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training und coaching
40
wirtschaft + weiterbildung
01_2013
oder „Mitarbeitergespräche führen“, son-
dern auch zu den Grundlagen der Gesell-
schaft und des Zusammenarbeitens. So
geht zum Beispiel der Ansatz der Impli-
ziten Führungstheorien davon aus, dass
Menschen aufgrund ihrer Sozialisation in
der Gesellschaft unbewusste Annahmen
entwickeln, wie Führungsprozesse „nor-
malerweise“ ablaufen und was eine gute
Führungskraft auszeichnet. Mit diesen
Annahmen beurteilen sie die Leistungen
von Führungskräften im Alltag. Und mit
diesen Annahmen bewerten sie auch die
Aussagen und Vorschläge für Verhaltens-
weisen am Arbeitsplatz, die im Training
vermittelt werden.
Als Seminarleiter in internationalen Trai-
nings lernt man deshalb einiges: Viel
über die Erfahrungshorizonte und „impli-
ziten Theorien der Teilnehmer“ und noch
mehr über die eigenen unbewussten An-
nahmen und Prägungen. Nichts, was wir
im Umfeld unserer impliziten Theorien
und Erfahrungen für selbstverständlich
halten, ist zwangsläufig auch selbstver-
ständlich für die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer. So manches gut gemeinte
Training zerfasert in Diskussionen und
Klärungsgesprächen, bevor Teilnehmer
und Trainer zu den eigentlichen Lern-
punkten vordringen.
Fazit:
Internationale Trainings leisten
immer mehr Übersetzungsarbeit als nati-
onale Trainings. Trainer müssen ihre Teil-
nehmer nicht nur abholen, sondern auch
gewährleisten, dass diese ihr mentales
und kulturelles Gepäck mitbringen und
auspacken können. Dazu ist viel interkul-
turelles Fingerspitzengefühl und Wissen
über die andere Kultur notwendig.
4. Seminardidaktik:
Die Trainerrolle anpassen und
annehmen
Eine wichtige Annahme der „Implicit
Leadership Theory“ besteht darin, dass
Leadership nicht in den Aktionen der
Führungskraft, sondern in den Augen
und in der Wahrnehmung der Geführten
entsteht. Ähnliches lässt sich auch über
die Rolle des Trainers sagen, der im Trai-
ning ja ganz gewiss eine Führungsrolle
übernimmt. Auch hier bringen die Teil-
nehmer ihre Erfahrungen und vor allem
ihre Erwartungen an einen guten Trainer
mit. Ein Phänomen, das viele Trainer, die
in ihrem Heimatland jahrelang erfolgreich
waren, beim ersten internationalen Ein-
satz immens unterschätzen. Keinesfalls
gilt das, was in Deutschland einen guten
Trainer ausmacht (zumindest, wenn man
den Selbstbeschreibungen der Trainer
Glauben schenkt) auch in anderen Kul-
turen als gut, professionell und erwar-
tungsgemäß. Empathie, die Kunst des Zu-
hörens und die Fähigkeit zur Moderation
müssen nicht zwangsläufig in allen Kul-
turen gleich gewichtet sein. Im Gegenteil:
Oft wird vom Trainer etwas ganz anderes
erwartet – mehr Dozieren, mehr Beleh-
ren, mehr Monologisieren. Darauf muss
ich als Trainer vorbereitet sein. Und ich
muss die Rolle zumindest ansatzweise
anpassen, wenn ich mein Seminar nicht
zur Meta-Diskussion über internationale
Seminarmethodik ausweiten möchte.
Das verlangt eine gehörige Portion Selbst-
überwindung. Und die Einsicht, dass
auch jahrzehntelange Trainingserfahrung
hier nicht weiterhilft, wenn diese auf na-
tionale Trainings beschränkt ist. Weniger
Erfahrung ist hier manchmal mehr: mehr
Bereitschaft, neu zu lernen.
Fazit:
Auch erfahrene Trainer müssen neu
lernen, sich in ungewohnten Trainerrol-
len zurechtzufinden und ihren vertrauten
Trainingsstil abzuändern oder abzulegen.
Learning by Doing geht auch hier über
alles.
So verlockend der wachsende Markt für
internationale Seminare auch sein mag:
Der Aufwand für Trainer, die in ihre Kom-
petenz, ihre Trainingsinhalte und ihre
Trainingsroutine investieren müssen, ist
nicht zu unterschätzen. Lohn der Mühe:
Abwechslungsreiche Aufträge und eine
Fülle an spannenden Begegnungen im
Trainingsraum. Es gibt Erlebnisse und Er-
kenntnisse, für die andere weite Reisen
und Strapazen auf sich nehmen müssen.
Lars-Peter Linke
r
Dr. Lars-Peter Linke
ist Geschäftsführer
der Akademie für Führungskräfte der Wirt-
schaft GmbH, Überlingen, und spezialisiert
auf internationale Managementtrainings
Mit Andersartigkeit umgehen lernen
Weltbilder.
Es kommt entscheidend darauf an, dass das
unterschiedliche Managementverständnis von Trainern und
Teilnehmern genauso geklärt wird wie deren Verständnis
von einem guten Training.
Quelle: Dr. Lars-Peter Linke
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Verständnis Teilnehmer
Management-
Verständnis Trainer
Trainings-
Verständnis
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