Seite 12 - wirtschaft_und_weiterbildung_2013_07-08

Basic HTML-Version

menschen
12
wirtschaft + weiterbildung
07/08_2013
„Einfach den Regler
etwas hochdrehen“
Psychopathen.
Der britische Psychologie-Professor
Kevin Dutton sorgt gerade mit seinem neuesten Buch
„Psychopathen“ (dtv) in Deutschland für Aufregung. Seine
Studien verleiten ihn zu der Behauptung, dass es durchaus
nützlich sein könne, wenn wir uns alle manchmal ein biss-
chen psychopathischer gebärdeten. Unsere Autorin Bärbel
Schwertfeger hat nachgefragt.
Warum haben Sie ein Buch über Psychopathen geschrieben?
Kevin Dutton:
Da gibt es zwei Gründe. Einmal aus wissen-
schaftlichen Gründen. Ich wollte mit den beiden Mythen auf-
räumen, dass Psychopathen immer verrückt und böse sind
und dass man entweder ein Psychopath ist oder nicht. Das
ist nicht so schwarz-weiß. Psychopathische Merkmale können
stärker oder schwächer ausgeprägt sein. Der zweite Grund ist
ein persönlicher. Mein Vater war ein Psychopath. Er war ein
Verkäufer und verscherbelte sehr erfolgreich allen möglichen
Schund, den man nicht braucht. Er war rücksichtslos, furchtlos
und extrem charmant und charismatisch. Also wollte ich mehr
darüber herausfinden.
Haben Sie seine Fähigkeiten auch geerbt?
Dutton:
Das ist eine unanständige Frage. Aber gut, ich bin zwar
Wissenschaftler, aber gleichzeitig natürlich auch Verkäufer und
muss meine Ideen und Bücher unter die Leute bringen. Be-
stimmte Charakteristika meines Vaters habe ich wohl schon
geerbt. Aber ich bin nicht so rücksichtslos und man kann mir
vertrauen. Wenn mein Vater Bayern München unter den Psy-
chopathen war, dann bin ich nur Borussia Dortmund.
Was zeichnet Psychopathen aus?
Dutton:
Sie sind selbstsicher, schieben nichts auf, fokussieren
sich aufs Positive, nehmen Dinge nicht persönlich und sie ma-
chen sich keine Vorwürfe, wenn etwas überhaupt nicht ge-
klappt hat. Sie bleiben cool, wenn sie unter Druck stehen. Sie
sind furchtlos, charmant und gewissenlos. Es gibt Situationen
im Leben, wo das eine oder andere Merkmal durchaus nützlich
sein kann.
Sie meinen, wir alle sollten etwas psychopathischer sein?
Dutton:
Ja, stellen Sie sich vor, Sie könnten alle diese Merk-
male wie an einem Mischpult in verschiedenen Kombinationen
hoch- und runterdrehen. Manchmal wäre das durchaus hilf-
reich. Zum Beispiel, wenn Sie mehr Gehalt von ihrem Chef
wollen. Für viele ist das eine schwierige Situation. Sie denken
daran, was passiert, wenn es nicht klappt. Sie machen sich Ge-
danken, was der Boss oder die Kollegen sich denken. Psycho-
pathen beschäftigen sich nicht mit einem möglichen Scheitern.
Sie fokussieren sich nie auf das Negative, sondern immer auf
die gewünschte Belohnung. Dadurch werden sie automatisch
auch selbstsicherer und überzeugender. Sich selbst in einen
richtigen Psychopathen zu verwandeln ist weder wünschens-
wert noch empfehlenswert. Aber wir alle können den psycho-
pathischen Regler manchmal etwas höherdrehen.
Das heißt, wir sollen auch rücksichtsloser werden?
Dutton:
Ja, absolut. Rücksichtslosigkeit an sich ist weder gut
noch schlecht, es kommt auf die Situation an. Vor Kurzem
Foto: Keith Beaty/ZUMA Press/Corbis
Kevin Dutton.
Der 46-Jährige hat seinen
Doktortitel in Psychologie an der University of
Essex erworben. Thema seiner Promotion:
„Überzeugung und sozialer Einfluss“. Heute
forscht er am Calleva Research Centre for Evolu-
tion and Human Sciences am Magdalen College
der University of Oxford. Sein erstes populäres
Buch „Gehirnflüsterer“ über die Macht der Mani-
pulation erschien im Jahr 2010.