Seite 30 - wirtschaft_und_weiterbildung_2013_01

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personal- und organisationsentwicklung
30
wirtschaft + weiterbildung
01_2013
Ist nur ein kleiner Aspekt in der Führung
nicht auf den einzelnen Mitarbeiter abge-
stimmt, sind alle Bemühungen umsonst.
Eine solche Führungsphilosophie lässt
sich nicht von heute auf morgen imple-
mentieren. Wie sind Sie vorgegangen?
Liu:
Da haben Sie Recht, das ist kein ein-
facher Prozess. Ich ernte auf Vorträgen
über dieses Thema intellektuell viel Zu-
stimmung, aber in der Praxis tun sich die
meisten damit schwer. Als wir vor acht
Jahren damit begonnen haben, unsere
Führungsphilosophie sukzessive einzu-
führen, haben wir das Thema über die
Debatte zum Bonussystem angestoßen.
Das war unsere erste Durchbruchstelle.
Wie hängen Bonussystem und Führungs-
philosophie zusammen?
Liu:
Bonussysteme sind der klassische
Beleg dafür, was Organisationen unter
Führung und Motivation verstehen. Vor
der Lanxess-Gründung gab es ein Bonus-
system, das wie in den meisten Unterneh-
men auf einer mathematischen Formel
basierte. Je nach dem Arbeitsergebnis des
Mitarbeiters hat er einen Bonus nach er-
rechnetem Anteil erhalten. Dabei wurde
aber das größte Problem ignoriert. Füh-
rung heißt Leistung und diese besteht aus
drei Elementen: Die Ergebnisse liegen an
der Oberfläche. Darunter kommen die
Kompetenzen und Fähigkeiten des Mit-
arbeiters und noch eine Schicht tiefer
die Motivationslage. Das herkömmliche
Bonussystem adressiert nur die oberen
beiden Elemente, sodass man früher nur
über die Ergebnisse gesprochen hat und
dann persönliche Entwicklungspläne und
Das Führungskräfteprogramm von
Lanxess basiert auf einer Führungsphi-
losophie statt auf Leitsätzen. Wie genau
sieht sie aus?
Zhengrong Liu:
Unsere Führungsphiloso-
phie basiert – grob gesagt – auf Freiraum
und Vertrauen. Dahinter steht eine tiefge-
hende Überzeugung, die aus Realitätssinn
und einer gewissen Portion Demut resul-
tiert. Führung lässt sich definieren als die
Aufgabe, auf das Verhalten von Menschen
einzuwirken. Dies ist ein sehr sensibler
und hoch individualisierter Vorgang. Die
Erfahrung zeigt, dass im Allgemeinen
etwas sehr Dramatisches passieren muss,
bis ein Mensch sein Verhalten in seiner
Grundstruktur ändert. Das bedeutet im
Umkehrschluss für die Personalführung
zweierlei: Führungskräfte müssen ihr
eigenes Verhalten reflektieren, damit sie
überhaupt Zugang zu ihren Mitarbeitern
finden. Sie verteilen keine Instruktionen
zur Verhaltensänderung, sondern arbei-
ten an sich selbst. Das erzeugt die Ver-
haltensänderungen auf der Gegenseite.
Die Organisation muss sich dabei zurück-
nehmen. Statt direkter Intervention und
Regulierung bietet sie Hilfe an, damit sich
jeder selbst ändern kann. Darum haben
wir die große Betonung auf Freiraum in
unserer Führungsphilosophie verankert.
Der Freiraum ist die erste wichtig Voraus-
setzung, damit ein Prozess der Verhal-
tensänderung überhaupt in Gang gesetzt
werden kann.
Warum fassen Sie dies nicht in Führungs-
leitsätzen zusammen?
Liu:
Einzelne Leitsätze wären für die
hoch individuelle Führung zu pauschal.
„Das Bonussystem war die
erste Durchbruchstelle“
interview.
Aufbauend auf der Führungsphilosophie von Lanxess aus Freiraum und
Vertrauen hat Personalleiter Zhengrong Liu nicht nur die Führungskräfteentwicklung
angepasst. Auch beim Bonussystem und Mitarbeitergesprächen geht er neue Wege
und bricht dabei mit einigen HR-Traditionen.
Foto: Lanxess