Seite 42 - wirtschaft_und_weiterbildung_2013_01

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training und coaching
42
wirtschaft + weiterbildung
01_2013
Nicht, dass die Methoden des klassischen
Zeitmanagements komplett schlecht
wären. Nein. Aber sie sind einfach nicht
mehr zeitgemäß und ihre Anwendung
stößt erheblich an Grenzen. Es ist also
höchste Zeit, mit den sieben größten Zeit-
managementlügen aufzuräumen.
1 Die Eine-Methode-
für-alle-Lüge
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass
in fast allen Seminaren und Ratgebern
immer „der“ eine Weg für „mehr“ Zeit
gezeigt wird? „Das“ ultimative Rezept?
Freudig werden dabei alle Ratsuchen-
den über einen Kamm geschoren. Ihnen
wird vorgegaukelt, wenn man es nur so
mache wie im Buch beschrieben, dann
würde alles paletti werden. Was für eine
Lüge! Und was für eine Missachtung der
Menschen. Seit Jahrzehnten wissen wir
es, doch ausgerechnet beim Thema Zeit-
management fällt es gnadenlos unter den
Tisch: Jeder von uns ist anders! Jeder hat
eine ganz eigene Persönlichkeit, andere
Stärken und Talente. Und wenn diese
nicht berücksichtigt werden, dann ist
jeder Zeit- und Selbstmanagementansatz
zum Scheitern verurteilt.
Grob gesprochen können wir unsere Ta­
lentwelten in die der systematisch-analy-
tischen Menschen (Zahlen, Daten, Fak-
ten, Ordnung, Struktur) und die der krea-
tiv-chaotischen Menschen (Querdenken,
Ideenreichtum, Risikobereitschaft, Em-
pathie) einteilen. Und während die Sys­
tematisch-Analytischen in der Regel sehr
gut mit klassischem Zeitmanagement
klarkommen, beißen sich die Querden-
ker an diesen Methoden die Zähne aus.
Der Grund ist nahe liegend: Sie lieben es,
spontan zu sein, haben ein hohes Tempo,
arbeiten gerne vernetzt und an mehreren
Dingen gleichzeitig. Penible Planung eng
sie ein, raubt ihnen Lebensqualität und
Energie und ihre To-Do-Listen arten in
der Regel gerne in ein mehrseitiges Brain-
storming aus. Aus diesem Grund brau-
chen die kreativ-chaotischen Neue-Wege-
Geher flexiblere Tools, um ihre Aufgaben
im Griff zu behalten. Bewährt haben sich
Tools wie die „Reisende-To-Do-Samm-
lung“ und das „Tageskonzept“. Finden Sie
deshalb zunächst heraus, wo Ihre Talente
liegen. Im Internet gibt es dazu Gratis-On-
line-Checks. Anschließend macht es Sinn,
eine Strategie zu entwickeln, die zur eige-
nen Persönlichkeit passt.
2 Die Gut-geplant-ist-
schon-gewonnen-Lüge
Beachten Sie bei allen Überlegungen
auch unbedingt Ihr Arbeitsumfeld und
die Art der Tätigkeit. Nicht alle Strategien
machen nämlich für alle Berufe, Tätig-
keiten und Lebenssituationen Sinn. Das
beginnt mit der Hörigkeit des Planes. Das
Ziel des Zeitmanagements sei es, so sagen
einige Experten, Zeitpläne zu erstellen
und das Erledigen einer Arbeit damit ver-
bindlich zu machen. Schade nur, dass wir
uns immer ganz diszipliniert einige Dinge
vornehmen und dann unsere guten Ab-
sichten vom Unvorhergesehenen wegge-
Die Erwartung des Call-Center-Agents
an das Seminar war unmissverständlich:
„Ich habe bereits zwei Burn-Outs hinter
mir, und ich muss hier endlich lernen,
mich besser zu organisieren! Sonst packe
ich das nicht mehr.“ Dieser Wunsch ist
Programm für viele Berufstätige. Europa-
weit befinden sie sich auf erschreckende
Weise im Selbstoptimierungstaumel. Das
Credo der arbeitenden Bevölkerung lau-
tet: mit mehr Disziplin, mehr Organisa-
tion und mehr Strategie endlich die To-
Do-Listen abarbeiten. Und endlich mal
abends mit einem guten Gewissen nach
Hause gehen, statt mit einem Himalaya
unerledigter Tasks im Nacken.
Es gibt keine Wunderwaffe
Doch die Vorstellung, wir könnten uns
mit noch mehr Organisation mehr Ruhe
und Entspannung verschaffen, trügt.
„Zeitmanagement“ als Wunderwaffe
gegen Stress und Arbeitsdruck ist nichts
als ein Tropfen Wasser auf die überhitzte
Arbeitswelt.
Ja, schlimmer noch! Die leichtfertig for-
mulierten Versprechen zahlloser Zeit-
managementseminaranbieter, Effizienz-
Trainer und Zeitplan-Gurus verursachen
bei den meisten Lernwilligen nur ein
schlechtes Gewissen. Weil die Methoden
im Alltag nicht funktionieren, kommt
dann zum alltäglichen Stress auch noch
der Frust und der Selbstzweifel hinzu.
Eine innere Stimme redet einem dann mit
Nachdruck ein, dass man offenbar „zu
blöd“ sei, um sich zu organisieren.
Die sieben größten
Zeitmanagement-Lügen
Arbeitsmethodik.
Mehr schaffen, mehr erreichen, mehr leisten – in unserer Arbeits­
welt haben Tempo und Arbeitsdruck angezogen. Immer mehr Arbeit verteilt sich auf
immer weniger Schultern und reihenweise gehen die Berufstätigen in die Knie. Als
Wundermittel wird dann häufig „Zeitmanagement“ in den Ring geworfen. Doch was
raus aus dem Stress helfen soll, verstärkt das Gefühl von Stress und blutet die
Arbeitswilligen nur noch mehr aus.