 3:
Es geht um ein
Projektmanagement
Ein gemeinsames Verständnis, wie man
ein Projekt angeht, ist sicher von Vorteil
– aber weltweit? Schön und bereits realis-
tischer ist es, erst einmal in jeweils einem
Unternehmen eine gemeinsame Anschau-
ung darüber zu haben, wie man alle Pro-
jekte handhabt. Aber Stopp: sind nicht
Projekte aufgrund der Definition unter-
schiedlich und brauchen deswegen auch
ein hinreichend schlankes und angepass-
tes Tool-Set? Demnach wäre es eher weni-
ger zweckdienlich, die Erfordernisse bei-
spielsweise eines Anlagen-Großprojektes
fast eins zu eins auf ein kleines Unterneh-
men oder kleineres Projekt anzuwenden.
Aber was geschieht in der Praxis? Da
wird schon gelegentlich mit Kanonen auf
Spatzen geschossen. Aus welchen Grün-
den auch immer eine pauschalisierende
Vereinheitlichung angestrebt wird (man-
gelnde Einsicht, Gewinnstreben, „Me-
thoden-Narzissmus“), an den messbaren
Erfolg dieses Vorgehens zu glauben, wäre
dann wohl eher ein drohender Irrtum.
Irrtum Nr. 4:
Es geht überhaupt um
Projektmanagement
Mit dem, was wir zu „Irrtum 3“ etwas
überspitzt gesagt haben, stellen wir die
Überbetonung des Instrumentellen in-
frage und ordnen dessen Bedeutung hin-
ter dem eigentlichen Projekterfolg ein. An
dieser Stelle sei unterstrichen, dass ge-
regeltes Projektmanagement ein (Hilfs-)
Mittel zum Zweck bleiben muss und dass
es kostet. Also sollte es möglichst wenig
Aufwand mit sich bringen und einen
möglichst großen Beitrag zur Problemlö-
sung leisten. Wie und nach welchen Prio-
ritäten wir handeln, nach Norm 1 oder 2,
nach Handbuch, mit Menschenverstand
oder mehr in guter, eingeübter, fast wort-
loser Zusammenarbeit – wie beispiels-
weise ein Handwerkerteam – ist womög-
lich entscheidend! In erster Linie geht
es um Erreichung der Projektziele, den
wahrgenommenen Erfolg beziehungs-
weise Zufriedenheit mit dem Projekt, und
erst in zweiter Linie kann es natürlich
durchaus sein, dass uns Ideen und An-
„Projektmanagement“ ist zur Mode ge-
worden. Aber wird es auch kritisch re-
flektiert und gelegentlich einmal entrüm-
pelt? Mit den folgenden durchaus auch
ketzerisch formulierten Statements soll
die bereits vorhandene kritische Einstel-
lung vieler Projektprofis gestärkt werden.
Irrtum Nr. 1:
Viel hilft viel
Muss ein mittelständisches Unterneh-
men wirklich sein Projekthandeln in
die Begriffe Integrationsmanagement,
Scopemanagement, Timemanagement,
Costmanagement, Qualitymanagement,
Human Resource Management, Commu-
nicationsmanagement, Riskmanagement
und Procurementmanagement zwängen
oder würde es nicht auch genügen, sich
darüber einig zu sein, wie man ein Ange-
bot abgibt, ein Vorhaben startet, durch-
führt und abschließt und wie man mitei-
nander umgeht? Müssen Handbücher 100
oder 200 Seiten umfassen oder erfüllen
kleine Leitfäden (Was-Wann-Womit) den
angestrebten Zweck genauso gut?
Irrtum Nr. 2:
Mehr Planung – mehr
Sicherheit
Die Flucht ins Detail bringt nicht zwangs-
läufig mehr Sicherheit und Steuerbarkeit
eines Projektes mit sich! Damit wir uns
nicht falsch verstehen: Brücken sollten
schon so geplant und gebaut sein, dass
sie nach menschlichem Ermessen, auch
unter extremen Bedingungen, nicht ein-
stürzen. Aber kann die Planung eines Ge-
schehens, also die geistige Vorwegnahme
einer Dynamik in der Zukunft, Über-
raschungen ausschließen? Soll heißen,
wir halten die ein oder andere Detail-
Irrtümer des Mainstream-
Projektmanagements
Methode.
Ist die Methode des klassischen Projektmanagements mit den
Erfordernissen unserer Zeit mitgewachsen? Diese Frage stellt der Projekt-Experte
Peter Brix und warnt vor sieben drohenden Irrtümern des klassischen Mainstream-
Projektmanagements. Beispielsweise rückt die Bedeutung der „soften“ Faktoren
immer weiter in den Vordergrund.