Seite 34 - wirtschaft_und_weiterbildung_2013_11-12

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personal- und organisationsentwicklung
34
wirtschaft + weiterbildung
11/12_2013
Nachdem im Zeitalter der Industrialisie-
rung die Prozesse und danach Strategien
optimiert wurden, um Unternehmen zu
mehr Erfolg zu verhelfen, steht nun der
Mensch im Mittelpunkt. Und zwar nicht
in der Definition einer Ressource, sondern
als das, was ihn ausmacht: Einem absolut
unverzichtbaren Teil der Wertschöpfung
und Innovation jedes Unternehmens.
Ähnliche Ansätze empfehlen seit Jahren
Managementberater wie Gary Hamel,
Peter Kotter, Niels Pfläging oder Reinhard
K. Sprenger. Alle weisen darauf hin, dass
die zunehmende Veränderungsgeschwin-
digkeit und die damit einhergehende
Komplexität der Märkte andere Manage-
ment-, Führungs- und Organisationsmo-
delle erfordern, damit Unternehmen sich
im Wettbewerb um Kunden, Mitarbeiter,
Produktionsmaterial und Finanzmittel
weiter behaupten können.
Softwareindustrie ist Vorreiter
Konkrete und langjährige Erfahrun-
gen mit neuen Führungsmodellen kann
die Softwareindustrie vorweisen. Seit
ihrem Bestehen, spätestens aber seit den
1980er-Jahren, unterliegt diese Industrie
einer immer größer werdenden Dynamik.
Das ist ein Grund dafür, dass dort Ende
der 1980er-Jahre bereits die ersten An-
sätze entwickelt wurden, die Unsicherheit
in Projektplanungen nicht als störend an-
sehen, sondern sie als notwendig in einer
dynamischen Umwelt betrachten. Mitte
der 1990er-Jahre entstand der „Scrum
Guide“ von Ken Schwaber und Jeff
Sutherland – das erste Rahmenwerk für
die sogenannte „Agile Softwareentwick-
lung“. Dazu schrieb Schwaber: „Scrum
akzeptiert, dass der Entwicklungsprozess
nicht vorherzusehen ist. Das Produkt ist
die bestmögliche Software unter Berück-
sichtigung der Kosten, der Funktionalität,
der Zeit und der Qualität.“
Im Jahre 2001 wurden dann unterschied-
liche Rahmenwerke und Methoden, die
diesen Ansatz unterstützen, im soge-
nannten „Agilen Manifest“ formuliert.
Darin werden zunächst Werte und Prinzi-
pien aufgestellt: „Wir erschließen bessere
Wege, Software zu entwickeln, indem wir
es selbst tun und anderen dabei helfen.
Durch diese Tätigkeit haben wir diese
Werte zu schätzen gelernt:
• Individuen und Interaktionen mehr als
Prozesse und Werkzeuge,
• funktionierende Software mehr als um-
fassende Dokumentation,
• Zusammenarbeit mit dem Kunden
mehr als Vertragsverhandlung,
• Reagieren auf Veränderung mehr als
das Befolgen eines Plans.“
Diese Werte werden konsequent in ein
neues Verständnis von Führung übertra-
gen und umgesetzt.
Wie sehen solche agilen Führungsmo-
delle in der Praxis aus? Sie kommen ohne
Projektleiter oder formulierte Hierarchien
aus. Zudem spielt Transparenz in der agi-
len Führung eine kritische Rolle: Alle im
Team müssen die Möglichkeit haben, sich
über das gesamte Projekt ein detailliertes
Bild machen zu können. Des Weiteren
herrscht eine hohe Eigenverantwortung
aller Teammitglieder.
Mut zu Visionen
Das entspricht nicht den Führungsmodel-
len, die uns meist vertraut sind. Wenn wir
an Unternehmen denken, haben wir Hie-
rarchien oder eine Matrix, Berichtslinien,
Stellenbeschreibungen und getrennte Ab-
teilungen vor Augen. Schwerlich – und
Drei entscheidende Megatrends werden
unser Verständnis und die praktische
Umsetzung von Führungsmodellen künf-
tig maßgeblich beeinflussen. Das belegt
eine Studie des Schweizerischen Instituts
für Betriebsökonomie aus diesem Jahr
mit dem Titel „Die Zukunft der Führung“.
Der erste Megatrend ist die zunehmende
Individualisierung, die Ermächtigung des
Einzelnen. Mit ihr gehen mehr Offenheit,
Zusammenarbeit und Interaktion – auch
über Unternehmensgrenzen hinweg – im
Wirtschaftsleben einher. Darauf müssen
Führungsmodelle angepasst werden.
Der zweite Megatrend ist die steigende
Flexibilisierung. Im Außen- und Innen-
verhältnis eines Unternehmens lösen
sich Strukturen und Institutionen auf.
Von Projekt zu Projekt können Vorge-
setzte, Experten, Kunden und Lieferan-
ten laufend ihre Rollen wechseln. Dazu
kommt, dass die Zunahme der Menge
an Daten und Information zu einer an-
deren Umgangsweise in Bezug auf Ent-
scheidungsfindung führt: Heuristiken
und Faustregeln in Kombination mit „ein-
fach ausprobieren“ führen zu Ansätzen,
die ein Modell favorisieren, das aus dem
Kreislauf von „versuchen, scheitern, neu
starten und neu versuchen“ besteht.
Der dritte Megatrend, der die Führung in
Unternehmen beeinflussen wird, ist der
demografische Wandel. Unternehmen
erhalten eine große Chance, wenn sie es
schaffen, Multigenerationalität zu kul-
tivieren, da dadurch eine höhere Belast-
barkeit und Flexibilität der Organisation
geschaffen wird.
Unter diesen Voraussetzungen müssen
sich die bislang vorherrschenden Füh-
rungsmodelle grundlegend ändern, damit
ein Unternehmen weiterhin erfolgrei-
cher als andere am Markt agieren kann.
Wenn der Chef agil ist
HINTERGRUND.
Agile Methode sind in der Softwareentwicklung bekannt. Entscheidend
dafür ist unter anderem das dahinter stehende Führungsmodell, das sich auch
außerhalb von Softwareprojekten anwenden lässt. Wie die Grundpfeiler der agilen
Führung aussehen und warum alle Unternehmen davon profitieren können.