Seite 54 - wirtschaft_und_weiterbildung_2013_11-12

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training und coaching
54
wirtschaft + weiterbildung
11/12_2013
die Persönlichkeit des Kandidaten erfah-
ren wollen. Gefordert sind dabei kurze
Ausführungen – meist 250 bis 400 Wör-
ter – zu einem vorgegebenen Thema wie:
Beschreiben Sie ein Ereignis, in dem Ihr
Führungsstil deutlich wird. Was war Ihre
bisher größte Herausforderung – persön-
lich oder beruflich – und wie haben Sie
diese gemeistert?
Bei Motivationsschreiben
115 Plagiatoren erwischt
Ein gutes Essay zu schreiben ist nicht
einfach, zumal die Länge begrenzt ist.
Da muss jedes Wort sitzen. Zahlreiche
Bewerber greifen daher auf die Hilfe von
Beratern zurück oder nutzen die unzähli-
gen Lösungsbeispiele, die im Internet kur-
sieren und viele zum Abschreiben verlei-
ten. Das wiederum hat dazu geführt, dass
immer mehr Schulen, mithilfe spezieller
Software, auf die Jagd nach Plagiaten
gehen. So hat die Anderson School of Ma-
nagement an der University of California
(UCLA) Anfang des Jahres 115 Bewerber
wegen Plagiaten in den Essays zurückge-
wiesen.
Inzwischen haben einige Schulen die
Zahl der Essays reduziert oder verzichten
gleich ganz darauf. „Eine MBA-Bewer-
bung ist kein Essay-Wettbewerb“, erklärte
Dee Leopold, Direktorin für die Zulassung
von MBA-Studenten an der Harvard Busi-
ness School vor einigen Monaten. Künftig
soll daher ein Essay genügen. Bisher wur-
den noch zwei verlangt. Wer will, kann
auch gar kein Essay abliefern. Andere
Schulen experimentieren mit Video-Es-
says, bei denen MBA-Bewerber per Video
Antworten auf zufallsgenerierte Fragen
geben müssen. An der amerikanischen
Kellogg School of Management bekom-
men die Bewerber über den Bildschirm
(ähnlich wie bei Skype) Fragen gestellt,
auf die sie nach einer Überlegungszeit von
zwei Minuten antworten müssen. Dabei
haben sie drei Versuche frei, eine über-
zeugende Antwort zu geben. Wenn sie bei
der ersten Frage scheitern, können sie das
löschen und eine andere Frage anfordern.
Dabei gehe es nicht um die Lösung eines
Problems. Die Fragen seien so, dass man
mehr über die Person des Bewerbers er-
fahre, erklärt Kate Smith, Assistant Dean,
die Zulassung der MBA-Studenten.
Als erste Business School hatte die kana-
dische Rotman School of Management
an der University of Toronto letztes Jahr
ein Pilotprojekt mit einem Video-Essay
gestartet und verlangt es auch in diesem
Jahr. Hier müssen die Bewerber – ohne
Vorbereitung – in eineinhalb Minuten
zwei aus mehr als hundert zufällig ein-
gespielten Fragen beantworten. Andere
Schulen wie die Stern School of Business
an der University of New York akzeptie-
ren Video-Antworten, ermöglichen aber
auch andere Formate wie das schriftliche
Essay. Einen anderen Weg geht die Yale
School of Management. Sie will künftig
die Emotionale Intelligenz ihrer MBA-Be-
werber messen. Dahinter steht die Idee,
dass Führungsfähigkeiten damit zu tun
haben, die Gefühle anderer Menschen zu
erkennen und zu verstehen und seine ei-
genen Gefühle angemessen managen zu
können sowie effektiv kommunizieren
zu können. Der dafür eingesetzte Salo-
vey-Caruso Emotional Intelligence Test
An der Tippie School of Management an
der University of Iowa hat man sich die-
ses Jahr etwas Besonderes ausgedacht.
Wer sich für einen Studienplatz im MBA-
Programm bewirbt, kann statt dem bisher
üblichen Essay eine besonders kreative
Powerpoint-Präsentation vorlegen und
damit sogar ein Stipendium im Wert von
mehr als 38.000 Dollar gewinnen. Be-
antwortet werden muss dabei die Frage:
„Erzähl uns, warum wir in Dich inves-
tieren sollen?“ Damit hoffe man, mehr
über den Bewerber zu erfahren, erklärte
Jodi Schafer, Direktor für die Zulassung
von MBA-Studenten, gegenüber dem
Wirtschaftsmagazin Businessweek. Man
bewerte kreative Antworten und achte
darauf, was ein Kandidat dabei als seine
einzigartige Stärke sieht.
Wie die Tippie School of Management ex-
perimentieren derzeit zahlreiche Schulen
mit neuen – bisweilen recht fragwürdigen
– Auswahlkriterien. Dabei unterschätzen
gerade deutsche MBA-Interessenten oft,
wie umfangreich die Bewerbung an einer
Topschule ist. Da müssen Referenzen ein-
geholt, Essays geschrieben und Zeugnisse
übersetzt sowie der Sprachtest TOEFL
(Test of English as a Foreign Language)
und der GMAT (Graduate Management
Admission Test) abgelegt werden. In den
USA gibt es daher längst jede Menge Be-
rater, die Bewerbern für ein paar Hundert
Dollar versprechen, ihnen zu einem Stu-
dienplatz zu verhelfen.
Gerade ihre Aktivitäten sind auch mit
schuld, warum immer mehr Schulen ihre
Zulassungskriterien derzeit ändern. Auf
dem Prüfstand stehen dabei vor allem die
Essays, mit denen die Schulen mehr über
MBA-Schmieden ändern
weltweit Zulassungskriterien
MBA 3.
Bei der Auswahl von künftigen MBA-Studenten experimentieren die Business
Schools derzeit mit allerlei neuen Methoden. Manche sind dabei recht fragwürdig. So
wird zum Beispiel an einigen Schulen die „emotionale Intelligenz“ getestet oder die
Bewerber müssen Rollenspiele aus dem Stegreif bewältigen.