Seite 36 - wirtschaft_und_weiterbildung_2013_01

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personal- und organisationsentwicklung
36
wirtschaft + weiterbildung
01_2013
darstellt, um das neue Haus Tlapa aufzu-
bauen. Das Ziel hierbei: die Mitarbeiter
als Mitstreiter gewinnen. Nahezu zeit-
gleich fand ein Workshop der Geschäfts-
führung mit den Führungskräften statt
mit dem Ziel, eine (engere) Beziehung zu
ihnen aufzubauen. Dort wurde mit der
Führungsmannschaft erörtert:
• Was sind die Aufgaben einer Führungs-
kraft im Hause Tlapa?
• Was erwartet die Geschäftsführung von
den Führungskräften? Und:
• Was erwarten die Führungskräfte von
der neuen Geschäftsführung?
Zudem wurde versucht, erste Skizzen
eines Zukunftsbildes für das Unterneh-
men zu entwerfen. Dieser Versuch schei-
terte, gesteht Dessel: „Die Zeit war hierfür
noch nicht reif.“
Problem: Führungskräfte
führen nicht
In den Workshops zeigt sich erneut: In
dem Unternehmen werden Konflikte und
Probleme unter den Teppich gekehrt statt
sie aktiv anzugehen – auch weil viele
Führungskräfte zwar gute Fachkräfte,
aber keine echten Führungskräfte sind.
Keine idealen Voraussetzungen, um die
anstehenden Veränderungen geschwind
zu meistern. Das wurde der Gesprächs-
führung zunehmend klar – zumal einige
initiierte Projekte im Sande verliefen,
obwohl es Projektverantwortliche hier-
für gab. Als Folge davon machte sich bei
der Geschäftsführung Ungeduld breit.
Ihre Neigung wuchs, endlich mal auf
den Tisch zu hauen. Das erkannten Dis-
per und Zwenig zum Glück rechtzeitig.
Deshalb beschlossen sie, sich von Rainer
Nollens coachen zu lassen. In den Coa-
chingsitzungen reflektieren sie gründlich
die Situation und ihr Verhalten. Zudem
entwarfen sie Strategien, um mit den
Gegenreaktionen umzugehen. „Denn es
bringt nichts“, so Disper, „an Grashalmen
zu zupfen. Dann wachsen sie auch nicht
schneller.“
Im Frühjahr 2009 wurde eine Steuerungs-
gruppe gegründet, in der die Geschäfts-
führung, die Bereiche des Unternehmens
und der Betriebsrat vertreten waren.
Dieses Team sollte fortan das Bindeglied
zwischen den Prozessbeteiligten sein
und den Veränderungsprozess sowie die
initiierten Projekte steuern. Währenddes-
sen kamen immer wieder Gerüchte über
weitere Entlassungen auf, was zusätz-
liche Unruhe produzierte – auch weil ein
Teil der Führungsmannschaft einfach zu
wenig mit seinen Mitarbeitern kommu-
nizierte.
Immer deutlicher zeigte sich: Viele Füh-
rungskräfte nehmen ihre Führungsaufga-
ben nur begrenzt wahr – teils aufgrund
mangelnder Eignung oder Erfahrung,
teils weil ihnen das Handwerkszeug fehlt.
Deshalb wurde der aktuelle Entwick-
lungsstand der Führungskräfte mit einem
Analyseinstrument ermittelt. Außerdem
wurden Anforderungsprofile an die Stel-
leninhaber erstellt. Hierauf aufbauend
wurde im August 2009 ein zweijähriges
Führungskräfteentwicklungsprogramm
gestartet. Dieses bestand aus vier fünf-
tägigen Workshops pro Jahr. In ihnen
wurde den Führungskräften das erforder-
liche Führungs-Know-how vermittelt. Au-
ßerdem erprobten sie dessen Anwendung
in realen Führungssituationen.
Führungskräfte und Verkäufer
werden gezielt trainiert
Im September 2009 startete auch ein
Trainingsprogramm für die Verkäufer.
Hierfür wurden zunächst interne Trainer
ausgebildet. Diese sollten ihre Kollegen
schulen, und zwar wie folgt: Einmal pro
Monat schauen sich die Arbeitsteams
einen Kurzfilm an, in dem ein verkaufsre-
levantes Thema wie „Kundenansprache“
oder „Zusatzverkäufe“ erörtert wird. Da-
nach sprechen die Mitarbeiter darüber,
was dieses Thema für Tlapa bedeutet und
wie es umgesetzt werden kann, bevor sie
schließlich im Folgemonat täglich fünf
Minuten beispielsweise die Kundenan-
sprache trainieren – und zwar in Dreier-
teams. Ein Verkäufer mimt den Kunden,
ein zweiter den Verkäufer. Und der Dritte?
Er beobachtet das Geschehen und gibt
den Kollegen Feedback. Das Ziel dieses
Vorgehens: Das Training soll ein Teil des
Arbeitsalltags werden. Und durch das
regelmäßige Wiederholen soll bei den
Verkäufern die erforderliche Verhaltens-
sicherheit entstehen. Anfangs wurden in
Teilen der Belegschaft Stimmen laut wie:
„Erst entlassen sie aus Kostengründen
r
Ulrich Dessel,
Organisationsberater und Geschäftsführer der Mit-
telstandsberatung Nollens, Dessel & Kollegen GmbH in Soyen.
Rainer Nollens,
Organisationsberater und Geschäftsführer der
Mittelstandsberatung Nollens, Dessel & Kollegen GmbH in Soyen.