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wirtschaft + weiterbildung
04_2012
rekt hinter ihm steht und den seinerseits der Navigator ins-
truiert. Ein guter Steuermann konzentriert sich nur auf seine
Aufgabe. Wenn er selbst anfängt herumzuschauen, verliert er
seine Konzentration und die Rennyacht ist nicht mehr perfekt
eingestellt. Das gilt auch in der Wirtschaft: Führungspersön-
lichkeiten sollten wissen, wo ihre Prioritäten liegen und sich
nicht plötzlich in Bereiche einmischen, die anderen übertragen
sind. Sie müssen darauf vertrauen, dass alle Aufgaben richtig
erfüllt werden.
Im Spitzensport braucht es eine besonders große Disziplin
und Leistungsbereitschaft. Woher nehmen Sie die?
Neidhart:
Beim Segeln ist das ziemlich einfach. Wenn wir un-
diszipliniert sind, werden wir sofort mit den Konsequenzen
bestraft, dann fliegt uns das Zeug um die Ohren. Rennyachten
sind nicht leicht zu segeln, selbst bei idealen Windverhältnis-
sen kann man sich nicht entspannt zurücklehnen und einfach
treiben lassen. Das heißt, wir werden sehr schnell mit den Fol-
gen unserer Fehler konfrontiert. Von daher besteht per se eine
große Bereitschaft zur Disziplin. Aber es braucht auch Leute,
die diese Haltung vorleben.
Begleiten Sie Leistungsbereitschaft und Disziplin ständig
durchs Leben?
Neidhart:
Das kommt drauf an. Man braucht keine sinnlose
Disziplin. Auch beim Krafttraining im Team-Alinghi haben wir
gemerkt, dass wir das vorgelegte Tempo physisch nicht durch-
halten und haben rote und grüne Wochen eingeführt. Nach
zwei Wochen hartem Training waren wir dann eine Woche
lang regenerativ unterwegs. Wenn es um nichts geht, hat es
keinen Sinn, sich ständig zu quälen. Wichtig ist, sich auf den
richtigen Moment zu konzentrieren.
Welche Rolle spielt das Geld?
Neidhart:
Im klassischen America’s Cup hat noch nie die
Mannschaft mit dem größten Budget und mit dem größten
personellen Aufwand gewonnen. Geld ist zweifellos wichtig –
ohne ein gutes Produkt, eine gute Rennyacht, können Sie nicht
kompetitiv mitsegeln. Aber die Innovationskraft einer Mann-
schaft ist noch wichtiger. Das lehrt auch die Geschichte: Beim
Sieg im Jahr 2003 verfügte Alinghi nur über das viertgrößte
Budget. Die Kunst besteht darin, relativ früh zu erkennen, in
welche Richtung die Entwicklung gehen soll. Wenn Sie keinen
finanziellen Rahmen setzen, verlieren Sie den Fokus. Dann
werden Projekte in alle Richtungen angestoßen und die Kräfte
sind nicht mehr gebündelt.
Wie entsteht ein Wir-Gefühl?
Neidhart:
In erster Linie über Kommunikation. Da ist das Ma-
nagement gefordert. Die Führung muss klar aufzeigen, worum
es geht und wo man steht. Oft stecken Mitarbeiter in irgend-
welchen Projekten und verlieren dabei das große Ziel aus den
Augen. Transparenz sorgt für klare Verhältnisse. Auch durch
kurze Wege und klare Zuständigkeiten lässt sich sehr viel be-
wirken. Und zu sehen, mein Beitrag zählt und wird wertge-
schätzt, das motiviert und erhöht enorm die Identifikation.
Andererseits, wenn ein Chef kein Ohr für die Ideen seiner Mit-
arbeiter hat, machen schließlich alle Dienst nach Vorschrift.
Dann fühlt sich niemand mehr verantwortlich, es gibt keine
Identifikation mit den Unternehmenszielen und die einmal
vorhandene Energie verpufft. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. In
meiner Zeit bei Alinghi konnte ich auch abends um acht Uhr
noch ins Büro kommen und den berühmtesten Bootsdesigner
der Welt ansprechen: „Dieses Teil funktioniert nicht richtig.
Können wir es verändern?“ Dann hat dieser Mann nicht etwa
abgeblockt nach dem Motto: „Das habe ich an meinem Super-
Computer gebaut, da gibt es nichts zu meckern“, sondern hat
mir interessiert zugehört. Wir haben gemeinsam einen neuen
Entwurf erstellt und hatten im Nu eine Innovation.
Sind Ihre Erfahrungen denn eins zu eins auf die Wirtschaft
übertragbar?
Neidhart:
In der Wirtschaft und im Sport geht es immer um
eine Gruppe von kollektiven Akteuren, oft als Team bezeich-
net. Der Begriff Team ist jedoch ein definitionsschwacher Aus-
druck und suggeriert eine Art freundliche Zusammenarbeit,
eine Art „Friede, Freude, Eierkuchen“. Das ist aber nicht der
Fall. Es geht um das gemeinsame Ziel: Sie wollen gewinnen
beziehungsweise Geld verdienen, um zu überleben. Siege im
Sport bedeuten, dass ein Team erfolgreich ist, die Sponsoren
dabeibleiben und die Mannschaft Bestand hat. Wenn eine
Firma überzeugende Produkte hat, kann sie viel verkaufen und
behauptet sich am Markt. Es gibt allerdings einen Unterschied:
In der Wirtschaft wird viel über Unternehmensberater gesteu-
ert. Sie kommen ins Spiel, wenn die Geschäfte schlecht laufen,
sollen dann irgendwas straffen, Abläufe verbessern, Leute ent-
lassen, die Gewinne erhöhen. Im Sport geht es mehr um die
einzelnen Spieler, da läuft sehr viel über Coaching. Es wird mit
großem Aufwand in die Leistungsträger investiert, weil sie das
teuerste Gut sind.
Interview: Petra Jauch
R
Veranstaltungstipp.
Dominik Neidhart hält seinen Keynote-
Vortrag: „Go hard or go home. Fünf Schritte vom Heraus-
forderer zum Sieger” im April und Mai auf folgenden Ver-
anstaltungen:
Messe Personal Swiss
Dienstag, 17. April, 11.20 bis 12.05 Uhr
Messe Zürich, Halle 5 & 6, Forum 4
Messe PERSONAL2012 Süd
Dienstag, 24. April 2012, 11.20 bis 12.05 Uhr,
Messe Stuttgart, Halle 9, Forum 3
Messe PERSONAL2012 Nord
Mittwoch, 9. Mai 2012, 13.45 bis 14.20 Uhr,
CCH Hamburg, Halle H, Forum 2
„Go hard or go home”