Seite 40 - wirtschaft_und_weiterbildung_11_12_2011

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fachbeiträge
40
wirtschaft + weiterbildung
11/12_2011
Drei Coachs für einen Klienten
Der Höhepunkt der „Meisterklasse X-Change“ bestand
darin, dass drei namhafte Coachs, die jeweils die Vorrei-
ter einer bestimmten Methode sind, gemeinsam konkrete
Coaching-Prozesse gestalteten und zum Abschluss brach-
ten. Mit dabei waren Dr. Gunther Schmidt, Heidelberg, der
Erfinder der hypnosystemischen Methode, Professor Dr.
Varga von Kibéd, München, ein bekannter systemischer
Organisationsaufsteller, und Dr. Stephen G. Gilligan, ein
NLP´ler und Trance-Experte aus Kalifornien.
30 Teilnehmer besuchten die „Meisterklasse“. Aus ihnen
wurde jeweils einer herausgepickt, der dann ein konkretes
Problem vorstellte und um ein Coaching bat. Der Klient
bestimmte dann, zum Teil mit Bernd Iserts Hilfe, der in die
Moderatorenrolle schlüpfte, welcher Coach gerade „dran“
sein sollte. Selbst für Gunther Schmidt war es anfänglich
irritierend, mitten in einer Intervention weggeschickt zu wer-
den. Doch bald wurde es für ihn eine „unglaubliche Berei-
cherung“, obwohl er sich außerhalb seiner „methodischen
Komfortzone“ bewegte. Schmidt näherte sich der Lösung
meist mit seiner bekannten „Problemlösungsgymnastik“.
Auf der Basis von Morenos Psychodrama wurden die Kli-
enten eingeladen, kleine Szenen zu spielen. Bewegungsab-
läufe und das damit verbundene Körperempfinden sind für
Schmidt aufschlussreicher als die „Rechtfertigungsrhetorik
des Neocortex“. Sowohl die Problemsituation als auch die
möglichen Lösungen wurden in Choreografien umgesetzt.
Der Klient erfuhr sehr anschaulich, mit welchen Aktio-
nen, Interaktionen und Inszenierungen er zum autonomen
Regisseur des Problems und der Lösung werden kann. Das
war in die Praxis umgesetzter Konstruktivismus!
Methodenintegration.
Das Weiterbildungsinstitut „Metaforum“ in Berlin erprobte anlässlich
seines 25-jährigen Jubiläums ein spezielles Workshop-Format, das Bernd Isert, Gründer des
Metaforums, „Meisterklasse X-Change“ nannte und im August im Anschluss an sein traditio-
nelles Sommercamp im italienischen Kurort Abano Terme in der Nähe von Venedig durchführte.
Meisterklasse (v. l.):
Schmidt, eine Übersetzerin, Gilligan,
Isert und Varga von Kibéd diskutieren ihr Vorgehen.
Wenn Matthias Varga von Kibéd das Coaching übernahm,
rückte man erst einmal Stühle zur Seite. Er stellte im
Raum „innere Anteile“, „Symptome“ und „Werte“ auf.
Diese Simulation der Beziehungsmuster im Außen war für
ihn eine „ausgebreitete Form der Information“. Das von
dem Klienten aufgestellte innere Bild wurde dann so lange
verändert, bis alle Repräsentanten sich ressourcenreich
fühlten.
Dabei war man sich bewusst, dass dieser „Gruppenklar-
traum“ absichtlich herbeigeführt wurde und nicht die
eigentliche Wirklichkeit ist. Der Klient konnte auf diese
Weise buchstäblich in Lösungsbilder hineintreten und
lernte die „bessere Version von sich kennen“.
Wenn Stephen Gilligan, der Meister der Trancearbeit, vom
Klienten „abgerufen“ wurde, füllte seine sonore Stimme
den Raum mit Musik. Seine imaginativen Metaphern und
Geschichten schafften sofort eine „Dehypnotisierung der
Alltagstrance“. Klienten und Seminarteilnehmer entspann-
ten sich und waren neugierig , welche inneren Bilder sich
einstellen würden. In dieser meditativen Stimmung offen-
barten die Klienten Wunden, Wünsche und Lösungen, die
direkt aus dem Unterbewussten kamen. Für Gilligan zerre-
det das rationale Bewusstsein nur. Der Amerikaner kam
immer dann zum Einsatz, wenn neue ressourcenstarke
Ideen gefunden werden sollten, die das nicht sprachliche
Unwillkürliche schon längst entwickelt zu haben scheint.
„Wenn du feststeckst, schaffe eine neue Wirklichkeit!“, so
Gilligans Motto.
Die Referenten und Teilnehmer dieser Veranstaltung
wurden in einer euphorischen Stimmung durch die Tage
getragen, die wohl dadurch entstand, dass man hier etwas
Neuem beiwohnen durfte. Die Beratungsvielfalt und die
Beratungsdichte, die mehrere Coachs in einen Coaching-
Prozess einbringen können, haben nach Meinung der
Betroffenen wie der „Zuschauer“ die Wirkung des Coa-
chings potenziert – auch wenn der Nutzen der erarbeiteten
Lösungen sich endgültig erst im Alltag zeigen wird.
Etliche Teilnehmer der „Meisterklasse“ fühlten sich in ihrer
Praxis bestätigt, zu Einzel-Coachings Experten hinzuzuzie-
hen, die den „Suchprozess“ erweitern. Die Ideen dazu rei-
chen von der systemischen Organisationsaufstellung, Ele-
menten aus der Körpertherapie bis hin zu ausgewählten
Übungen aus einem Pferdetraining.
Malte Petry
Foto: Petry